Blog
16
05
2017

©Kiefner Foto

„Mehr Wissen“ um die Bedeutung des Talents und der V02max für die Wettkampfleistung – Lothar Pöhlitz in Leichtathletik Coaching-Academy

By GRR 0

© Lothar Pöhlitz – 13. Mai 2017 – Die Kunst von Trainern und Läufern, hervorragende Leistungen zum richtigen Zeitpunkt zu erzielen, besteht darin, die Quantität und Qualität von Belastungen mit dem Talent und seiner ererbten „aerob-anaeroben Kapazität“ aufzubauen und angemessen zu variieren.

Insbesondere sollten die Reize zeitnah sowohl intensiv als auch lang genug, aber zugleich auch in einem angemessen-geringen Abstand bei Wettkampf – Höhepunkten wiederholbar sein. Optimale Anpassungen vollziehen sich im Ergebnis optimaler Einwirkungen auf die „aerob-anaerobe Kapazität“.

Laktat – Laktattoleranz – VO2max – anaerobe Leistungsfähigkeit

„Voraussetzung für eine Spitzen-Ausdauerleistungsfähigkeit ist das Talent, die Veranlagung zu einer großen aeroben Kapazität, sprich eine hohe VO2max bereits in untrainiertem Zustand.

Ob man im Ausdauersport Weltklasseniveau erreicht, entscheidet die Höhe der maximalen Sauerstoffaufnahme, die dir bereits in die Wiege gelegt wurde. Die trainierbare Steigerung der VO2max erfolgt zentral über das Herz-Kreislauf-System durch Vergrößerung des maximalen Herzminutenvolumens [die Leistungsfähigkeit des Sportherzens], sowie peripher über die bessere Sauerstoffausschöpfung und -verwertung der Muskulatur durch Kapillarisierung und Verbesserung des aeroben Muskelstoffwechsels. (Dr. Kurt A. Moosburger – SPORTMAGAZIN 11/1994 und 10/2012)

1.FAZIT: Suche das Ausdauertalent mit „ererbten“ Stärken in der aeroben Kapazität für die Langstrecken

Ein steigendes Leistungsniveau in der VO2max, eine erhöhte Mitochondrienanzahl, Anpassungsreaktionen in den langsamen ST- oder schnellen FT-Fasern erfordern unterschiedliche Trainingsgeschwindigkeiten über eine bestimmte Dauer. Eine besondere Bedeutung kommt für Mittel- und Langstreckler des Spitzenbereichs dabei der glykolytischen, anaeroben Arbeit der FT – II – Fasern zu, die zu ihrer Rekrutierung Geschwindigkeiten oberhalb der aerob-anaeroben Leistungsfähigkeit brauchen. Obwohl bekannt ist, dass im Marathonlauf die besten Leistungen individuell aerob im Bereich zwischen 2 – 4 mmol/l Laktat, in Langstreckenrennen zwischen 12 – 16 mmol/l und im 800 m Lauf zwischen 21 – 24 mmol/l erreicht werden und die Laktattoleranz (Pufferkapazität) für das Endresultat wesentlich ist, stehen die Kilometer und die aerobe Schwelle nicht selten und noch dazu uneffektiv im Zentrum des Trainings.

In der Trainingspraxis kann man beobachten, dass die Anteile des Trainings zur Verbesserung der VO2max und der maximalen anaeroben Leistungsfähigkeit zu gering sind. Damit werden nicht nur das anaerobe Training um oder über 10 mmol/l Laktat ungenügend vorbereitet, sondern auch die psychophysischen Anforderungen, die psychische Bereitschaft zum Sieg über die Besten, die die Wettkämpfe auf den unterschiedlichen Strecken aber nicht oft genug tangiert.

„Die maximale Sauerstoffaufnahme (VO2max) repräsentiert das maximale Transportvermögen von Sauerstoff aus der Atemluft in die Arbeitsmuskulatur. Sie ist das Maß für

  1. die Sauerstoff-Zufuhr (Atmung / Ventilation)
  2. den Sauerstoff-Transport (Herz-Kreislauf-System)
  3. die Sauerstoff-Verwertung (Muskelzelle) im Ausbelastungszustand des Organismus.

