Das Rennen der Frauen: Aiyabeis Tempohatz
Gleich vom Start weg setzte sich im Rennen der Frauen bei akzeptablen äußeren Bedingungen (Temperatur um 17°C, Taupunkt 10°C, leicher Regen erst im Finale) Aiyabei zusammen mit ihrem persönlichen Tempomacher (und Ehemann) Kenneth Taurus (KEN) vom Rest der Konkurrentinnen ab. Mit km-Splits zwischen 3:05 und 3:10 erreichten die Beiden 5 km nach 15:37 Minuten auf Kurs zu einer Zeit von unter 2:12 Stunden. Dieses Wahnsinnstempo – erst vor zwei Wochen wurde in Chicago der Weltrekord der Frauen durch Brigid Kosgei auf 2:14:04 gesteigert – wurde zwar etwas reduziert, aber selbst bei 10 km nach 31:41 und 15 km in 47:44 lag man immer noch auf einer Zeit im Ziel von 2:14:16 – also ein Tempo im Regime des Weltrekords.
Doch bevor diese außergewöhnliche Renntaktik weiter irritierte, schied nach 15,5 km ihr „Hase“ wegen Magenproblemen aus und die kleine 28-jährige Kenianierin war plötzlich völlig auf sich allein gestellt. Das Männerfeld in diesen Leistungsregionen war recht dünn, so dass Aiyabei einen wesentlichen Teil der Strecke auf sich gestellt zurücklegen musste. Trotzdem waren die folgenden Splits weiterhin beachtlich. Über 1:04:05 bei 20 km wurde die Hälfte der Distanz in 1:07:42 erreicht. Etwas paradox war dies genau die Pace für den „alten“ Fabel-Weltrekord von 2:15:25 durch Paula Radcliffe aus dem Jahr 2003.
Spätestens hier hätte man von Seiten der Organisatoren eigentlich realisieren müssen, was sich an der Spitze des Frauenfeldes abspielte. Doch Aiyabei agierte nach wie als Einzelkämpferin, die von den eingeholten und später auch überholenden Männern nicht gerade unterstützt wurde. Und an den Getränkestationen musste sie stets stoppen, um ihre Getränke zu finden, wobei sie wertvolle Zeit und Kräfte verlor. Über 1:20:42 bei 25 km konnte sie bis 30 km in 1:36:48 den Tempoverlust in Grenzen halten und lag dort immer noch auf Kurs zu einer Zeit von 2:16 Stunden.
Danach stiegen die km-Splits aber in den Bereich von 3:20 Minuten an und bei 35 km in 1:53:27 lag sie noch im Regime von 2:16:45, immer noch der drittschnellsten Marathonzeit einer Frau. Danach waren allerdings ihre Kräfte am Ende und ohne jede Unterstützung brach sie nun auch von außen sehr sichtbar ein. Mit 2:11:00 bei 40 km war sie die letzten 5 km in nur noch 17:33 Minuten gelaufen und damit auf eine Zeit im Ziel auf 2:18:10 abgesackt. Sie hatte aber immer noch volle 9 Minuten Zeit, um erstmals im Frankfurt Marathon eine Siegerzeit bei den Frauen von unter 2:20 Stunden zu erzielen.
Valary Aiyabei an der 42 km-Marke kurz von dem Einlauf in die Festhalle. – Foto: Helmut Winter
Obwohl die Beine nun schwer wurden und die letzten beiden km-Splits auf 3:45 und 3:41 anstiegen passierte sie die Ziellinie in hochklassigen 2:19:10, womit sie die zwölftschnellste Marathonläuferin aller Zeiten wurde. Im Jahresranking einer einmaligen Saison reicht diese Zeit für Platz 5. Damit hat der Frankfurt Marathon nun auch bei den Frauen einen Streckenrekord unter der Schallmauer im Frauen-Marathon, nachdem bereits 2011 Wilson Kipsang bei den Männern mit einer Zeit von 2:03:42 für entsprechenden Glanz und weltweite Beachtung sorgte. Im kommenden Jahr würde Aiyabei gerne wieder nach Frankfurt zurückkehren … und den Weltrekord angreifen. Organisatorisch bleibt dann zu hoffen, dass sie auf und an der Strecke etwas mehr Unterstützung erfährt als in diesem Jahr.
Katharina Heinig zusammen mit Tempomacher Steffen Uliczka auf den letzten Meter und zur Olympia-Qualifikation. – Foto: Helmut Winter
Hinter der Fabelzeit der Siegerin gerieten die Leistungen der Nächstplatzierten ein wenig in den Hintergrund, wenngleich auch diese beachtenswert waren. Genau 2 Minuten hinter Aiyabai kam Megertu Kebede (ETH) in 2:21:10 ins Ziel, nachdem sie beim Halbmarathon in 1:09:28 bereits 1:44 Minuten zurücklag und damit in der zweiten Hälfte kaum noch an Boden verlor. Auch die Vorjahressiegerin Meskerem Assefa (ETH) wollte im Vorfeld unter 2:20 Stunden laufen, am Ende reichte es aber nur völlig erschöpft zu Platz 3 in 2:22:11, also eine weitere volle Minute zurück. Und als ob jemand eine Serie inszenieren wollte, kam nochmals eine Minute später in 2:23:11 eine der Favoritinnen im Vorfeld mit einer sub-2:20 Stunden-PB, Lonah Salpeter (ISR), ins Ziel.
