10.000m der Männer in Mainz - Foto: Wilfried Raatz - wus media
10.000 m-Meisterschaften mit nicht ganz zu erwartenden Resultaten Schöneborn-Zwillinge Rabea und Deborah triumphierten im Schlußteil über Domenika Mayer – Tempojagd von Nils Voigt und Simon Boch raubte Favorit Samuel Fitwi die Titelchancen – Wilfried Raatz berichtet
Deutsche Langstreckenmeisterschaften 10.000m unter Corona-Zeichen in Mainz erfolgreich abgewickelt
Meisterschaften unter Corona-Bedingungen sind gewiss etwas Besonderes. Ein Aufwand, den letztlich der ursprüngliche Ausrichter in Mittweida nicht leisten konnte, sodass mit dem TSV Schott Mainz ein neuer Ausrichter kurzfristig einspringen musste.
Ein im Vorfeld zu leistender Schnelltest, der obligatorische Eingangstest zum Stadiongelände mit einem zeitlichen Aufwand von bis zu 90 Minuten, separate Eingangsbereiche, die Akkreditierung im Stadion – dies alles Punkte im Durchführungs- und Hygienekonzept des Deutschen Leichtathletik-Verbandes. Verbunden zudem mit einer namentlich zu benennenden geringen Betreuerzahl, Zuschauer waren ohnehin nicht zugelassen und einer Maskenpflicht für Organisation, Medien und Betreuer.
Zudem nach dem Meldeschluss noch die Reduzierung der Startfelder auf ausschließlich Kaderathleten auf Landes- oder Bundesebene, die allerdings vor und hinter den Kulissen für etliche Aufregung sorgte. Was blieb, das waren Titelkämpfe voller Spannung und Dramatik mit gleich einer Reihe von Leistungen unterhalb den Qualifikationsnormen für internationale Meisterschaften im Aktiven-, U23- und U20-Bereich.
Das Titelrennen in der Landeshauptstadt von Rheinland-Pfalz hatte sich Domenika Mayer sicherlich etwas anders vorgestellt.
Selbstbewusst ging die 31jährige Langstrecklerin der LG Telis Finanz Regensburg das 10.000 m-Rennen der Frauen und U23 Juniorinnen an – und setzte sich bei flottem Tempo mit einem 1000 m-Durchschnittstempo von 3:15 Minuten rund 25 Meter von der zunächst vierköpfigen Verfolgergruppe mit den beiden Schöneborn-Zwillingen Deborah und Rebecca sowie den beiden U23-Läuferinnen Eva Dieterich und der erst 19jährigen Blanka Dörfel ab. Für den weiteren Rennverlauf folgte gewiss aber die klare Erkenntnis, dass die zuletzt in Dresden über die Halbmarathondistanz mit exzellenten 1:09:52 Stunden aufwartende Regensburgerin den Titel „mit links“ gewinnen würde.
Rabea vor Deborah Schöneborn (LG Nord Berlin) (v.r.) und Domenika Mayer (LG Telis Finanz Regensburg) – Foto: Wilfried Raatz – wus-media
„Ich wusste, dass Debbie und Rabea im Schlussteil stark laufen können und einen kleinen Vorteil gegenüber mir haben würden“, gestand eine sichtlich enttäuschte Domenika Mayer im Ziel. Als nach 6000 m ihr Schritt schwerer wurde, entschied sie sich zur taktischen Variante und ließ sich hinter die Schöneborn-Zwillinge zurückfallen. Doch auch diese Maßnahme erwies sich als wenig zielführend. Denn Rabea und Deborah forcierten weiterhin und stürmten letztlich mit großer Entschlossenheit in die Schlussrunde, um Gold und Silber unter sich auszumachen.
„Ich habe mich offenbar gut erholt, meine Beine waren heute fres(c)her“, freute sich Rabea über ihren ersten Meistertitel – und dies zwei Wochen nach ihrem 2:27:03-Marathon in Twente. „Wir hatten einen Plan und dieser ist heute aufgegangen“ erläuterte die neue Meisterin freudig ihren Matchplan, der ein stetiges Tempowechselspiel mit ihrer Schwester Deborah vorsah. Mit 32:55,96 Minuten blieb sie als Einziger unter der 33-Minuten-Marke und legte noch sieben Sekunden Abstand zu Deborah (33:02,87) und einer sichtlich resignierenden Domenika Mayer (33:17,98).
