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09
05
2021

MINI-MARATHON - Berlin, Germany September 25, 2016 Photo: Victah Sailer@PhotoRun

2 Milliarden für Nachhilfe, Sozialarbeit und Ferienfreizeiten – Nun müssen die Landesregierungen den „anderen“ Schulsport wollen – Ein Kommentar von Lothar Pöhlitz

By GRR 0

Alle Kinder brauchen Bewegungdringend

Der niedersächsische Sportlehrerverband forderte kürzlich, einen Teil der „Bundes – Länder – Nachhilfe-Milliarden“ auch für den Schulsport einzusetzen. Wegen der Corona-Pandemie hätten viele Schülerinnen und Schüler „erhebliche Lernrückstände und Defizite im motorischen Bereich“, teilte der Landesverband Niedersachsen im Deutschen Sportlehrerverband mit.

Zur Aufarbeitung dieser Defizite schlägt er eine dritte Sport-Schulstunde vor (dpa)

Im Corona-Aufholprojekt der Bundesregierung werden 2 Milliar-den für Nachhilfe, Sozialarbeit und Ferienfreizeiten als Bekenntnis der Bun-desregierung für die Kinder zurück aus der Corona-Krise in den Alltag benannt. Ein Teil davon für Ferienfreizeiten und außerschulische Angebote. Das dies besonders betont wurde zeigt das man sich bewußt ist, dass eine „Renovierung des Schulsports“ weitere Milliarden kosten würde. Er kommt gar nicht vor. Also besser den Schulsport gar nicht erwähnen und dafür den Eltern für eine Einmal-zahlung von 100 € die Bewegung ihrer Kids in Ferienfreizeiten empfehlen.

„Nach 16 Jahren unionsgeführter Bundesregierung sei Deutschland für die Herausforderungen der Zukunft nicht gut aufgestellt. Die Schwächen unseres Landes haben sich in der Coronakrise ja noch einmal überdeutlich gezeigt“ (Friedrich Merz am 6.5.2021 in BILD).

Das gilt vor allem auch für die Länderverantwortung für den Kinder- und Jugendsport – ab sofort. Nun müssen die Landesregierungen den „anderen“ Schulsport wollen

In der Tat sind 2 Milliarden viel Geld, aber die Riesenchance bleibt unge-nutzt, über die Investitionen in einen neuen, anderen Schulsport für a l l e Kinder, auch die der Familien mit geringen Einkommen oder Arbeits-losigkeit, auch innerhalb der geplanten Ganztagsbetreuung, zu ent-scheiden. Die Fitness-Rückstände, die Zunahme der Fettleibigkeit ab der 1.Klasse zu „bekämpfen“ könnte man gemeinsam mit der Aufholung der Bildungsverluste direkt vor Ort, am besten mit täglich einer Stunde Sport, verbinden. Die Vereine könnten eine solche Mammutaufgabe wegen fehlenden „Kinder-Fach-Personal“ derzeit gar nicht leisten.

Aus vielen Richtungen kommen inzwischen die Enttäuschungen und Hilferufe, nach einem anderen Schul- und Kindersport, wir schließen uns dem an. Wir machen uns große Sorgen, natürlich auch um Deutschlands zukünftiger Rolle im Weltsport.

Alle Parteien und TV – Sender könnten in den nächsten Wochen gegen die Defizite Kindersport nicht nur in ihren Wahlaktivitäten helfen und es in ihre Programme aufnehmen. Viele Mütter würden ihre Kinder lieber „zum Sport“ schicken und im Kinderzimmer „lüften“. Viele Tausend Eltern und 27 Millionen Mitglieder in Sportvereinen werden sicher ihre Meinung in ihren Wahlverhalten, auch für die dringenden Veränderungen, für neue Konzepte im Kinder- und Jugenspoort, kundtun.

Schon über Jahre ist der Kindersport, die Bewegung anzuerziehen, vor allem für die 7-10jährigen, ein Riesen-Problem, der Schulsport und moderne Schulsportbedingungen Stiefkind. Die Ansprüche an ihre frühe psychophysische und motorische Entwicklung, der soziale Kontakt wurde immer geringer.

Selbst die Erkenntnis, dass Sauerstoff dem Immunsystem hilft, hat nicht einmal dazu geführt, neben den 5 Minuten die Fenster zu öffnen, wenigstens mit den Kindern im Sportunterricht an der Luft 45 Minuten spazieren zu gehen um die Sauerstoffdefizite zu minimieren.

