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26
02
2022

Auch zum Hochleistungs-Wintersport brauchen Talente 10-12 Jahre „Anlauf“ - Foto: privat

HOCHLEISTUNGSSPORT erfordert Nachwuchsleistungssport – Nach den Olympischen Winterspielen – ist vor den Olympischen Sommerspielen – Ein Fazit von Lothar Pöhlitz*

By GRR 0

In einem Fazit über GERMANYS Auftritt bei den Olympischen Winterspielen B E I J I N G 2022 kann man sich auf der einen Seite der sicher nicht so erwarteten erfolgreichen Medaillenbilanz, zwölfmal Gold, zehnmal Silber und fünfmal Bronze – Zweiter hinter Norwegen (16/8/13) – erfreuen, die vor allem von den Bob- und Schlittenpiloten und ihrer Technik im anspruchsvollen Eiskanal gesammelt wurden.

Auf der anderen Seite darf man die großen Verlierer, die Biathlon-Männer, die ganze Sportart Eisschnelllauf, nur eine Medaille für die Alpinen, die Männer im Skilanglauf nicht übersehen. Das sind Disziplinen aus denen weltweit mehr Konkurrenz – vergleichbar mit der Leichtathletik – kommt.

Auch die vielen Momente, Wochen und Monate vor und innerhalb der zwei Wochen sind diesmal bei einem Rückblick zu berücksichtigen, in denen sich unsere von ihren Trainern vier Jahre vorbereiteten Athleten unter Corona-Einschränkungen im Moment ihrer größten Herausforderung ohne groß zu jammern, kämpften.

Für mich ist Therese Johaug (NOR) mit 3x Gold die Ausdauer-Queen, mit Schnellkraft, Ausdauer, mentaler Stärke und Technik hat sie alle Strecken beherrscht. Katharina Hennig und Victoria Carl waren mit sensationellem Gold im olympischen Langlauf-Teamsprint die Überraschungssieger der Ausdauer-disziplinen, die gezeigt haben, was offensichtlich „besseres“ Training für GERMANY auch bei Höhepunkten möglich macht.

Da konnte man Wissen und Erfahrungen bei den Live – Tag und Nacht – TV-Berichten auffrischen und Neues auch für die Leichtathletik dazulernen. Vom Umgang mit konsequenter Corona – Quarantäne, Sturm, viel Schnee den es ja gar nicht geben sollte, eklige minus 20 Grad C, Zuschauer von der Diktatur bestellt, erstaunlich wenige „Doping-erwischte“, erwartete Sieger und auch unerwartete Verlierer, den Umgang von Betreuern und Trainern mit ihren Athleten beobachten, neue Sportarten kennenlernen, ein „Riesenaufgebot von ROC-Männern und Frauen“, die für das doch eigentlich  „gesperrte Russland“ starteten und Medien die unter diesen auch für sie aufwendigen, ungewohnten Umständen, umfangreich und gut berichteten.                                

Schon eine Qualifikation unter den 2 Jahren Corona-Vorbereitungsbedingungen, den Medien-Einflüssen zu den Erwartungen schon vor der Anreise bis zu den immer wieder von den Athleten geforderten politischen Statements, die „Weißkittel“ und Testprozeduren bei der Ankunft, Quarantäne nach positiven Tests, das Leben in der „Blase im Prinzip ohne Ausgang in der auch Freizeit“, die fehlenden Begegnungen im Olympischen Dorf, schließlich der nicht so erwartete und vorbereitete Umgang mit der Kälte und „die durch Sturm verblasenen Treffer“ beim Biathlon, waren nicht gerade hilfreich.

Die ungewohnte strenge Reglementierung wo man langzugehen und wie man zu denken hat, das vom Staat mit Fähnchen ausgestattete, ausgewählte „Partei-Winke-Personal“ – für die Älteren aus der ehemaligen DDR nicht ganz unbekannt. Ähnlich wie damals, als „die größte DDR der Welt um Fahne und Hymne kämpfte“ war es auch diesmal, „CHINA bestimmte, wo es langgeht“. Sie werden demnächst auch beweisen, dass sie Wintersport können. Viele, vor allem aus dem Westen unseres Landes, werden sicher, was China und Russland betrifft, noch einiges ungewohnte über den Unterschied zwischen einer Diktatur und Demokratie dazulernen müssen. Die Journalisten übersehen gern bei ihren Wünschen z.B. nach politischen Statements vom Sport, das China derzeit schon unser größter Wirtschafts-Handelspartner ist und an der riesigen Seidenstraße schon bis Duisburg ohne Proteste gebaut wird.

