Jonathan Wyatt - Foto: Wilfried Raatz/wus-media
Drei Fragen an Jonathan Wyatt
Im italienischen Premana wurde im Juli 2017 mit Jonathan Wyatt (Neuseeland) der Berglauf-Weltmeister der Jahre 1998, 2000, 2002, 2004-2005 und 2007-2008 zum Nachfolger von Bruno Gozzelino (Italien) als neuer WMRA-Präsident gewählt.
Mit dem inzwischen 45jährigen Neuseeländer, der seit vielen Jahren in Val di Fiemme lebt und mit dem erfolgreichen Ski-und Berglaufass Antonella Confortola verheiratet ist, hat der Berglauf-Weltverband einen der profundesten Kenner der Berglaufszene an die Spitze gewählt, der vor allem in der für den internationalen Berglauf nicht leichten Zeit mit seiner über zwanzigjährigen Erfahrung als Spitzenläufer und Sachwalter des Berglaufes nun in hohem Maße gefordert ist.
Wilfried Raatz hat drei Fragen an Jonathan Wyatt zu den drängenden Themen dieser Tage gestellt:
Jonathan, zu allererst herzlichen Glückwunsch zur Wahl als WMRA-Präsident. In einer nicht ganz einfachen Zeit hast Du als früherer Weltklasseathlet Mut gezeigt und möchtest Verantwortung für die Gestaltung des internationalen Berglaufes übernehmen. Kannst Du uns in einigen Stichworten die für Dich vordringlichen Aufgaben nennen, die Du gerne in den ersten Schritten angehen möchtest?
Für mich hat die Kommunikation mit den Läufern, aber auch mit den Veranstaltern und der Industrie Priorität. Wir müssen vor allem die Meinungen der Athleten in die Strategie des Council einbinden. Ziel ist unter anderem einen attraktiven Weltcup aufzubauen, mit dem wir eine größere Zahl von interessierten Athleten erreichen können und der spektakulärer als bislang ist. Mit besonders attraktiven Rennen und angesagtesten Austragungsstätten wollen wir zeigen, wie attraktiv Berglaufen ist. Der WMRA World-Cup kann hierbei ein wichtiger Meilenstein auf diesem Weg sein.
Wichtig ist auch eine noch engere Zusammenarbeit der IAAF, die uns seit Jahren auch finanziell unterstützt. Es gilt, die Weltmeisterschaften in einem Format anzubieten, das zeigt, wie attraktiv das Berglaufen ist. Wenn Berglauf eine Chance hat, zu einer olympischen Sportart zu werden, dann ist dies der einzige Weg, den wir einschlagen müssen. Natürlich gibt es noch eine Menge mehr zu tun…
Nach unserer Auffassung befindet sich der internationale Berglauf in einer Identitätskrise. Mehr und mehr rücken nicht zuletzt durch mediales Interesse unterschiedlich akzentuierte Trailevents in den Vordergrund. Vom klassischen Berglauf nimmt man hingegen kaum etwas wahr, zumal sich viele traditionelle Läufe heute bereits Trails nennen und auf dieser neuen Welle mitschwimmen möchten. Es ist zunehmend schwer, der Sportöffentlichkeit klar zu machen, dass es sich hier um zunächst zwei verschiedene Dinge handelt. Wäre es nicht an der Zeit, die Landschaftsläufe im alpinen Bereich unter einen Hut zu bringen, ggf. auch unter gemeinsamer Führung?
Deine Frage ist etwas widersprüchlich. Einerseits sagst Du, dass Trail Running und Berglaufen mehr und mehr überlappen, einige Bergläufe versuchen sogar, sich Trail zu nennen. Andererseits sagst Du, das Trail Running und Berglauf komplett unterschiedlich sind. Wir können nicht in der Vergangenheit leben. Trail Running hat sich unter der International Trail Running Association ITRA zu einer Geschäftsmarke entwickelt.
Für mich ist es wichtig, mehr Menschen abseits der Straße zum Laufen in der Natur zu bringen. Von dieser Warte aus kann dies nur positiv zu sehen sein. Ob das Laufen dann als Trail Running oder Berglauf klassifiziert wird, das sollte vom Terrain abhängig sein. Ich persönlich habe keine Bedenken, dass bisherige Berglauf-Events als Trailläufe firmieren. Wir haben sowohl Trailläufe als auch Bergläufe unter dem Schirm der nationalen Verbände.
