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2020

Jenaer Kernberglauf - Foto: Dr. Hans-Gorg Kremer

44. Jenaer Kernberglauf findet erst 2021 statt – Am 22. Oktober 1977 wurde der 1. Jenaer Kernberglauf gestartet – Zur Gründungsgeschichte

By GRR 0

Als Anfang August der Gesamtleiter des Jenaer Kernberglaufs die Verschiebung der 44. Auflage um ein Jahr bekannt gab, war dem ein langer Diskussionsprozess vorangegangen.

Viele Gründe sprachen dafür, so die Abstandsregel zwischen Personen einzuhalten, demnach man den Startblock hätte auf über 350m auseinander ziehen müssen; die Sperrung von Umkleideräumen und Duschen bei herbstlicher Witterung, die niemandem zumutbar wären und dass viele der erfahrenen und qualifizierten Helfer über 70 Jahre alt sind, somit als Risiko-Personen für COVID-19 gelten, um nur einiges zu nennen.

Wir wollen die Gelegenheit nutzen um auf die Gründung des Jenaer Kernberglaufs im Herbst 1977 einzugehen.

Am 22. Oktober 1977 wurde der 1. Jenaer Kernberglauf als herbstliches Gegenstück zum GutsMuths-Rennsteiglauf gestartet. Der Bezug zum Rennsteiglauf war bewusst gewählt worden. Drei Gründe sprachen dafür: Erstens war ein Teil der ersten Organisatoren auch in die Rennsteiglauforganisation integriert, zweitens war das Organisationsmodell vielfach identisch, und drittens sollte auch die gleiche Zielgruppe erreicht werden. Daher ist als Zweitüberschrift auf der ersten Ausschreibung der Begriff „GutsMuths-Rennsteiglauf-Revanche“ zu lesen. Hier zeigte sich noch der Einfluss der Orientierungsläufer, zu denen die damalige Laufgruppe gehörte, bei denen es immer nach den DDR-Meisterschaften einen Wettkampf in Reichenbach/Vogtland gab, der offiziell Meisterschafts-Revanche hieß. Das Start- und Zielband vor der Sektion Sportwissenschaft der Universität Jena, bekannt auch als Muskelkirche, zierte daher auch das Rennsteiglaufsymbol.

Auf den zwei Strecken ausgeschriebenen Strecken über 25 und 50 km waren insgesamt 350 Teilnehmer gemeldet. Die ersten Gesamtsieger über 50 km waren Dieter Wiedemann und Irmgard Neumärker. Über 25 km kam Henner Misersky zeitgleich mit Hans-Joachim Fuchs, beide von der TH Ilmenau ins Ziel, und Ursula Weiß gewann bei den Frauen.
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Das Konzept der Organisatoren des Kernberglaufs, von denen einige inzwischen zur „100-km-Laufszene“ der DDR gehörten, sah eine schrittweise Verlängerung der Hauptstrecke auf 100 km vor. Wer die 50 km geschafft hatte, sollte im Jahr darauf die Genehmigung für 75 km bekommen. Wer diese erfolgreich bewältigte, sollte dann wieder ein Jahr später die 100 km laufen dürfen. Die Probleme bei der Findung einer organisatorisch machbaren 75-km-Strecke und die harsche Kritik des DTSB, wortstark im DTSB-Organ „Sportecho“ vorgetragen, veranlasste das Organisationsteam, sich von dieser Idee bereits beim zweiten Kernberglauf zu verabschieden. Im Sportecho konnte man nachlesen:

„Der Bedarf, für Frauen Läufe ähnlicher Größenordnung (gemeint war hier eine Marathonstrecke beim Cottbuser Oktoberlauf, H. K.) und Männer von 100 km durchzuführen, ist gering und beschränkt sich bei allen Gelegenheiten dieser Art auf den gleichen Personenkreis. Womit erneut die Frage der Allgemeingültigkeit und des Wertes auf der Tagesordnung steht.

Wir nehmen dazu Stellung, weil am Wochenende ein jüngstes Beispiel bekannt wurde. Die lobenswerte Initiative, immer mehr Veranstaltungen auf die Beine zu stellen, wollen wir den Jenaer Organisatoren um Dr. Kremer nicht versagen.

