Bei kühlen Temperaturen um 3°C und frischem Wind, der sich aber weitgehend in den umliegenden Wäldern verlief, herrschten gute Bedingungen, die die Athleten auf der extrem flachen und gradlinigen Strecke zu einer Flut von Bestleistungen nutzten. 84 % liefen im B-Lauf der Männer zum Teil massive PBs, im Hauptlauf der Elite schafften 15 Männer auf den ersten 16 Plätzen PBs.
Dies ist in der Tat eine rekordträchtige Bilanz.
Miriam Dattke gewann den A-Lauf der Frauen über 10 km in persönlicher Bestzeit und Welt-Jahresbestzeit. – Foto: (c) Barbara Winter
Ein Kuriosum besonderer Art gab es in den Männerkonkurrenzen, wo innerhalb von 1:45 Minuten die Welt-Jahresbestleistung gleich zweimal gesteigert werden konnte. Den Grund für dieses außergewöhnliche Geschehen verursachte der Topstar der Veranstaltung Daniel Ebenyo (KEN), der im September bei dieser Veranstaltungs-Serie den Kursrekord über 10 km auf auch international hochklassige 27:18 steigerte. Als der Countdown zum Start der Elitelaufs A so gut wie abgeschlossen war, war der Kenianer nirgends zu sichten und das Rennen wurde ohne ihn mit einer Verspätung von 5 Sekunden gestartet. Ebenyo konnte da nur noch seinen vermeintlichen Mitstreitern hinterherschauen und startete dann 2 Minuten (genau: 1:55) später im C-Lauf.
Im Hauptlauf setzte sich umgehend der neue holländische Star der Straßenlaufszene, Richard Douma (NED), ab, der im Januar 2020 den Landesrekord in Valencia auf 28:08 schraubte. Nach einem schnellen ersten Kilometer in 2:42 Minuten lag er deutlich vor dem gesamten Feld und baute den Vorsprung mit nächsten Kilometerabschnitten von 2:47 und 2:49 bis zu südlichen Wende im Ortsteil Rauchfangswerder auf ca. 10 Sekunden aus.
In der Verfolgergruppe agierten u.a. die deutschen Topläufer Simon Boch (GER) von der LG Telis Finanz Regensburg und Samuel Fitwi (GER) von der LG Vulkaneifel, die im letzten Jahr mit jeweils 28:11 die besten deutschen Läufer über diese Distanz waren.
Den Kontakt zur Spitze hatte hier schon lange der Ex-Marathonrekordler Arne Gabius (GER) verloren. Er spielte im gesamten Rennen keine Rolle und wurde am Ende bis auf den letzten Platz 21 durchgereicht, bei dem hohen Niveau des Elitefeldes war das aber in 29:57 immer noch eine Zeit von unter 30 Minuten. Dies veranschaulicht aber auch sehr deutlich, auf welch hohem Niveau die deutsche Straßenlaufszene aktuell agiert. Vorne passierte Douma die 5 km-Marke nach 13:58, also auf Kurs zu einer Zeit von unter 28 Minuten. Eine neue Welt-Jahresbestleistung, die Abe Gashahun mit 28:20 beim Great Ethiopian Run in Addis Abeba im Januar aufgestellt hatte, war hier schon fast sicher.
An der Wende zur zweiten Runde lagen die Verfolger noch 10 Sekunden zurück, das sollte sich aber schon sehr bald ändern. – Foto: (c) Barbara Winter
Kurz nach der Wende nahm das Rennen einen überraschenden Verlauf, als der Niederländer drastisch das Tempo reduzierte und mit einem sechsten Kilometer in 2:58 auf die Verfolger „wartete“. Die schlossen mit einem km-Split von 2:48 kurz nach 6 km auf, Douma reihte sich ein und mit flotten Splits von 2:50, 2:47 und 2:46 ging es vorne zu Sache. Erst nach der Wende in Rauchfangswerder fiel nach gut 8 km die einst neunköpfe Spitzengruppe auseinander, vom dem verbliebenen Sextett mussten zunächst der österreichische Topläufer Peter Herzog (AUT), der die zweite Ausgabe der Invitational Series über 5 km mit Landesrekord gewinnen konnte, und der Schnellstarter Douma passen.
Vorne stritten nun Fitwi, Boch, Ilyas Osman (SOM) und der Debütant Philemon Kipchumba (KEN) in einem grandiosen Finale um den Sieg. Dabei wurde das Tempo am Ende so hoch, dass der letzte Kilometer vom Sieger in 2:41 Minuten heruntergespurtet wurde. Und das war Samuel Fitwi, der schon im Vorfeld große Ambitionen angemeldet hatte. Denkbar knapp scheiterte der aus Somalia gebürtige Läufer an der 28 Minuten-Schallmauer in 28:00. Zweiter wurde Simon Boch, der seinen Hausrekord um 10 Sekunden auf 28:01 steigern konnte. Simon wird in zwei Wochen in Dresden sein Marathondebüt gegeben und war angesichts der hohen Umfänge im Training sehr überrascht über seinen erneuten Leistungssprung.