Je höher die VO2max, desto höher kann die Intensität einer Ausdauerbelastung bzw. Dauerleistung sein, ohne eine “Sauerstoffschuld“ eingehen zu müssen bzw. umso länger kann eine submaximale Leistung erbracht werden – mit einem Wort, desto größer ist die Ausdauerleistungsfähigkeit, die sog. aerobe Kapazität“ (Moosburger ebenda).

Die maximale aerobe und anaerobe Leistungsfähigkeit, die VO2max , die Lauftechnik, die spezifische Kraft, die Laufökonomie und die psychophysische Belastbarkeit (mentale Stärke) sind die komplexen Voraussetzungen für Spitzenleistungen im Mittel- und Langstreckenlauf

Nur was trainiert wurde kann im Wettkampf abgerufen werden

Um vor allem die 1500 m – 3000 m Hindernis und 5000 in immer kürzerer Zeit zu bewältigen, müssen für intensive Belastungen bzw. Wettkämpfe über Zeiträume von etwa 2 – 30 Minuten für den Mehraufwand an Energie vor allem mehr Sauerstoff und Kohlenhydrate zur Verfügung stehen. Das erfordert eine zielgerichtet vorbereitende Mehrarbeit in immer höheren Geschwindigkeiten und spezifische Kraft. Die Muskelzellen müssen durch Training in den entsprechenden Bereichen in die Lage versetzt werden die Brennstoffe schneller und ökonomischer zur Energiebereitstellung zur Verfügung stellen zu können, damit das Sauerstoffangebot besser zu nutzen ist, schon nach wenigen Sekunden 100 % Stoffwechselarbeit zu leisten und im Prozess der zunehmenden Ermüdung die Auswirkungen der Azidose zu eliminieren.

Je besser die individuelle Laktattoleranz (= Abbau des anfallenden Laktats und Verstoffwechslung während der Belastung) ausgeprägt ist, umso später beginnt die Laktatakkumulation und damit die mögliche Begrenzung der Geschwindigkeit bis hin zu den individuellen Grenzbereichen auf den verschiedenen Wettkampfstrecken.

„Die maximale Sauerstoffaufnahme widerspiegelt die größte, während einer intensiven, erschöpfenden Ganzkörperbelastung durch die Atmung aufgenommene, transportierte und zur Verwertung angebotene Menge Sauerstoff in Litern pro Minute (l/min) bzw. Milliliter pro Minute pro kg Körpergewicht (ml/min/kg). Sie gilt als Maß für die maximale Sauerstoffaufnahme.

Eine systematische Entwicklung der aeroben Leistungsfähigkeit setzt ein variables Lauftraining in submaximalen und maximalen Geschwindigkeiten voraus“ (NEUMANN 2002 – S.227)

Laktat ist leistungslimitierend und Energielieferant zugleich

In der Trainingspraxis hat man, auch im Jugendtraining, oft den Eindruck, dass Milchsäure und Laktat bei Athleten und Trainern „negativ besetzt“ sind und man lieber einen aeroben Dauerlauf mehr macht, als langfristig die Stoffwechselvorgänge und Energiebereitstellungssysteme aufzubauen und zu fordern die die Wettkampfleistungsfähigkeit entwickeln. Das aber funktioniert nicht ohne Anstrengungen und auch „hartes“ Training.

„Tatsächlich ist Laktat möglicherweise einer der wichtigsten Energiebrennstoffe im Körper. Lassen Sie uns ein für alle Mal die ganze schlechte Publicity aus dem Bewusstsein streichen, die die Milchsäure auf sich gezogen hat, und ihr den ihr zustehenden Platz als einer der wichtigsten Brennstoffe des Körpers einräumen.“ (Tim Noakes)

Da Laktat aber bereits bei allen schnellen Läufen anfällt, die länger als 60 m sind und auch bei 400 m oder 800 m Wettkämpfen von Schülern während der Glykolyse gebildet wird bei der in chemischen Prozessen Energie für die Muskelarbeit produziert wird soll mit diesem Beitrag dazu angeregt werden, noch einmal über diese Prozesse nachzudenken und sie weniger als bisher aus dem Training zu verbannen.

