Siegerehrung beim Run of Spirit im Johannesstift mit Henry Wanyoike (Platz 4) - Foto: Erdmute Nieke
Henry und der Spirit – Impressionen vom 10. Run of Spirit am 21. Mai 2018 in Berlin-Spandau – von Dr. Erdmute Nieke
Pfingstmontag – kurz vor 11 Uhr – auf der Auto- und Personenfähre zwischen Tegelort und Spandau geht nichts mehr! Schönstes Ausflugswetter, es sind so viele Menschen auf der Fähre, dass der Fährmann es nicht schafft, während der Überfahrt alle abzukassieren.
Durch den Spandauer Forst geht es mit dem Rad zum Johannesstift. Vor 160 Jahren von Johann Hinrich Wichern gegründet, ist das Johannesstift heute eine der größten diakonischen Einrichtungen in der Region. Auch ich habe hier mal gearbeitet.
Doch heute trifft Religion auf Sport. Schon zum zehnten Mal findet am Pfingstmontag auf dem großzügig angelegten Stiftsgelände der RUN OF SPIRIT statt.
Pfingsten das Fest des Heiligen Geistes wird hier zum heiligen Sport-Geist. Das besondere ist nicht nur, dass Religion auf Sport trifft, sondern Sport auch auf Inklusion. Hier kann jeder Mensch zur Läufer*in werden, ganz gleich welches Handicap er oder sie hat. In jedem Menschen wohnt ein sportlicher Geist.
Das wird mir jedes Jahr bei diesem Laufevent wieder deutlich, wenn ich das rollende Läuferfeld der kurzen Strecken beim barrierearmen Lauf erlebe. Es gab in diesem Jahr elf verschieden Wettkämpfe.
Ein ganz besonderer Höhepunkt ist die jährliche Teilnahme des Kenianers Henry Wanyoike am Hauptlauf über 10 km. Henry ist blind.
Seine sportlichen Erfolge zitiere ich mal aus der Wikipedia: „Er ist aktueller Weltrekordhalter über 5000 Meter (15:11:07 min, Athen, 2004), 10.000 Meter (31:37:25 min, Athen, 2004) sowie im Halbmarathon (1:10:26 h, Honkong, 2004). Die Weltbestzeit im Marathon hielt Wanyoike bis zum 17. September 2008 mit 2:31:31 h (Hamburg, 2005) inne.“ (zit. aus https://de.wikipedia.org/wiki/Henry_Wanyoike, eingesehen 24.05.2018, 20:15)
Bei den vier Runden, die ich zu laufen habe, lohnt es sich wirklich mal, zu den langsamen Läufer*innen zu gehören. Denn bei km 4 werde ich auch in diesem Jahr wieder von Henry überholt. Während ich noch am meiner zweiten Runde schwitze, ist er auf der dritten. Es ist immer wieder absolut faszinierend und beeindruckend, wie Henry mit seinem Guide gemeinsam die Wurzeln des Weges, der zum Teil durch den Spandauer Forst führt, bewältigt. Dass der Veranstalter die raus stehenden Wurzeln rot bemalt hat, sieht Henry nicht. Dennoch hat er ein wahnsinniges Tempo, schnell entschwindet die Spitzengruppe meinem Sichtfeld.
Vor einigen Jahren habe ich mir nach dem Lauf von ihm mal ein Autogramm geholt. Unglaublich souverän hat er nach meiner Startnummer gegriffen und darauf geschrieben. In der vergangenen Woche war ich bei einer Weiterbildung zum Thema Inklusion. Wir haben in einem Workshop diskutiert, dass Menschen mit Einschränkungen oft von ihrer Umwelt zu Held*innen gemacht werden, mit dieser Rolle müssen sie dann umgehen.
Genau das passiert hier. Ein schneller und noch dazu blinder Läufer ist ist der Held der Veranstaltung. Henry ist ein Mut-Mach-Mensch für uns alle. Vor unserem Start haben wir uns in unserer Bernd-Hübner-LT-Gruppe noch darüber ausgetauscht, wie nichtig unsere Wehwehchen und Kümmernisse sind, im Angesicht der Menschen, die im Rollstuhl die Wettkampfstrecken meistern.
Inklusion ist in unserer Gesellschaft gelungen, wenn Menschen mit Einschränkungen den „normalen“ zeigen, was Mut, Ausdauer und sportlicher Geist ist! ZACK – da sind sie wieder da, meine Laufgedanken.
Rollend Laufen – Foto: Dr. Erdmute Nieke
Viermal passiere ich die gleichen Zuschauer*innen, viele bekannte Gesichter, ehemalige Kolleg*innen und Schüler*innen, die sich jedes Jahr freuen, mich wieder zu sehen. Dazu viele Menschen, die die volksfestähnliche Stimmung genießen. Rund um die Stiftskirche – manchmal auch liebevoll die Kaffeemühle genannt – gibt es Bratwurst und Kuchen, Karussell und Hüpfburg. Am Getränkestand freuen sich Kinder, dass ich immer gleich zwei Becher Wasser aus ihren Händen nehme.
Beim Zieleinlauf frenetische Stimmung und dass, obwohl die Ersten ja schon um 10 Uhr ins Ziel kamen. In diesem Jahr gibt es für alle Goldmedaillen, in den letzten Jahren waren sie noch silber.
Lauftreff Bernd Hübner – und die Kaffeemühle – Dr. Erdmute Nieke (ganz r.)
Siegerehrung: Mein Held Henry hat Platz vier belegt. Er hat für 10 km 39 Minuten benötigt. Ich war 23 Minuten langsamer, dafür durfte ich seinen tollen Laufstil und sein Tempo bewundern!
Pfingstlicher Spirit, sommerliche Temperaturen und sportliche Inklusion! Der RUN OF SPIRIT gehört mit seiner nun schon zehnten Auflage ganz einfach in meinen Laufkalender.
DANKE an alle, die dieses beeindruckende und besondere Laufevent organisieren.
Ich freue mich auf Pfingsten 2019!
Dr. Erdmute Nieke