Der Begründung für den neuen „Kernberglauf“, daß er „eine Lücke im Wettbewerbssystem der Laufbewegung“ schließe, können wir jedoch nicht folgen, wenn es im Grunde genommen um eine Vorstufe von überlangen Läufen und nicht um die Befriedigung allgemeiner Lauf-Bedürfnisse geht. Man lief in diesem Jahr (neben 25 km) „nur“ 50 km, da „Startbedingung für die Teilnahme an der 75-km-Strecke die Teilnahme am 50-km-Lauf des Vorjahres ist.“ Geplant sind schließlich 100 km!

Und da meinen wir: Wir haben schon zahlreiche Läufe zwischen 50 und 100 km für jene, die sich unbedingt daran erproben wollen. Wir haben aber noch nicht genügend Läufe auf 10- und 20-km-Distanzen für die große Masse der Laufbewegung. Die organisatorische und materielle Kraft auf fünf 20-km-Läufe verteilt ist uns lieber, als ein weiteres Rennen über 100 km! M. S.“

Nach der Wende, nahm der Autor M. Seifert noch einmal in seinem Büchlein „Ruhm und Elend des DDR- Sports“ zu seinem Artikel von 1977 entschuldigend Stellung. Ihm ginge es dabei weniger um eine Disziplinierung der Laufbewegung in Jena, als darum, eventuelle Fehlentwicklungen beim Langstreckenlauf zu verhindern. Eine größere Auswirkung hatte der Artikel bei den Organisatoren nicht. Sie hatten zu diesem Zeitpunkt selber erkannt, dass bereits die 50 km–Strecke organisatorisch einen hohen Aufwand mit sich brachte sowie das vorhandene Gelände der Jenaer Kernberge eine weitere Ausdehnung sehr schwierig machte. So setzte man in der Folge erst einmal ganz auf nachfolgende Argumentation:

Unter der Überschrift „Ausdauerlauf“ konnte man vom „Pressesprecher“ Dr. Dieter Blechschmidt in der Universitätszeitung lesen:

„Doch für diesen Ausdauerlauf (GutsMuths-Rennsteiglauf) muss regelmäßig und ganzjährig trainiert werden. Deshalb sind weitere Laufstrecken erschlossen worden, um den Ausdauerläufern unserer Republik mehr Möglichkeiten zu bieten. In diese reiht sich der Kernberglauf, der im Jahr 1977 erstmals veranstaltet wurde, würdig ein.“

Um einer weiteren Kritik am Kernberglauf den „Wind aus den Segeln“ zu nehmen, wurde für 1978 keine neue längere Strecke ausgeschrieben. Die Ausschreibung wurde überarbeitet und auch die Leitungsstruktur geändert. Der erste Gesamtleiter war noch der Leiter der Laufgruppe, Dr. Andreas Schmidt, gewesen. Die Kernberglauforganisation übernahm jetzt Heinrich Fricke, dessen Handschrift ganz entscheidend diese Veranstaltung bis Anfang der neunziger Jahre prägte.

Sein Stellvertreter wurde in der Folge Dr. Rolf Schoder, der ab 1980 Sektionsleiter der verselbständigten Abteilung Ausdauerlauf der HSG wurde. Diese „Doppelspitze“ sorgte für eine kontinuierliche Entwicklung der beiden sehr eng miteinander verflochtenen Strukturen – Sektion Ausdauerlauf und Organisationsbüro Kernberglauf.

Beim Kernberglauf war schon bei der zweiten Auflage 1978 ein deutlicher Teilnehmerzuwachs zu verzeichnen. Insgesamt 790 Läuferinnen und Läufer nahmen teil. Bei den Männern siegte auf der kurzen Strecke wieder Henner Misersky, und bei den Frauen die Vierfache Rennsteiglaufsiegerin Ursula Weiß. Auf der 50 km-Strecke gewannen die Vorjahressieger Dieter Wiedemann und Irmgard Neumärker.

Die lange Strecke wurde später auf 40 km gekürzt und die Teilnehmerzahlen pendelten sich bis zu Wende zwischen 800 und 1000 ein.

Dr. Hans-Georg Kremer

 

RETTET UNSERE LÄUFE – SAVE THE EVENTS – Foto: Victah Sailer

„Rettet unsere Läufe“ – Wir brauchen jede Stimme, um den Laufsport zu retten. Helfen Sie bitte mit und beteiligen Sie sich an der Petition!

Hier geht es zur Petition:

https://www.openpetition.de/petition/online/save-the-events-o-rettet-unsere-laeufe

Instagram: #SaveTheEvents – Rettet unsere Läufe

author: GRR