
Tokio - Olympische Spiele 2020 - 800 m der Männer - 2020 Tokyo Olympic Games Tokyo, Japan July 29-August 8, 2021 Photo: Andrew McClanahan@PhotoRun Victah1111@aol.com
800 m der DLV-Männer auf der Straße zur WM in Tokio 2025 – Dr. Wolfgang Blödorn
Persönlichen Bestleitungen im Mittelstreckenlauf des DLV purzeln und purzeln. Immer wieder überraschen Läuferinnen und Läufer des DLVs mit neuen persönlichen Rekorden.
Es vergeht kaum ein Wochenende, an dem nicht neue Bestleistungen auf der DLV-Seite Leichtathletik.de verkündet werden. Auch, wenn die Athletinnen und Athleten oftmals im Ausland trainieren und so der Strahl des Ruhms der neuen Bestleistungen nur zum Teil auf die Trainerinnen und Trainer im DLV scheint, gilt es, den Läuferinnen und Läufern zu gratulieren.
Durch die enorme Leistungsentwicklung wird der Eindruck vermittelt, als seien Läuferinnen und Läufer im DLV dabei, zur Weltspitze aufzuschließen.
Besitzt dieser Eindruck eine reale Basis?
Als interessierter Trainer stellt sich in diesem Zusammenhang auch die Frage nach den Gründen dieser Leistungsexplosion. Sind es neue Trainingsmittel oder -methoden, neue Trainingsregimes, die zu diesem Leistungsaufstieg beitragen? Oder sind es die Möglichkeiten, die die neuen Schuhe und Spikes den Läuferinnen und Läufern bieten und zugutekommen?
DLV-Athletinnen und -Athleten sind es schließlich nicht allein, die für neue Laufbestleistungen sorgen. Es ist insgesamt ein internationaler Aufschwung zu besseren Leistungen im Block Lauf festzustellen.
Bei allem berechtigten Enthusiasmus darf man aber nicht vergessen, dass die neuen, großartigen Bestleistungen aus deutscher Sicht in Rennen mit im weiteren Sinne Tempomachern erzielt wurden. So konnten sich die Läufer voll auf sich und die erhoffte Zeit konzentrieren. Die Läuferinnen und Läufer mussten wenig Platzierungskämpfe während des Rennens durchführen.
Dies ist bei Meisterschaftsrennen anders.
Hier gilt es schon von Beginn an sich eine gute Ausgangsposition zu verschaffen, um sich für die nächste Runde über die Platzierung zu qualifizieren. Temporennen, welche mit einem Tempomacher zu einer guten Zeit führen, besitzen einen anderen Charakter wie Meisterschaftsrennen, die auf die notwendige Platzierung, um die nächste Runde zu erreichen, ausgerichtet sind.
Aussichtsreiche Platzierungen in Vorlauf, Halbfinale oder Finale bei internationalen Meisterschaften können durch unterschiedliche Taktiken erzielt werden. Da wäre zum einen der starke Schlussspurt auf der Zielgeraden zu nennen. Eine weitere Möglichkeit stellt ein hohes Tempo von Beginn an zur Verfügung, um die Mitkonkurrenten „platt“ zu laufen, damit diese nicht ihren Speed auf den letzten Metern ausnutzen können. Diese beiden Möglichkeiten werden hier betrachtet. Aus diesem Grunde bietet es sich an, das Anforderungsprofil der DLV-Läufer und der Läufer in der Welt genauer anzuschauen (Tab. 1).
Tab. 1: Anforderungsprofil 800 m Männer der zehn DLV-Besten (Stand 16.06.2025) ergänzt durch Skupin-Alfa – IAAF Profile
Ein Anforderungsprofil besteht aus der Hauptstrecke und den dazugehörigen Nebenstrecken, der Unter- und Überdistanz.
Bekanntlich gibt es „800 m-Sprinter“, sie kommen stärker von der 400 m-Distanz, und „800 m-Mittelstreckler“, sie profitieren von ihrer 1000 m- oder 1500 m-Stärke. Ein entsprechender Vergleich scheint angemessen, um festzustellen, wo Stärken und Schwächen der deutschen Läufer liegen. Um diesen Vergleich zu ermöglichen, stelle ich die Anforderungsprofile der zehn besten 800 m-Läufer der ewigen DLV-Bestenliste und die Anforderungsprofile der zehn besten 800 m-Läufer der Welt in der ewigen Bestenliste (Tab. 2) gegenüber.
Tab. 2: Anforderungsprofil 800 m Männer der zehn Weltbesten (Stand 16.06.2025) – IAAF Profile
Um diesen Vergleich einfacher zu ermöglichen, biete ich eine weitere Tabelle (Tab. 3) an, welche einen Medianvergleich der zehn Weltbesten mit den zehn DLV-Besten 800 m-Läufern vorstellt.
Tabelle 3 macht deutlich, dass, bezüglich des Alters, in dem die persönliche Bestleistung erzielt wurde, und der persönlichen Bestleitung über die Unterdistanz, den 400 m, nur geringe Differenzen zu den beiden derzeit besten 800 m-Läufer im DLV bestehen.
Auf den Überdistanzen, den 1000 m und den 1500 m, hingegen sieht das anders aus. Hier liegen die beiden bei einem Vergleich doch relativ weit hinter den Weltbesten zurück.
Genauer: Beide Läufer weisen laut dem IAAF Portal keine Überdistanzleistungen nach. International schwache Überdistanzleistungen lassen sich übrigens auch bei den Frauen im 800 m-Lauf konstatieren. Anscheinend wird dem Training der Überdistanzen von Trainerinnen und -Trainern in Deutschland nur wenig Gewicht beigemessen.
Welche Konsequenzen könnte diese Feststellung bei Meisterschaftsrennen, z.B. den Weltmeisterschaften in Tokio besitzen?
Während Alexander Stepanov die WM-Norm des DLV bereits unterbieten konnte, steht diese bei Malik Skupin-Alfa noch aus. In der Weltbestenliste 2025 vom 16.06.2025 liegt Stepanov mit seiner aktuellen Bestleistung auf Platz 24 der bereinigen Liste. Skupin-Alfa hat es auf Platz 65 geschafft.
Es gibt, wie oben erwähnt, mindestens zwei Möglichkeiten, eine erfolgreiche Platzierung zu erzielen.
Vor dem Hintergrund der Tabelle 3 scheint die Möglichkeit, dass die beiden DLV-800 m-Läufer durch einen Schlussspurt bis ins Finale gelangen, wegen der nahezu gleichen 400 m-Zeit im Vergleich der beiden Leistungsebenen eher unwahrscheinlich.
Für Skupin-Alfa noch mehr wie für Stepanov. Ihre Aussichten bezüglich der fehlenden Überdistanzleistung scheinen bei einem Tempolauf noch schlechter zu sein. Ob das bisher vorhandene Defizit der fehlenden Leistung über 1000 m- bzw. 1500 m-Leistung noch in der laufenden Saison ausgeglichen werden kann, scheint fraglich.
Insofern bleibt es abzuwarten, ob die im DLV erweckten Hoffnungen eines guten Abschneidens bei dem Weltmeisterschaften 2025 über 800 m in Tokio sich erfüllen.
Zu wünschen wäre es beiden!
Dr. Wolfgang Blödorn
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