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12
07
2025

1500 m Lauf in Berlin-Hohenschönhausen 2025 - Foto: Horst Milde

Die spezielle Ausdauer als Maß zur Bestimmung des Leistungs potentials im Lauf – Dr. Wolfgang Blödorn

By GRR 0

Sportliche Leistungen sind das Ergebnis eines komplexen Zusammenhanges verschiedener Eigenschaften und Fähigkeiten.

Körperliche Fähigkeiten im Sport, wie Schnelligkeit, Kraft, Ausdauer und Koordination, können klar bestimmt werden. Ihre Ausprägung und Größe bestimmen in allen Sportarten und -disziplinen die erreichte Leistung mit.

Schnelligkeit, Kraft, Ausdauer und Koordination sind sportliche Leistungskategorien, welche weiter unterteilt und differenziert werden können. Wegen ihrer Komplexität sind auch deren Unterteilungen komplex. Dies gilt auch für die Unterteilung der Kategorie Ausdauer in allgemeine Ausdauer und spezielle Ausdauer. Die spezielle Ausdauer kann allgemein als Geschwindigkeitsverlust verstanden werden. Um die spezielle Ausdauer zu berechnen, können Koeffizienten der speziellen Ausdauer (KsA-Werte) genutzt werden.

Der KsA-Wert als Schlüssel zur Berechnung der speziellen Ausdauer

Blödorn & Döring (2025)* stellen in zwei Studien einen neuartigen, dimensionslosen Index zur Quantifizierung des relativen Geschwindigkeitsverlusts zwischen benachbarten Laufdistanzen (z.B. 400m →800m) im Aktivenbereich vor. Sie analysierten u.a. über 14.000 Wettkampfzeiten männlicher Athleten von 100m bis 10.000m, um statistisch fundierte Normwerte, Werte des Koeffizienten der speziellen Ausdauer (KsA-Werte), für die hier vorgefundenen Geschwindigkeitsverluste zu liefern.

KsA-Werte als Glieder einer Kette

Es wurden die DLV-Jahresbestenlisten von 1980 bis 2022 genauso analysiert wie die ewigen Weltbestenlisten, die ewigen Bestenlisten Europas, die ewigen Bestenlisten Großbritanniens, die ewigen deutschen Bestenlisten sowie die ewigen Bestenlisten des Badischen und des Schleswig-Holsteinischen Leichtathletikverbandes.

Es entstanden Koeffizienten der speziellen Ausdauer (KsA-Werte) der Durchschnittsgeschwindigkeiten über 100 m in Sekunden der beiden Distanzen von Paarstrecken (z.B. 400 m und 800 m), in dem die kürzere durch die längere geteilt wurde. Der dimensionslose KsA-Wert gibt den Geschwindigkeitsverlust auf dieser Paarstrecke wieder. Weil alle möglichen flachen Meisterschaftsdistanzen (Ausnahme 3000 m) im Stadion der Aktivenklasse der Männer für die Berechnung der KsA-Werte genutzt wurden, ist eine Kette von KsA-Werten für Wettkampfleistungen entstanden.

Die Kette der KsA-Werte weist charakteristisches Muster auf

Die berechneten KsA-Werte der DLV-Bestenliste sind über den Zeitraum von 43 Jahren überaus stabil geblieben und weisen lediglich Veränderungen von unter 0,1 Prozent auf. Die Kette der KsA-Werte zeigt ein charakteristisches Muster, welches der Energiebereitstellung für die Wettkampfdistanzen entspricht. Ihren Höhepunkt besitzt die KsA-Werte-Kette mit dem Streckenpaar 100 m/200 m. Ihr Tiefpunkt ist beim Streckenpaar 200 m/400 m festzustellen. Danach steigt der KsA-Wert bis zum Streckenpaar 3000 m/5000 m wieder an, um beim Streckenpaar 5000 m/10000 m leicht abzusinken (vgl. Abbildung).