Samuel Fitwi gewann den A-Lauf über 10 km in 28:00 Minuten. Das war für 1:45 Minuten eine neue Welt-Jahresbestleistung. – Foto: (c) Barbara Winter
Platz 3 erkämpfte isch im Spurt Ilyas Osman in 28:03 vor Philemon Kipchumba in 28:04. Dann kam der Ausreisser Richard Douma in 28:08 ins Ziel. Das war die Einstellung seines Landesrekords, wobei anschließend eine lebhafte Diskussion entbrannte, ob er vielleicht nicht eine Sekunde schneller war. Eine spätere Anlalyse seiner Zeit mittels eines Videostream bestätigte aber das Votum der Kampfrichter. Platz 6 ging an Peter Herzog aus Salzburg in 28:12, womit er die Landesrekord-Marke von 28:10 durch Günter Weidlinger denkbar knapp verfehlte. Dahinter hagelte es weiter Bestzeiten, auf Platz 7 z.B. machte Nils Voigt (GER) vom der TV Wattenscheid in 28:23 einen gewaltigen Leistungssprung von 29:24 um eine volle Minute. Und da war er mitnichten die Ausnahme.
Daniel Ebenyo lief mit 27:50 eine neue Jahres-Weltbestleistung. Foto: (c) Barbara Winter
Eigentlich ungeplant kam nun noch eine besondere Spannung auf, denn im 2 Minuten später gestarteten C-Lauf stürmte Daniel Ebenyo hinter dem Feld des A-Laufs hinterher, konnte aber bis zur Hälfte der Distanz an der zweiten Wende nur 9 Sekunden gutmachen. Im zweiten Teil lief er völlig auf sich alleingestellt nicht mehr schneller als die Spitze und erreichte in 27:50 das Ziel, 10 Sekunden schneller als der Sieger Fitwi im A-Lau . Und dem nahm er sogleich seine gerade erst errungene globale Bestmarke wieder ab. Ob das Rennen ohne dieses peinliche Versäumnis einen anderen Verlauf genommen hätte – vor allen was die Siegerzeit anbetrifft – , ist schwer zu sagen. So war aber der Kampf um den Sieg im A-Lauf offener und eines der Highlights der Veranstaltung.
Der Start des A-Laufs bei den Frauen. In der Mitte mit A1 die spätere Siegerin Miriam Dattke, direkt hinter ihr „Hase“ Detlef Knall. – Foto: (c) Barbara Winter
In Abwesenheit ostafrikanischer Konkurrenz war Miriam Dattke die klare Favoritin auf den Sieg, zumal sie sich in Läufen in Berlin-Schmöckwitz, Frankfurt und zuletzt Dresden stetig verbessern konnte. Dabei war eine Leistung im Regime des Streckenrekords von 30:59 durch Helen Bekele Tola bei der letzten Ausgabe dieser Veranstaltung im September eine Illusion. Zusammen mit ihrem persönlichen Tempomacher Detlef Knall (GER) von der TV 1848 Schwabach, der auch schon bei der Premiere Alina Reh über 10 km unterstützte, wurde das Rennen mit km-Splits von 3:11, 3:13 und 3:12 sehr gleichmäßig gestartet.
Bei 4 km in 12:46 lag ein Quartett bestehend aus Dattke, Bojana Bjeljac (CRO), Laura Hottenrott (GER) vom PSV Grün-Weiß Kassel und Jill Holtermann (NED) zum ersten Mal auf Kurs zu einer Zeit von knapp unter 32 Minuten. Die Welt-Jahresbestleistung von 31:50 hatte Ende Februar Lisa Weightman im australischen Brighton aufgestellt. Bis 5 km in 15:55 blieb die Gruppe zusammen, bevor sich Dattke mit dem Hasen absetzen konnte. Dabei war der Kilometer-Abschnitt von 5 km nach 6 km mit 3:06 trotz Wende das schnellste km-Segment des ganzen Rennens.
Bojana Bjeljac (A3) und Laura Hottenrott (A7) belegten die Plätze 2 und 3. 32:12 für Bjeljac bedeuten neuen kroatischen Rekord. – Foto: (c) Barbara Winter
Im Schlussteil baute Dattke mit km-Splits von 3:10, 3:10, 3:08 und 3:09 ihren Vorsprung auf ihre Verfolgerinnen auf eine gute halbe Minute aus, kurz vor dem Ziel lief ihr Tempomacher höflich an die Seite und sie gewann in 31:38. Damit steigerte sie ihre PB um 42 Sekunden, wobei sie diese mit 32:20 auf der gleichen Strecke aufgestellt hatte.
Damit wurde die Läuferin aus Regensburg hinter Melat Kejeta, Irina Mikitenko sowie Alina Reh die viertschnellste 10 km-Läuferin Deutschlands aller Zeiten. Platz 2 ging in 32:12 an Bojana Bjeljac, was neben einer PB kroatischer Landesrekord ist. Deutlich steigern konnte sich auch Laura Hottenrott in 32:13 als Dritte.