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2018

Auch „Koko + 9“ wollen im Team ins Weltniveau - Foto: Koken

Das aktuelle Lauf-Weltniveau zwingt zu mehr, zu mehr Effizienz, mehr Wirksamkeit des Hochleistungs-Trainings – Lothar Pöhlitz in Leichtathletik Coaching-Academy

By GRR 0

Lothar Pöhlitz – 7. Juli 2018 – Wenn es bei den Weltrekorden, den Leistungsprofilen Weltbester und den Leistungsdichten in den Laufdisziplinen in den letzten Jahren noch keinen Stillstand gab, muss man einmal darüber nachdenken welche Konsequenzen dies für die eigene Trainingsarbeit und das Wettkampfgeschehen haben müsste.

Vielleicht hilft in Vorbereitung auf Olympia 2020 noch einmal ein paar große Steine umzudrehen, noch offene Probleme zu lösen um das Entwicklungstempo zu erhöhen. Wir müssen näher ran. Es gilt noch einmal zu hinterfragen, ob die trainings-methodischen Konzepte in allen Disziplinen, das realisierte Training, die Anforderungen an das auszuwählende Talent, die Ableitungen von der Leistungsstruktur der Disziplin, die psychophysische Begleitung des Trainingsprozesses, das abgeleitete Niveau der physischen Anforderungen oder die Vermittlung psychischer, mentaler Stärke für Wettkampfhöhepunkte schon den großen Zielen entsprechen, die ja alle haben.

Schon in zwei Jahren bei Olympia 2020 zählt´s

Das Wissen um das Training der Weltbesten im Mittel- und Lang-streckenlauf sagt uns, dass in diesen Disziplinen ganzjährig ein höherer spezifischer und damit intensiverer Anteil am Gesamttraining üblich ist und die Weltbesten zum Training ganzjährig dorthin gehen wo sie die besten Bedingungen haben. 25-35 Stunden pro Woche investieren Profis ins Training und 4-5 Stunden in die sportmedizinisch-physiotherapeutische Regeneration.

Das mehr an Geschwindigkeit im Trainingsumfang zeigt sich auch darin, dass sie ganzjährig auf einem hohen Niveau in Wettkämpfen relativ leistungsfähig sind. Dafür stehen leider nur wenigen die notwendigen professionellen Bedingungen zur Verfügung. Leider hilft die seit langen diskutierte Spitzensport-Reform noch immer nicht. Unsere Besten sollten aber nicht noch länger darauf warten.

Wenn die Wirkung des bisherigen Trainings auf die für die Kader ausgewählten Läufer nicht den Wünschen oder den DLV-Planungskriterien entspricht, stellen sich doch zuerst die Fragen nach dem Niveau der Talente, ihrer Trainingsbelastung, vielleicht auch ihrer Trainer und der Wirkung und Effizienz des realisierten Trainings, auch der Qualität der längerfristigen Nachwuchsvorbereitung auf das Hochleistungstraining.

Das erfordert noch einmal die Bereitschaft, das trainingsmethodische Wissen, die Theorie und Praxis der konkreten Leistungssituation auf den Prüfstand, den Möglichkeiten gegenüber, zu stellen. Dabei ist auch die Frage zu beantworten warum die trainingsmethodische Weiterführung unseres Nachwuchses an der Schwelle zur U23 so selten gelang. Offensichtlich reichten die notwendigen Hochleistungstrainingsbedingungen für den Weg in die Weltspitze nicht. Oft fehlte wohl auch die erforderliche Geduld um die fehlende Belastbarkeit für das „mehr“ aus dem Nachwuchstraining aufarbeiten zu können.

Unter diesen Gesichtspunkten stehen die Läufer im Zusammenhang mit einer – trotz spürbarer Fortschritte – vielleicht knapp verpassten Qualifikation oder einem nicht wunschgemäßen Abschneiden bei der EM in Berlin vor schwierigen Wochen. Für die weitere Vorbereitung auf Olympia 2020 ist damit aber noch lange nichts verloren. Ursachen ergründen, neu programmieren und nach einer kurzen Pause die notwendig neuen Dimensionen schnell in Angriff nehmen, wäre dann die Aufgabe.

Körper und Geist, Organismus und Gehirn müssen nun lernen, unabhängig von der Zielstrecke, das Wettkampftempo möglichst effizient immer schneller und immer länger laufen zu können und die dafür notwendigen Voraussetzungen zu trainieren. Dafür sind bis Tokyo 2020 nur noch 2 Jahre Zeit.