Um die Pandemie-Schäden und die Versäumnisse im letzten Jahrzehnt im Kinder-Sport aufzuarbeiten, muß der Schulsport „first“ – an die Spitze

Die aktuell in den Kitas und jetzt 6-jährigen werden in Zukunft die Geschicke Deutschlands lenken, dafür müssen sie gesund, fit, ausgebildet und leistungsfähig sein.  Dafür müssen wir investieren.

Die Situation ist beängstigend. Der Kindersport in Schule und Vereinen war Monate „geschlossen“. Die Sporthallen zu Impfzentren einfach so umfunktioniert. Homeschooling ohne Bewegungsempfehlungen war in aller Munde. Zu den schon zu vielen Übergewichtigen, kommen immer mehr dazu. Viele haben einstige Sportgewohnheiten „verlernt“. Wer etwas mehr Einblick in den „verlorenen“ Fitness-Zustand unserer Kinder hat, wie z.B. die wenigen Kinder-Trainer in den Vereinen, muß nun die Landes-Regierungen dringend bitten die Versäumnisse im ganzen Lande schnell zu reparieren. Die Zukunft erfordert das. Sicher würden allein dafür zwei weitere Milliarden gebraucht.

Wegen der auch fehlenden Kinder-Trainer in den Vereinen, wäre der schnellere, wirksame Weg über den Schulsport, am besten nicht nur mit 3, sondern gleich mit 4 Doppelstunden (= 90 Minuten) Sport die Lösung. Ein erster Schritt in den 1.-4. Klassen wäre ein wirksamer Schritt in die richtige Richtung. Man könnte, wie früher beim außerschulischen Sport, die angedachte Ganztagesbetreuung als Sport-Nachmittage nutzen. Bitte aber nicht mit nur „Aufsichtspersonal“.

Es stehen nicht nur die Bildung, Gesundheit und Fitness der Nation auf dem Spiel, sondern es muß auch die sich stark entwickelte Fettleibigkeit zurückgedrängt werden. Dies würde auch der Leistungsfähigkeit unserer Wirtschaft in Zukunft guttun.

Alles würde vor allem auch dem Leistungssport in Zukunft helfen, der in vielen Sportarten schon jetzt ohne ausländisches „Aushilfs-personal“ nicht mehr konkurrenzfähig wäre.

Der körperliche und geistige Leistungsverlust vieler während der Pandemie wird auch im Spitzensport seine Spuren hinterlassen, auch weil „man“ sich schon Jahre kaum um die BASICS für „Erfolge gegen die Welt“, das Kinder- und Jugend-Leistungstraining in den Vereinen und den Schul-sport, gekümmert hat.

Unfassbar. Die Grünen wollen sogar DEUTSCHLAND – vielleicht sogar  den Stolz auf GERMANY unserer Sportler bei internationalen Sport-Events, wie Olympischen Spielen, streichen.

Auch im Nachwuchsleistungssport ist Talent – Alarm

Bei den Deutschen 10000m Meisterschaften am 1.5.2021 erschrecken diese Zahlen, selbst unter dem Gesichtspunkt eingeschränkter Corona-Bestimmungen: 7 Starter in der Klasse U20 Mä. / 5 Fr – U23 / 4 Mä – U23 / 7 Fr. im Ziel. Es gibt viele Versäumnisse und noch mehr zu tun, auch für den DLV.

Keine Schule, kein Sport, keine Freunde treffen, Einsamkeit im Kinderzimmer, so man eins hat. Corona wird Spuren hinterlassen, über Jahre, auch auf der „Kinder-Seele“. Wir alle müssen was tun, für den Sport, jetzt, es gibt ja nicht nur Fußball.

Lothar Pöhlitz

*Lothar Pöhlitz – seit 1957 Dipl.- Sportlehrer für Leistungssport / Sportwissenschaftler / 1959-1971 Trainer und Cheftrainer beim SC Chemie Halle / 1971-1979 Leiter des Wissenschaftlichen Zentrums Lauf/Gehen im DVfL / 1979-1985 Sprinttrainer beim TSV Bayer 04 / 1980 – 1998 DLV- Bundestrainer Lauf / zuletzt Teamleiter Marathon / Straßenlauf / 3x Olympia-Trainer für Deutschland / Langjähriger Dozent an der Trainerakademie Köln und DLV-Trainerschule

 

 

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