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17
07
2022

Gruppenbild v.l. Professor Dr. Rainer Knoller, DLV-Vorstandsvorsitzender Idriss Gonschinska, Marathon-Olympiasechste Melat Kejeta, Reha med-Geschäftsführer Johannes Eisinger, die Nachwuchsathleten Christoph Schrick und Jana Becker, DLV-Leitender Bundestrainer Werner Klein - Foto: Wilfried Ratz - wus-media

Trainieren wie in der Höhe Kenias – Einmaliges Höhenhaus-Projekt im pfälzischen Herxheim soll deutschen Spitzenläufern:innen künftig eine Alternative zu den aufwändigen Höhentrainingslagern in Kenia, Äthiopien, Südafrika und den USA bilden – Wilfried Raatz berichtet

By GRR 0

Beispielhaftes Engagement des früheren Mittelstreckenläufers Johannes Eisinger mit seinem Unternehmen Reha med GmbH

Im modernen Spitzensport, und hier speziell im Ausdauerbereich, spielen Höhentrainingslager über zumeist längere Zeiträume eine bedeutsame Rolle. Angesagte Laufarale in Kenia, Äthiopien und Südafrika oder die US-Trainingscamps in Boulder und Flagstaff, aber auch auf europäischen Boden St. Moritz und Davos in der Schweiz, Font Romeu in den französischen Pyrenäen sowie Sestriere und Livigno in Norditalien sind beliebte Trainingsgebiete für die europäischen Spitzenläufer:innen.

Der Grund für diesen Tourismus im Spitzen-Ausdauerbereich ist die Sauerstoffarmut in Höhenlagen, die bei längeren Aufenthalten die verstärkte Produktion der Sauerstoff speichernden Erythrozyten anregt.

Allerdings sind die Reisen in ferne Länder auch mit einer Reihe von Gefahren verbunden, alleine durch die Reisebeschränkungen in der Corona-Pandemie mussten viele Spitzenathleten ihre Höhenketten unter- bzw. sogar abbrechen. Ständig sich verteuernde Flüge, Zeitzonen oder Magen-Darm-Beschwerden sind dabei nur einige der Hemmnisse für eine kontinuierliche Fortsetzung der Höhentrainingslagerketten. Damit könnte nun für eine begrenzte Anzahl von Athleten Schluss sein, denn dank eines beispielhaften Engagements des früheren Mittelstreckenläufers Johannes Eisinger als Geschäftsführer der Reha med Gesundheitspark GmbH in Herxheim ist in der 10.000 Einwohner großen Gemeinde in der südlichen Pfalz das erste Höhenhaus in Deutschland erstanden. In dem nun eingeweihten Trainingszentrum können bis zu acht Ausdauerathleten die Vorzüge des Hypoxietrainings genießen, ohne aufwändige Reisen im Gepäck zu haben.

Der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV) hat sich nun in einer Kooperation mit dem Gesundheits- und Reha-Zentrum von Johannes Eisinger als „Erst-Zugriffsrecht“ auf die Belegung gesichert, um vor allem auch talentierte Nachwuchsathleten schrittweise an ein gezieltes Höhentraining zu führen.

„Höhentraining ist ein essentieller Bestandteil im Trainingsprozess der Ausdauer-Disziplinen“ bringt es Idriss Gonschinska, Vorstandsvorsitzender des DLV, bei einer Vorstellung des Höhenhauses vor Pressevertretern auf den Punkt. „In Herxheim wurden nun komplexe Rahmenbedingungen geschaffen, die wir so bisher nicht in Deutschland vorfinden konnten. Mit dieser Idee des Höhenhauses können wir Trainingsprozesse viel variabler gestalten und umfassend sportwissenschaftlich begleiten!“