Dafür perfekt und von allen Athleten und Trainern hochgelobt die Wettkampf-Bedingungen, die Anlagen, alles neu, ob Skisprungschanzen, Biathlonstrecken, die Strecken für Skilanglauf, die Eisschnelllaufhalle, der Bob– und Schlitten-Eiskanal oder die Präsentation der für deutsches Fernsehen fast unbekannten beeindruckenden Sportanlagen für Freestyle, Snowboard, Shorttrack, Skeleton oder Curling.

Und als der Schnee kam, war man erstaunt, wurde trotzdem richtiger Wintersport übertragen.

Deutschland wäre wohl, allein wenn man an unsere Infrastruktur denkt, unsere landesweiten Bahn-, Straßen- und Brückenprobleme, bis hin zum Kinder- , Jugend- und Schulsport und ihren Bedingungen, mit der Übernahme einer Olympiapräsentation maßlos überfordert. Diese dafür gebrauchten Millionen bzw. Milliarden bei Einbeziehung der Infrastruktur, müßte für den Sommersport besser erst einmal für mindestens ein Jahrzehnt in die Nachwuchsausbildung und Spitzentrainerqualifizierung investiert werden. Wir wollten doch, frühestens nach Brisbane 2032, auch zu Hause zu den Besten in einem Medaillenspiegel gehören.

Es wäre wünschenswert, wenn die Medien, wie bei Olympia, sich auf breiter Front – diesen Zielen unterstützend – nun, neben dem Fußball, auch dem Kinder-, Jugend-, und Schulsport annehmen würden.

Es gibt viel zu tun – viel aufzuholen – nicht nur im Laufen

Winter adé – nun ist es Zeit – auch für die Leichtathletik – nicht nur über Konsequenzen, Aufgaben, Gegner, Investitionen, Veränderungen nachzudenken, sondern zu handeln. GERMANY muß zurück, auch im Sommer Hochleistungssport wollen.

Paris 2024 ist nah, sehr nah, aber auch 2032 in Brisbane/Australien werden für unseren gegenwärtigen Leistungsabstand zum Weltniveau in vielen der 47 Disziplinen wieder Medaillen, am besten Gold, von den Medien gezählt, wie aktuell in Peking. Bedenken muß man dabei das wir keine Bob- und Schlittenfahrer mit nur wenigen echten Gegner-Nationen haben. Vor allem im Bereich Mittel- Langstrecken und Marathon ist die ganze Welt im Aufbruch und hat in der nahen Vergangenheit nicht nur für viele neue Weltrekorde, sondern auch für eine riesige Leistungsverdichtung gesorgt.

Gold – Silber – Bronze – Blech erfordern schneller, länger, stärker, motivierter zu trainieren. Wer unten nicht ausbildet kann oben nicht ernten

Vielleicht kann der Eine oder die Andere, die Wettkampf-Organisatoren, die Sponsoren, die Coaches und Funktionäre den einen oder anderen Erfahrungs-Kurz-Gedanken für sich als Anstoß für die vielen notwendigen Verbesserungen, Veränderungen nutzen.