Beachtlich schlugen sich auf den Plätzen Stephanie „Steff“ Twell (GBR) mit schottischem Rekord von 2:26:40 auf Platz 8 und Katharina „Katha“ Steinruck (Heinig) (GER) von der LG Eintracht Frankfurt in 2:27:26 auf Platz 10. Katha hatte die erste Hälfte in 1:14:10 passiert und löste mit einem negativen Split vermutlich schon die Fahrkarte für Olympia 2020. Im deutschen Ranking lag sie damit weit vor der Zweitplazierten Thea Heim (GER) aus Regensburg in 2:41:14.
Das Rennen der Männer: Hinter den Erwartungen zurück, aber tolles Finish
Im Gegensatz zu den Frauen blieben die Männen schnell hinter den Erwartungen und Vorgaben zurück. Schon nach 5 km in 15:00 war man auf Kurs zu 2:06:35 und damit recht deutlich hinter einer Zeit um 2:05 Stunden. Daran änderte sich wenig bis 10 km in 30:01, wo neben 3 Tempomachern zehn Topläufer die Spitze bildeten. Über 44:53 bei 15 km und 1:00:08 bei 20 km wurde die Hälfte in 1:03:27 passiert, das war eine volle Minute langsamer als im technischen Meeting besprochen. Eine weitere Enttäuschung war hier der Ausstieg vom Mann mit der schnellsten Vorleistung von 2:04:32, Junioren-Weltrekordler Assefa Mekkonen (ETH).
Die Spitzengruppe der Männern kurz vor der 10 km-Marke. – Foto: Helmut Winter
Dies nahmen sich dann bei 25 km in 1:14:59 auch die „Hasen“ zum Vorbild, ihre Dienste quittieren, wonach das Tempo weiter leicht nachließ. 30 km wurde in 1:30:07 und 35 km in 1:45:19 zurückgelegt. Dann fiel eine Vorentscheidung, als sich Fikre Tefera, Martin Kosgey (KEN), Aweke Yimer (BRN) sowie Dawit Wolde (ETH) absetzen konnten. Dabei wurde die Fahrt aber kaum schneller, 40 km in 2:00:25 und dann wartete der Zielsprint in der Festhalle, den Tefere souverän in 2:07:08 gewann. Platz 2 ging an Wolde in 2:07:10 vor Aweke Yimer in 2:07:12. Etwas dahinter folgte Martin Kosgey als bester Kenianer in 2:07:20.
Nach 35 km fiel am Athleten-Hotel die Vorentscheidung. Vorne der spätere Sieger Fikre Tefera. – Foto: Helmut Winter
Neben diesen im Vergleich zu den Vorjahren eher bescheidenen Männer-Zeiten gab es auch von deutscher Seite kaum Lichtblicke. Bester deutscher „Läufer“ war der Geher Karl Junghannß (GER) as Erfurt, der bei seinem Debüt 2:17:54 auf Platz 27 erreichte. Erst nach 35 km konnte er die führende Läuferin passieren. Und auch den führenden Läufer konnte er noch vor dem Ziel einholen, denn Homiyu Tesfaye (GER) von der LG Eintracht Frankfurt überzog bei seinem Debüt mit einem Halbmarathon-Split von 1:04:23 völlig und brach im zweiten Teil ein, um das Ziel nach erst 2:18:40 auf Platz 29. Für die Teilnahme bei Olympia war das bei weitem zu wenig.
Eine kleine Sensation gab es bei den Männern aber noch nach 2:27:52, wo der 59-jährige (!) Tommy Hughes (IRL) seinen Jahresalter-Weltrekord vom Rotterdam Marathon im April noch einmal deutlich steigern konnte. Zusammen mit seinem 35-jährigen Sohn, der kurz nach ihm ins Ziel kam, schafften die Beiden einen Eintrag ins „Guiness Book of Records“ in der Kategorie „Marathon Vater-Sohn“ in 4:59:22.
Vermutlich eine Bestmarke für die Ewigkeit!
Von 14.500 vorangemeldeten Teilnehmern, erreichten ca. 10.500 den stimmungsvollen Zielbereich in der Festhalle, insgesamt waren ca. 27.000 Aktive am Wochenende in Frankfurt auf den Beinen.
Ergebnisse, Männer:
- Fikre Tefera ETH 2:07:08
- Dawit Wolde ETH 2:07:10
- Aweke Yimer BRN 2:07:12
- Martin Kosgey KEN 2:07:20
- Maru Teferi ISR 2:08:09
- Mark Kiptoo KEN 2:08:09
- Kenneth Keter KEN 2:09:29
- Daniele Meucci ITA 2:10:52
- Benard Kipyego KEN 2:11:38
- Derek Hawkins GBR 2:12:49
Ergebnisse Frauen:
- Valary Aiyabei KEN 2:19:10
- Megertu Kebede ETH 2:21:10
- Meskerem Assefa ETH 2:22:11
- Lonah Salpeter ISR 2:23:11
- Caroline Rotich KEN 2:24:42
- Askale Wegi ETH 2:25:03
- Sylvia Kibet KEN 2:26:04
- Stephanie Twell GBR 2:26:40
- Hiwot Yemer ETH 2:26:40
- Katharina Steinruck GER 2:27:26
Helmut Winter