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Abb.: Abstand aerob-anaerobe Schwelle von der Wettkampfleistung (800 m bis Marathon)

Die ausgewählten Schwerpunkte sind ein Angebot, Erfahrungen zur Unterstützung individueller Überlegungen für Hochleistungs- und Nachwuchs – Fach-Trainer und ihre Läufer oder auch als nutzbares Angebot zur Fixierung von Schwerpunkten zu einer Fach – Personal – Diskussion zu betrachten – dabei können „Sie“ natürlich immer auch anderer Meinung sein:

* Stellt man die vielleicht nicht beliebteste Frage nach Fachpersonal fürs Hochleistungstraining an die Spitze ist sie wohl schon damit hinreichend beantwortet, dass verschiedene Vereine und LV derzeit qualifizierte Trainer für Leistungssportansprüche, auch schon für das Nachwuchsleistungstraining, suchen. Warum sind sie eigentlich nicht auf dem Markt? Deshalb heißt der Schwerpunkt Nr.1: Der Weg ist weit, darf auch eine verbesserte Vorarbeit für später nicht ausschließen, eine Qualifizierung des Fach-Personals fürs jeweilige Anspruchsniveau duldet keinen Aufschub, evtl. helfen vorübergehend Patenschaften oder Teamarbeit mit „Elite-Trainern“, auch mal aus dem erfolgreichen Ausland.

* Hochbegabte müssen ihre Persönlichkeit im Sinne der Motivation, des Wollens und Leidenschaft in diese 2-jährige Phase der Olympiavorbereitung in allen leistungsbeeinflussenden Fragen – sowohl der Belastung als auch in allen Fragen der Unterstützung zur Erhöhung der Effizienz ihres Trainings – durch bewusste Maßnahmen zur optimalen Transformation der Belastung in ihren Leistungsfortschritt, einbringen.

* Die derzeitigen Hochleistungstrainingsbedingungen sollen an dieser Stelle nicht übersehen, aber kein Schwerpunkt sein, weil sie schon im Zusammenhang mit der Spitzensport-Reform von BMI / DOSB umfassend in einem LCA-Beitrag vom 26.3.2018 diskutiert wurden. Zumindest für Trainingslager im In- und Ausland entsprechen die von den Bundestrainern genutzten Sport-stätten voll den Bedürfnissen.

*  Eine Verbesserung des bisherigen Trainings ist nicht nur mit einer besseren Nutzung der beiden Trainingsjahre, der individuell zur Verfügung stehenden Trainingszeit, sondern auch an Verknüpfungen mit anderen zur Verfügung stehenden Trainingsformen – im Sinne einer erhöhten Reizwirksamkeit – gebunden. Dazu gehört auch MIZ-Gipfelbelastungen nicht nur in Trainingslagern zu nutzen und die danach besonders notwendigen Entlastungen weiter zu optimieren, auch zur Erholung der Psyche (geistigen Frische). Der vorbreitenden Organisation der besonderen Nachbereitung – z.B. auch durch mehrfache Physiobehandlungen und sportmedizinische Begleitung – kommt dabei eine besondere Bedeutung zu.

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Foto: Schneider

* Wenn sich im internationalen Maßstab das Wettkampfniveau, die Wettkampfanforderungen erhöht haben muß das nicht nur Konsequenzen für das individuelle Training, sondern auch für die Wahrnehmung von mit erhöhten psychophysischen Ansprüchen verbundenen Wettkämpfen haben. Dies gilt auch für – im Vergleich zu den 90ziger Jahren – eine wieder erforderliche größere Wettkampfdichte in Wettkampf-Etappen. Zur Sammlung von wichtigen Wettkampferfahrungen sind vor allem Starts gegen Unbekannte im Ausland hilfreich, bevor es eines Tages gegen die Weltbesten bei Höhepunkten geht.

* Die Leistungsstrukturen von Laufdisziplinen weisen zwar auf die notwendigen Unter- und Überdistanzleistungen für die Entwicklung der jeweiligen Spezialstrecken hin, sollten aber in der Leistungsbeurteilung der tatsächlich erreichten Teilleistungen als Beitrag zur Wettkampfleistung (siehe 400 m für 800 m), und ihrer wechselseitigen Beeinflussung  ein großer Schwerpunkt vor allem für alle Strecken von 800 m – bis 5000 m – einschließlich der 3000 m Hindernis sein. Anspruchsvolle Wettkämpfe sind die anspruchsvollste Form der Vorbereitung persönlicher Bestleistungen beim Jahreshöhepunkt. Dabei sind eine deutliche Abgrenzung von Trainings- und Wettkampfabschnitten not-wendig und 2019 weitere Erfahrungen zu individuellen Transformationszeit-räumen nach hohen Belastungen und in der UWV zu sammeln.

* Eine neue verbesserte Belastungsverträglichkeit für das Hochleistungstraining erfordert die Verbesserung der Ganzkörper – Belastbarkeit auf einem höheren Niveau. Jeweils zu Beginn eines Makrozyklus könnten in einigen Wochen etwa 3x wöchentlich in relativ kurzen 30-40 Minuten Teil-TE mit reizwirksamen Einwirkungen, spürbare Fortschritte in der Stärke der vorzube-reitenden Muskeln, Sehnen und Faszien erzielt werden.