  • Nicht nur BEIJING 2022 – auch alle Olympischen Spiele vorher – lehren das man nicht immer nur auf die Top-Wunschbedingungen – sondern auch auf ungewohnte Bodenuntergründe – Regen – Sturm – Hitze – Kälte und richtig harte Gegner auf dem Weg zur Medaille vorbereitet sein muß.
  • Wie wir jetzt arbeiten, werden wir zu den Großen nicht aufschließen können. Wir sind nicht nur zu langsam, sondern auch zu Wenige.
  • Für den langen Weg in die Weltspitze hilft Bildung/Intelligenz und hartes, richtiges, reizwirksames Training
  • Nur mit neuer Strategie kann Germany 2032 vorn mitmischen. Alles beginnt beim DOSB, aber auch die Ampel-Regierung muß deutsche Erfolge gegen die Welt – wieder eine Leistungssport-Nation – wollen.
  • Führung bedeutet nicht nur die Verantwortung für die Wege zu Zielen aufzuschreiben, sondern auch das Wissen um die Lösung und die Zurverfügungstellung der den Erwartungen entsprechenden Bedingungen für Trainer und Athleten für die Jahre professioneller Arbeit.
  • Es fehlen vor allem hauptamtliche Profi-Trainer für den Leistungssport, nicht nur ganz oben, auch ganz unten. Die Talentausbildung darf nicht länger unterschätzt werden. Aber es wird auch Zeit einmal über die politische Führung nicht nur nachzudenken.
  • Vor allem der Kindersport in Schulen und Vereinen braucht einen Neustart. Darum müssen die Verantwortlichen jetzt richtig kämpfen. Lösungen anbieten, Corona hat uns mindestens zwei Jahre „Arbeits- und Trainingsausfall“ gebracht.
  • Um bei Kindern und Jugendlichen die große Leidenschaft für eine Sportart zu wecken, Talente für sportliche Höchstleistungen langfristig aufzubauen, braucht es frühes, am besten fachlich richtiges bewegen, vor allem „Training“ in den BASICS-Jahren und Vorbilder.
  • Dafür wäre toll und hilfreich zugleich, wenn sich die Medien dem Kinder-, Jugend- und Schulsport annehmen würden und mit Vorbildern die Kids wieder zum Mitmachen animierten.
  • Wenn man nicht für das gewünschte Niveau trainiert hat, muß man sich nicht wundern, wenn man es nicht abrufen kann
  • Bundestrainer Schlickenrieder, für mich einer der „Sieger-Coaches bei Olympia“ krempelte zuerst die Strukturen um als er vor Jahren übernahm: „alle Beteiligten arbeiten im Team, die Athleten, die Skiwachser, die Physios, der Arzt und der Teamchef.  Ziel ist die Eigenverantwortlichkeit, um imstande zu sein, wenn es darauf ankommt, selbständig zu agieren“ (aus einem Schlickenrieder – Interview).
  • Mentalität bedeutet auch, den erarbeiteten Willen zum Erfolg in entscheidenden Situationen umzusetzen. Gold waren in Peking wieder die vorherrschenden Erwartungen der Medien, der vierte Platz bedeutete Holz- oder Blechmedaille.
  • Die vielfältigen Ausbildungsaufgaben sollten die Läufer ganzjährig dazu animieren den 3-5 Qualitäts-Trainingseinheiten („Q“) pro Woche eine größere Aufmerksamkeit zu widmen. Vor allem reizwirksames Training aller Systeme muß den angestrebten Leistungsfortschritten vorausgehen.
  • Schon im Kinder- und Jugendsport gilt, das alles Training auf die Teilnahme an Wettkämpfen zielt
  • Im neuen Plan ist zu sichern das im Hochleistungstraining innerhalb eines 4-Jahres-Olympiazyklus Investitionen für die Leistungsentwicklungen und bessere Wettkampfergebnisse die Hauptziele sind.
  • Läufer müssen schneller – länger – reizwirksamer – auch im Höhentraining trainieren.

  Mit „anderer“ Nachwuchsarbeit hat man den Schlüssel.

Das nächste Jahrzehnt wird – unter den gegenwärtigen Bedingungen und Ausgangsposition – für die Sommersportarten schwer, was die internationale Konkurrenzfähigkeit, was die Medaillenerwartungen bei Olympischen Spielen betrifft. Ein Vergleich zum Abschneiden des Wintersports in Peking ist gefährlich, unangebracht, weil die internationale Konkurrenzsituation beispielsweise der Ausdauersportarten zwischen Winter- und Sommersport riesig, auf der einen Seite vor allem Europa den Skilanglauf beherrscht, auf der anderen Seite die ganze Welt auf Straßen und Bahnen ums Geld „rennt“ .

Nachdem Außenministerin Baerbock die Berufung der Greenpeace-Chefin Jennifer Morgan zur Sonderbeauftragten der Bundesregierung für Klimaschutz, der die Ernennung zur Staatssekretärin folgen soll, öffentlich machte, ist wohl Zeit nun einen Sportminister oder wenigstens eine Staatssekretär/in für den Kinder- Jugend- und Schulsport zu berufen. Das würde Deutschland helfen wieder eine Sport-Nation zu werden

SPD – FDP und GRÜNE müssten sich deshalb nun bald auch mal zur Bildung, Kinder-Jugend-, Schulsport und ihre Erwartungen an TEAM-D bei Olympischen Spielen, EM und WM erklären und bekennen.

Lothar Pöhlitz

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*Lothar Pöhlitz – Dipl.- Sportlehrer für Leistungssport / Sportwissenschaftler / 1971 – 1979 Leiter des Wissenschaftlichen Zentrums für Lauf -Trainingsmethodik im DVfL / 1979-1985 Sprinttrainer beim TSV Bayer 04 / 1980 – 1998 18 Jahre DLV-Bundestrainer Mittelstrecke – Langstrecke – Marathon / zuletzt Teamleiter Marathon / Straßenlauf / 3x Olympia-Trainer für Deutschland / Langjähriger Dozent an der DOSB-Trainerakademie und DLV-Trainerschule / 2006 – 2020 Leichtathletik-Coaching-Academy / 4 Lauf-Fachbücher

 

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