Vor allem für die Mittelzeitausdauerdisziplinen und die schnellen Langstrecken bis 5000 m ist es nützlich, wenn bei mittlerer und hoher Intensität Laktat für die Energieproduktion wieder verstoffwechselt genutzt werden kann und der Körper lernt, während längerer mittlerer Belastungen das anfallende Laktat zu eliminieren.

Die langsamen ST-Fasern müssen sauerstoffabhängig aerob lernen bei längeren Belastungen den Laktatabbau während der Belastung zu „optimieren und zu ertragen“, die schnellen FT-Fasern noch bei 18-20 mmol/l Laktat in der Lage sein, anaerobe Arbeit zu leisten. Es kann doch in einer langfristigen Vorbereitung auf unterschiedliche Laufstrecken nicht falsch sein die Laktattoleranz oder auch die Wiederverwendung von Laktat als Energieträger zu trainieren. Laktat ist ein Hauptbestandteil der Energieproduktion und leistet zusammen mit dem Sauerstoff einen wichtigen Beitrag zur Aufrechterhaltung des Energieniveaus.

„Laktat ist ein natürliches Produkt des Kohlenhydratstoffwechsels während körperlicher Anstrengungen. Wenn die Energieproduktionsrate sich erhöht, werden mehr Kohlenhydrate gebraucht, was dazu führt, dass mehr Laktat im Blut auftaucht. Ein steigender Blutlaktatwert zeigt an, dass mehr Kohlenhydrate verbrannt werden. Es bedeutet nicht, dass die Arbeit des Muskels anaerober wird“ (Noakes / Shepherd)

VO2max – das Qualitätskriterium der Ausdauerleistungsfähigkeit

Eine wesentliche Messgröße für die Beurteilung der aeroben Ausdauer ist die maximale Sauerstoffaufnahme (VO2max). Sie gibt zusammen mit der submaximalen aeroben Leistungsfähigkeit Informationen über Anpassungsvorgänge im Stoffwechsel und widerspiegelt die aerobe Qualität des gesamten Sauerstoffsystems (Aufnahme, Transport und Verwertung). Die VO2max wird bei einer Maximalbelastung bis zu 10 Minuten ermittelt.

Gebräuchlich ist ein Abbruch-Test auf dem Laufband, bei dem aller 30 Sekunden die Geschwindigkeit um 0,25 m/s gesteigert wird und am Ende die ermittelten Daten (Herzfrequenz, Laktat, Sauerstoffaufnahme, Lauftechnik) zur Einschätzung der Leistungsfähigkeit genutzt werden. Sie ist zwar nicht die direkt entscheidende Größe für die Leistungsfähigkeit auf den Mittel- und Langstrecken, gilt jedoch als ein wichtiges Voraussetzungskriterium für ein effizientes anaerobes Training zur Erreichung persönlicher Höchstleistungen.

„Die VO2max repräsentiert die Leistungsfähigkeit der sauerstoffaufnehmenden, sauerstofftransportierenden und sauerstoffverwertenden Teilsysteme des Organismus. Sie ist eine individuelle Messgröße und gilt international als zuverlässiges Maß für die maximale aerobe Leistungsfähigkeit. Topleistungen in den Ausdauersportarten setzen eine VO2max von 80 ml/kg.min bei Männer und mehr als 70 ml/kg.min bei Frauen voraus.“ (Neumann u.a. 2001)

„Je mehr Blut pro Minute vom Herz gefördert wird und durch den Kreislauf fließt, desto mehr O2 wird in der Lunge aus der Atemluft mittels Gasaustausch ins Blut aufgenommen und zur Arbeitsmuskulatur befördert. Diese Größe wird Herzminutenvolumen (HMV) genannt und ist der limitierende Faktor der Trainierbarkeit der maximalen Sauerstoffaufnahme“ (Moosburger ebenda)

Abbildung_Ausdauertraining_Langstrecke.PNG Bildunterschrift: Abb: Ausdauertraining (Langstrecke) intensiv-anspruchsvoll verbessert die VO2max

