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09
01
2021

Literatur-Marathon in Berlin 1995 mit Klaus Haetzel (r) - und Dr. Kuhlmann (ganz lks,) - Foto: privat

30 Jahre Literatur-Marathon in Berlin – ein „stiller“ Geburtstag – Mit dem „Who is who“ der deutschsprachigen Laufliteratenszene

By GRR 0

Es war ein sonniger Spätsommer-Samstagnachmittag, ein Tag vor dem Vereinigungsmarathon 1990, als um Punkt 14 Uhr auf dem Berliner Messegelände der Literatur-Marathon unter dem Motto „Läufer lesen vor“ gestartet wurde.

Er ist seitdem Jahr für Jahr am Laufen geblieben, teils an wechselnden Orten (z.B. in der Deutschlandhalle und im Hebbel Theater am Halleschen Ufer), bis … Corona 2020 kam.

Es hätte im Corona-Jahr 2020 zum 30. Geburtstag ein sonniger Spätsommer-Sonntagnachmittag werden können, wenn ab Punkt 17 Uhr in der Kunstfabrik Schlot in Berlin-Mitte dieser runde Geburtstag mit einer weiteren Lesung hätte gefeiert werden können, denn seit 2005 findet die Lesung immer am Vorsonntag zum Berlin-Marathon in der von John Kunkeler (selbst einmal ambitionierter Marathonläufer und heute Strecken-Musik-Koordinator des Berlin-Marathons) geleiteten Jazz-Lokal stets bei freiem Eintritt statt.

Aber es blieb für Interessierte nichts anderes übrig, als sich aus Anlass von „30 Jahre Literatur-Marathon“ an diesem Tag nur mit einer (eigenen) „stillen“ Geburtstags-Lesung daheim zu begnügen und die Geburtstagsfeier um ein Jahr zu verschieben, zumal Detlef Kuhlmann (66), der den Literatur-Marathon seit Beginn leitet und die Autorinnen und Autoren einlädt, für die nächste Lesung in 2021 schon eine Überraschung in Form einer „originellen“ Buch-Premiere intern angekündigt hat …

Manfred Steffny – der „Rekordvorleser“ beim Literatur-Marathon – Foto: Horst Milde

Es war damals eine Idee von Berlin-Marathon-Macher Horst Milde, der seinerzeit das kulturelle Rahmenprogramm auf dem Messegelände u.a. mit laufhistorischen Ausstellungen und laufbildnerischen Exponaten anreichen wollte.

Mit Marathonläufer Kuhlmann, 1990 noch stellvertretende Leiter der Führungsakademie des Deutschen Sportbundes (DSB) in Berlin, fand Milde einen langfristig Verbündeten: „Nach nunmehr 30 Jahren können wir stolz sein, als weltweit einziger Marathon diese laufliterarische Facette zu hegen und zu pflegen“, gratuliert der heutige Ehren-Race-Direktor Milde, der selbst kaum eine Lesung verpasst hat, bei der bisher rund 150 Autorinnen und Autoren aus ihren eigenen Werken vorgelesen haben und bei der auch schon ein früher amtierender Präsident des DSB, nämlich der Berliner Manfred von Richthofen, als Ehrengast dabei war – mehr noch:

Mit der von Kuhlmann selbst herausgegebenen Anthologie „Lit. Berlin-Marathon. Texte von der Strecke“ (Hildesheim 2013: Arete Verlag) mit einem Vorwort von Marathonläufer und Oscarpreisträger Volker Schlöndorff ist sogar ein Werk entstanden, das dem größten deutschen Marathon ein laufliterarisches Denkmal gesetzt hat.

Es bleibt allerdings noch eine ganz andere Frage: Wie muss man sich die Lesungen vorstellen? Rund eine Handvoll ausgewählter „Schreiberlinge“ pro Jahr – fast alle verfügen auch über eine eigene Lauf-Biografie im Langstreckenbereich – lesen der Reihe nach in Auszügen aus ihren Werken vor. Das können bereits publizierte Texte sein oder solche, die noch in der Schublade lagern bzw. nur als Datei existieren. Kuhlmann, inzwischen Professor für Sportpädagogik an der Leibniz Universität Hannover, moderiert die Lesungen, die nie länger als die aktuelle Marathon-Weltbestzeit der Männer dauern.

Ganz zu Anfang sollte auch über die Texte „diskutiert“ werden. Das hat sich jedoch mangels diskutabler Beiträge aus dem Publikum als nicht sinnvoll erwiesen. Stattdessen gibt es jetzt nach den Lesungen, wenn die Vortragenden ihre Bücher signieren, reichlich Gelegenheit zum Plaudern und zum Philosophieren über das Laufen und das Drumherum …

Es sei an dieser Stelle vermerkt, dass sich während der 30 Jahre quasi das „Who is who“ der deutschsprachigen Laufliteratenszene in Berlin ein Stelldichein gegeben hat … allen voran Spiridon-Chefredakteur Manfred Steffny (79), er war insgesamt zwölfmal („Rekordvorleser“) dabei und gehört zu den Laufliteraten der ersten Stunde. Einige (bekannte) Namen seien stellvertretend für viele andere zum 30. Geburtstag des Berliner Literatur-Marathons noch einmal in Erinnerung gerufen, auch um an ihre Werke zu erinnern, die immer noch zur Lektüre einladen:

Dieter Baumann, Waldemar Cierpinski, Christoph Derschau, Hartwig Gauder, Robert Hartmann, Günter Herburger, Ulrich Knoll, Andrea Löw, Sandra Mastropietro, Eva-Maria von Schablowsky, Volker Schlöndorff, Heidi Schmidt, Siegfried R. Schmidt, Alan Silitoe, Hajo Schumacher, Werner Sonntag, Gesine Strempel, Gerhard Uhlenbruck, Klaus Weidt und Joanna Zybon.

Und wer wird 2021 dabei? Abwarten – alles wird so oder so nachzulesen sein bei GRR …

 GRR Redaktion

author: GRR