Weitere statistisch zentrale Befunde

Die KsA-Werte weisen eine Variabilität von CV < 2,5 % mit einem Interquartilsabstand von IQR ca. 2,3 % nach. Diese geringen statistischen Werte weisen auf eine hohe Aussagekraft der KsA-Werte für individuelle Vergleiche hin. Im Vergleich der internationalen, den nationalen und den regionalen KsA-Werten zeigt sich, dass persönliche Bestleistungen innerhalb der Normbereiche liegen. Dabei ist i.d.R. eine leichte Verbesserung der KsA-Werte beim Anstieg des Leistungsniveaus zu konstatieren. Das KsA-Modell beschreibt die Abnahme des Geschwindigkeitsverlustes über 100 m bis 10000 m mit einem Bestimmtheitsmaß (R2) von > 0,999.

Abb.: Verlauf der KsA-Werte von 1980-2009, Blödorn 2015

Das KsA-Modell ermöglicht Leistungsprognosen mit einem Fehler von kleiner als 1 Prozent

Die KsA-Werte ermöglichen Leistungsvorhersagen für 400 m, 3000 m sowie 5000 m mit einer Fehlergröße von unter einem Prozent. Das KsA-Modell ist damit vergleichbar und teilweise sogar besser wie andere, etablierte Modelle (VDOT und Riegel). Das KsA-Modell evaluiert, anstatt wie die physiologisch basierten Modelle zu erklären. Darüber hinaus besitzt das KsA-Modell den unschätzbaren Vorteil für die Trainingspraxis, dass die KsA-Werte sehr einfach berechenbar sind. Die bestehende Kette von KsA-Werten lässt weiterhin eine theoretische Annäherung auch für nicht-benachbarte Strecken (z.B. 400 m und 1500 m) zu.

Das KsA-Modell als neue Normgröße für Leistungen und deren Bewertung

Wegen der Robustheit der KsA-Werte sind sie praxisnah nutzbar als Referenz für individuelle Leistungsprofile unterschiedlicher Leistungsniveaus. Sowohl Leistungen und Leistungsprofile der internationalen Klasse wie auch der regionalen Klasse lassen sich mit dem KsA-Modell errechnen. Das KsA-Modell erlaubt mit seinem fünfstufigen Bewertungsmodell (Leistungsprofil bestehend aus den zwei unteren Nachbarstrecken, der Hauptstrecke und den beiden oberen Nachbarstrecken) gezielte Trainingsempfehlungen, die Auswahl der am besten geeignete Hauptstrecke sowie die Bestimmung von förderungswürdigen Talenten.

Stärken des KsA-Modells

Das KsA-Modell basiert auf leistungsübergreifenden internationalen, nationalen und regionalen Daten aus einem langen Zeitraum. Es integriert Sprintzeiten und Zeiten im Mittel- und Langstreckenlauf im Stadion. Das KsA-Modell bietet mit seinem empirisch-statistischen Referenzrahmen eine Vergleichbarkeit von Laufstrecken und den erreichten Niveaus. Weiterhin lässt es eine individuelle Profilanalyse zu. Leistungsprognosen sind mit einer hohen Genauigkeit von > 1Prozent möglich.

Das KsA-Modell ergänzt und erweitert bestehende Prognosemodelle im Lauf und liefert damit einfache Normwerte für Geschwindigkeitsverluste. Es ist für Trainer, Athleten und Verbände sowie Sportwissenschaftler direkt anwendbar. Es lässt sich sowohl für Männer als auch für Frauen anwenden.

Dr. Wolfgang Blödorn

*Blödorn, Wolfgang; Döring, Frank Sex-specific characteristics of special endurance and performance potential in female runners. BMC Research Notes 2025 18 1

Blödorn, Wolfgang; Döring, Frank Special endurance coefficients enable the evaluation of running performance in  Scientific Reports | (2025) 15:20184

Kontakt: wbloed@gmail.com

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