* Die Trainingsbelastung in den MIZ, MEZ und MAZ sollte hinsichtlich ihrer Wirksamkeit auf spätere Wettkampfanforderungen insofern optimiert werden, das leere Kilometer und weniger wirksame Beschäftigungen eliminiert oder das vielseitig-allgemeine Training wenigstens in Teilen durch Anforderungen ersetzt werden, die wirksamer das nachfolgende spezielle Athletik- / Krafttraining vorbereiten.

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Foto: Karsch

* Innerhalb des differenziert auszuprägenden Niveaus der Kraftausdauer-, Schnellkraft,- des speziellen Krafttrainings und der Plyometrics für die Mittel-, Langstrecke oder den Marathonlauf (Wiederholungen, submaximale und grenzwertige Belastungen, Pausen) stellen die Belastungsprinzipien für die speziellen Leistungsziele der einzelnen Disziplinen eine wesentliche Leistungs-reserve im Sinne der Trainingseffizienz des speziellen Trainings dar. Auch weil Schnelligkeits-Schnellkraft- oder Kraftausdauer- und Maximalkraftentwicklun-gen parallel auf die neuromuskulären Systeme bzw. auf die Programmierung des Gehirns wirken.

* Wenn ein höheres Niveau im Training der Schnelligkeits- / Schnellkraft, der speziellen Kraftfähigkeiten und der speziellen Ausdauer ein höheres Niveau im wettkampfspezifischen Ausdauertraining nachfolgend möglich machen soll, muss dem ein wesentlich höheres Niveau im Training aller Voraussetzungen vorausgehen. Auch in einem evtl. harten Winter sollte der geplante Belastungs-aufbau nicht länger unterbrochen werden, auch weil alle Sportler aus warmen Gegenden in solchen Phasen planmäßig weitertrainieren.

Im Training sollte ganzjährig in den Anforderungen ein geschwindigkeits-/intensitätsgeführter Belastungsaufbau verfolgt werden, d.h. das monatlich die Trainingsgeschwindigkeiten beispielsweise über 100 m Abschnitte um 0,5 – 1 sec erhöht werden müssen.

Es ist zu bedenken das ein wärmeres Klima, in denen unsere Gegner trainieren, ganzjährig höhere Intensitäten ermöglicht

* Eine Doppelperiodisierung mit Leistungsausprägung am Ende des 1. Makrozyklus würde das Tempo der Leistungsentwicklung unterstützen, wenn zum Zeitpunkt einer echten Hallensaison für die Strecken von 800 – 5000 m und einer Cross- / Straßenlauf-Etappe für die Langstrecke und Marathon, eine optimale Wettkampffolge der Kader gegeneinander genutzt wird. Das Training war dann wirksam, wenn in dieser Phase eine Leistungsabgabe bei etwa 96-97% des Sommerleistungszieles möglich ist. Dafür wäre wichtig die Übergangsperiode konkret und zeitlich sinnvoll zu begrenzen.

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Foto: Pöhlitz

* Bei der Planung des Jahresbelastungsaufbaus ist zu sichern das die höchste Belastung in der Vorbereitungsperiode in den Monaten März – April – Mai realisierbar ist, wenn die höchste Leistungsfähigkeit des Jahres im Juli / August beim Jahreshöhepunkt erwartet wird. Aufbauwettkämpfe als Training unter Wettkampfbedingungen im Mai / Juni für den Jahreshöhepunkt können für die Weiterentwicklung der komplexen spezifischen Leistungsfähigkeit unterstützend hochwirksam sein.

* In einer notwendigen Systematik des Jahresbelastungsaufbaus muß das bereits verstärkt eingesetzte Hypoxietraining die Wirksamkeit des Trainings in den jeweiligen Einsatzzeiträumen effizienter unterstützen. Höhenketten mit dem Ziel eines Tages die Möglichkeiten des Trainings unter NN zum entsprechenden Zeitpunkt in Höhen um 2000 – 2400 m zu übertreffen, sollten in der VP II unter den besten Bedingungen das bis dahin beste Training ermöglichen. Der Effekt muß sein das nach der Höhe zu Hause besser trainiert werden kann als in vergleichbaren früheren Zeiträumen.

* Wesentliche Voraussetzungen für die Realisierung neuer individueller Belastungsdimensionen in den folgenden 2 Jahren der Vorbereitung auf die Olympischen Spiele 2020 und danach, möglichst ohne Verletzungen, sind ein optimales Belastungs-Erholungsregime, die Sicherung der Energiebereitstellung für die unterschiedlichen Trainingsformen durch eine kalorienorientierte, belastungsabhängige Balance-Ernährung, eine möglichst optimale sport-medizinisch-physiotherapeutische Begleitung (vielleicht auch die OSP stärker fordern), ausreichend Schlaf und einer Reihe möglicher persönlicher Selbst-behandlungen wie Lockerungsgymnastik,  täglichen Fußselbstmassagen am Abend, der Nutzung der Blackroll, von Entmüdungsbädern oder Bürstenmassagen unter der Dusche.

Lothar Pöhlitz in Leichtathletik Coaching-Academy

author: GRR