Als einen „Meilenstein für den Ausdauerbereich“ bezeichnet es Werner Klein, der leitende DLV-Bundestrainer Lauf/ Gehen. Neben Eisingers Team waren Fachleute aus der Trainingswissenschaft und Medizin am Zustandekommen dieses einzigartigen Projektes beteiligt. Der umtriebigen Art des früheren Mittelstreckenläufers ist es vor allem zu verdanken, dass von der keimenden Idee bis zum fertigen Projekt nur eine geringe Zeit verstrichen ist, denn noch in den Stunden vor der Einweihung haben vor allem lokale Handwerker die letzten Schliffe vollzogen. „Mein Dank gilt natürlich der Gemeinde mit Bürgermeisterin Hedi Braun, dass in kürzester Zeit aus einem Abbruch reifen Lager diese Gebäude des Höhenhauses errichtet werden konnte“, wandte sich Eisinger in seinem Statement an die Herxheims Bürgermeisterin, die natürlich das 6 Millionen-Projekt des Gesamtanwesens mit Engagement auf der Verwaltungsebene maßgeblich unterstützt hatte. Seit 2012 ist das Gesundheits- und Reha-Zentrum eine erste Adresse bereits für namhafte Sportler wie eben Alina Reh oder Elena Burkhardt. Neben den bereits vorhandenen Massage-Geräten, Tools zur Regeneration, Anti-Schwerkraft-Laufbändern und einer Kältekammer kommt nun mit dem Höhenhaus ein weiterer Baustein im Herxheimer Gesundheits- und Reha-Zentrum hinzu.

Das Schmuckkästchen Höhenhaus in der Luitpoldstraße 59 – Foto: Wilfried Raatz – wus-media

Nach seinen überzeugenden Auftritten der letzten Wochen ist mit Nils Voigt ein namhafter Spitzenläufer zur Regeneration in Herxheim. Aber auch Melat Kejeta, die WM-Zweite und Olympiasechste im Marathonlauf, schätzt die Vorzüge des neuen Zentrums. „Ich war schon zweimal zur Reha hier. Das Zentrum hat alles, was man braucht“, so die gebürtige Äthiopierin. „In Zukunft muss ich für Trainingslager nicht mehr so lange fliegen. Das Höhenhaus ist eine tolle Sache“, so Melat, die vor zwei Monaten ihre Tochter Hermon zur Welt gebracht hatte und nun („im nächsten Monat“) wieder ins geregelte Training einsteigen wird.

Vier Doppelzimmer sind nunmehr in Herxheim bezugsfertig, die Wohn- und Trainingsbereiche können individuell höhenangepasst den Athleten in der neuen Adresse „Luitpoldstraße 59“ zur Verfügung stehen. „Die Athleten trainieren derzeit auf in der Regel zwischen 2000 und 2500 m Höhe. Bis 4.500 m Höhe können wir durch die in einer Garage untergebrachten Kompressoren simulieren. Vielleicht können wir in Herxheim neue Grenzen setzen!“ Johannes Eisinger betont in diesem Zusammenhang aber auch die Kompetenz durch wissenschaftliche und sportmedizinische Begleitung in seinem Unternehmen, das bei künftiger Planung für Trainingsmaßnahmen im Höhenhaus eine bedeutsame Rolle spielen wird. Die Wohn- und Trainingsbereiche können individuell auf das gewünschte Höhenlevel eingestellt werden. Athleten empfiehlt Professor Dr. Knöller nach jüngsten wissenschaftlichen Erkenntnissen eine Aufenthaltsdauer von 16 bis 18 Stunden im Höhenhaus. Das Training kann dabei entweder im nahen Sportpark, dem angrenzenden Waldgelände unter realen 129 m Höhe von Herxheim oder auf dem Laufband bei einer individuell einzustellenden Höhe absolviert werden.

„Durch die Möglichkeiten einer komplexen sportmedizinischen und sportwissenschaftlichen Begleitung unter simulierten Höhenbedingungen werden wir im Sinne der individuellen Trainingssteuerung enorm profitieren“, ist sich Professor Dr. Rainer Knöller, Head of Science beim DLV, sicher. Junge Athleten wie die ebenfalls anwesenden Christoph Schrick, im deutschen U20-WM-Aufgebot für Cali, und Jana Becker, die gerade in Jerusalem Zweite der U18-Europameisterschaften über 800 m geworden ist, können sich gut vorstellen, dieses Höhenhaus effektiv zu nutzen. „Vor allem, die Anreise ist kurz und keine klimatischen Umstellungen erforderlich!“

Auch wenn ein Mehrwert an Medaillen oder Endkampfplatzierungen keinem der Verbandsfunktionären zu entlocken war, einen Superlativ jedenfalls konnte der DLV-Mediendirektor Peter Schmidt schon vermelden: „Der DLV hat noch nie so hoch eine Pressekonferenz durchgeführt!“ Was Johannes Eisinger mit der exakten Höhe ergänzte, die er für diese Präsentation des Höhenhauses von seiner Technik einstellen lies – nämlich exakte 1800 m Höhe.

Wilfried Raatz

author: GRR