WMRA ist derzeit damit beschäftigt, mit Hilfe des Internationalen Leichtathletik-Verbandes IAAF und der ITRA an einem Format mit dem Ziel zu arbeiten, eine gemeinsame WM auszurichten, bei der alle Top-Athleten bei der gleichen Veranstaltung an den Start gehen können. Wichtig ist, dass wir auf diesen Zusammenschluss vorbereitet sind. Dies beinhaltet aber auch zugleich eine Hoffnung in Richtung Olympische Spiele oder Commonwealth Games. Ich würde es auch positiv sehen, wenn es in der Zukunft nur noch einen Verband für Sky/Trail/Berglaufen gibt.
Es ist einfach zu sagen, dass sich der Berglauf sich in einer Identitätskrise befinde. Richtig ist sicherlich, dass nur wenig Geld in Marketingaktivitäten investiert wurde. Das ist auf jeden Fall etwas, was wir künftig stärker bearbeiten werden. Für mich sind Berglauf-Weltmeisterschaften sehr wichtig, denn hier können Athleten für ihr Land an den Start gehen. Das ist für den Landschaftslauf etwas Einzigartiges und muss bei allem, was wir künftig tun, erhalten bleiben.
Bei allen Veränderungen müssen die klassischen Bergläufe die Umweltveränderungen im Auge haben und darauf in einer Art und Weise reagieren, dass sie die Tradition und die ursprüngliche Qualität erhalten können. In der Präsentation nach außen sollten sie jedoch auf dem neuesten Stand sein. Unser Ziel muss es sein, einen Weltcup mit solchen Veranstaltern zu kreieren, die Visionäre im modernen Sinne sind. Beispiele sind für mich der Großglocknerlauf und der Drei Zinnen-Alpin-Lauf. Das sind zwei traditionsreiche Läufe, die unter der Leitung eines innovativen Teams ein attraktives Event-Paket anbieten.
Es müssen aber nicht nur die großen Rennen sein, die erfolgreich sind. Kleine lokale Läufe, die eine familiäre Atmosphäre haben, können sich auch entwickeln. Die Gesamtbeteiligung an Landschaftsläufen ist natürlich gewachsen, das liegt aber auch an der größeren Anzahl von Läufen im Terminkalender. Für einige Events wird es schwierig, weiter zu existieren, wenn sie es nicht schaffen, etwas von diesem Schwung der Off-Road-Events mitzunehmen.
Weltweit rücken Dopingfälle mehr und mehr in die Schlagzeilen. Das gilt für den olympischen Sport wie auch für andere Sportarten. Die jüngsten Fälle von Maude Mathys und Petro Mamu zeigen, dass der Berglauf keineswegs in diesem Trend ausgespart bleibt. Welche Schritte wird WMRA unternehmen, um diesen Betrügern das Handwerk zu legen? Unserer Auffassung nach reicht es bei weitem nämlich nicht mehr, ausschließlich Wettkampfkontrollen durchzuführen.
Zuerst einmal: Athleten, die betrügen, können nur mit Kontrollen überführt werden. Ein positiver Test ist eine positive Nachricht, er ist eine deutliche Botschaft. Wenn es bei Rennen keine Kontrollen gibt, sieht es so aus, als ob es dort keine Probleme gebe. Ich kenne aber eine Vielzahl an Off-Road-Läufen, die im Laufe der Jahre zweifelhafte Sieger hatten. Für eine lange Zeit waren wir, da wir die Unterstützung der IAAF und den Anschluss an die WADA hatten, die Vorreiter im Anti-Doping bei den Landschaftsläufen. Endlich verbessern sich auch andere Laufbereiche, aber ich denke, WMRA ist immer noch die Nummer eins. Das effektivste sind für mich die Tests außerhalb der Wettkämpfe und hierauf konzentrieren wir unsere Ressourcen. Alle großen WM-Rennen der WMRA haben Anti-Doping-Kontrollen.
Wenn es um Geld oder Anerkennung geht, dann versuchen die Menschen, so ist es leider, zu betrügen. Das gilt nicht nur im Sport, sondern in allen Lebensbereichen. Je mehr Ressourcen wir für Anti-Doping-Maßnahmen im Berglaufen nutzen und je mehr wir betrügerische Athleten überführen können, umso besser wird es unserem Sport langfristig gehen.
entnommen aus: Wilfried Raatz: „Berglauf-Journal 2019“ (Verlag wus-media UG)