Dieses Trio empfahl sich auf dem Sportgelände von TSV Schott Mainz nachdrücklich für einen Einsatz beim 10.000 m-Europacup am 5. Juni in Birmingham.
Hinter diesem schnellen Trio folgten mit Eva Dieterich und Blanka Dörfel die Schnellsten der U23-Wertung. Die 22jährige Tübinger Jura-Studentin Eva Dieterich lief dabei mit 33:39,31 Minuten noch 12 Sekunden schneller als im Dresdner Großen Garten. Die 19jährige Blanka Dörfel ist nach ihrem sensationellen Auftritt beim Dresdner Halbmarathon (1:12:31) mit nun gleichwohl starken 33:54,69 Minuten die Nachwuchsläuferin der Saison.
Eine überzeugende Bilanz gab es für die U23-Juniorinnen in diesem Meisterschaftsrennen, denn mit Linn Kleine (34:19,42) und Lisa Oed (34:21,94) bleiben gleich vier Läuferinnen unter der U23-EM-Norm für Bergen.
Mit der 28:00 Minuten-Marke im Auge stürmten im 10.000 m-Rennen der Männer Simon Boch und Nils Voigt im 2:48er Renntempo für den Startkilometer los, einem Tempo, dem selbst der als Favorit ins Rennen gehende Samuel Fitwi nicht gewachsen war. „Simon und ich hatten uns abgesprochen, um ein schnelles Rennen zu bekommen“, kommentierte Nils Voigt den furiosen Start. „Wir brauchten schließlich ein schnelles Rennen, um in Birmingham in den A-Lauf zu kommen. Ich hoffe, dass dieses uns nun auch gelungen ist!“ Auch wenn bei der 5 km-Marke das begehrte Ziel mit einer Durchgangszeit von 14:10 schon in Ferne gerückt war, ihren Offensivdrang verfolgten beide, denn der zwischenzeitlich auf geschlossene Samuel Fitwi musste zwei Kilometer später wieder abreißen lassen.
Knapp vor der 9 km-Marke war es aber auch um den unermüdlichen Simon Boch, der immerhin in Dresden ein furioses Marathonsolo in Olympianormzeit abgeliefert hatte, geschehen. Er musste abreißen lassen, nicht zuletzt, weil Nils Voigt wie entfesselt den ersten Männertitel vor Augen hatte. Sein Masterplan (O-Ton des Schützlings von Tono Kirschbaum: „Erstens: Den Titel holen, Zweitens: einen Europacup-Platz erringen“) ging vollends auf, denn dank einer schnellen Schlussrunde wurden es noch 28:11,31 Minuten und elf Sekunden Vorsprung vor Simon Boch (28:22,75). Sichtlich enttäuscht spulte Samuel Fitwi sein Rennen herunter, denn seine Investitionen mit insgesamt acht Wochen Trainingsaufenthalt in Iten (Kenia) gingen nicht auf, mit 29:02,30 landete er abgeschlagen auf Rang drei. Fast im Alleingang lief Sebastian Hendel die 25 Runden als Vierter (29:27,51).
Die schnellsten U23-Junioren mit Tobias Ulbrich (29:58,98), Marius Abele (30:03,06) und Maximilian Feist (30:04,86) blieben deutlich über der Norm für die Europameisterschaften.
Im eher gemütlichen Trab spulten die U20-Junioren ein Großteil ihrer 25 Runden herunter, ehe nach diversen kleineren Zwischenspurts der Dortmunder Henrik Lindstrot mit einer 60er Schlussrunde neuer Meister in 32:59,35 Minuten vor dem lange Zeit führenden früheren Segler Theodor Schucht (33:03,24).
Zum Auftakt blieben gleich sechs U20-Läuferinnen im 5000 m-Meisterschftsrennen unter der Norm für die Europameisterschaften in Tallinn. Dank ihres Spurtvermögens holte sich in ihrem ersten 5000 m-Rennen die letztjährige U18-3000 m-Meisterin Johanna Pulte in 16:29,89 vor der lange Zeit die Führungsarbeit leistende Emma Heckel (16:31,45) und Jule Behrens (16:32,74).
Wilfried Raatz