Stabil – hohe aerobe Leistungsgrundlagen setzen ein Training sowohl für die submaximale als auch maximale aerobe Leistungsfähigkeit voraus. Die VO2max ist durch zielgerichtetes Ausdauertraining trainierbar, ist aber von der genetisch festgelegten Muskelfaserzusammensetzung (schnell zuckende, aber auch schnell erschöpfbare, weiße FT-Fasern und langsam zuckende, ausdauernde, rote ST- Muskelfasern) und vom Gesamttrainingsumfang (km / Woche) abhängig. Sie ist besser entwickelbar je höher das Niveau der Basisausdauer (Schwelle bei 2 – 4 mmol/l Laktat) und die individuelle Herzleistungsfähigkeit sind.

Das Training der VO2max erfordert variable, intensive Belastungen, Läufe im individuellen motorischen Grenzbereich (DL-2/3 – wsA – SA), die innerhalb von etwa 12-18 % intensiver Belastungen am Gesamt-km-Umfang einzuordnen sind. Solche Anforderungen sind Intervallbelastungen von 400 m-3000 m (1-10 Minuten) Dauer bei 5-8 mmol/l Laktat.

Für eine Verbesserung der VO2max ist ein mehrmonatiges intensives, anstrengendes Training (HF: um 180 Schl./min.) im aerob – anaeroben Übergang (5–7 mmol/l Laktat) bei dem der anaerobe Stoffwechsel anteilig beteiligt ist, erforderlich.

In Schwerpunktphasen zur Entwicklung der Grundlagenausdauer sollten zunächst 1 – 2 Trainingseinheiten pro Woche eingesetzt werden. Ziel ist die Geschwindigkeiten innerhalb kurzer Tempo-Dauerläufe oder eines Lang – Intervalltrainings von 90  zu 100 % der individuellen VO2max hin zu entwickeln. In Abhängigkeit von der Wettkampf-Zieldisziplin (Mittel- oder Langstrecke) orientieren sich die Streckenlängen schwerpunktmäßig zwischen 5-12 Minuten bei zeitlich gleichlangen bis zu halben „Laufpausen“, wobei das Prinzip gelten sollte: „Geschwindigkeit vor Pause“. Dabei ist beispielsweise folgender Belastungsaufbau denkbar:

  1. 2 x 20 Minuten mit 5´ Laufpause* (z.B. 4 min/km) (im Bereich der vL3 – Schwelle)
  2. 1 x 18 Minuten + 1 x 14 Minuten Lp*: 5´ (2.Lauf schneller / > vL-3 Schwelle)
  3. 12´ + 9´ + 7´ + 4´ – Laufpausen* wie Belastungen (10000 m orientiert)
  4. 3 x 9´ oder 3000 m / Laufpause*: 6´ (10000 m orientiert)
  5. 4 – 5 x 7´ oder 2000 m Laufpause*: 4´ (5000 m orientiert)
  6. 6 – 8 x 4´ oder 1200 m Laufpause*: 2 – 3´ (3000 m orientiert)
  7. => am Ende einer aerob-ruhigen Woche kann ein VO2max Laufbandtest oder ein 5000 m-Test auf der Bahn stattfinden
    (*Laufpausen sollen schneller als Trabpausen sein und sich bei einer möglichst guten Schrittgestaltung einer Geschwindigkeit annähern, in der 200 m in 45 – 60“ zurückgelegt werden)

FAZIT (nach Moosburger SPORTMAGAZIN 11/1994 und 10/2012):

  • Ausdauer ist, kurz gesagt, “Ermüdungs-Widerstandsfähigkeit“.
  • Das entscheidende Bruttokriterium für die allgemeine Ausdauer-leistungsfähigkeit (aerobe Kapazität) ist die maximale Sauerstoff-aufnahme (VO2max). Sie repräsentiert das maximale Transport-vermögen von Sauerstoff aus der Luft in die Muskulatur:
    1. O2-Zufuhr (Atmung),
    2. O2-Transport (Herz-Kreislauf),
    3. O2-Verwertung (aerobe Energiebereitstellung in den Mitochondrien der Muskelzellen).
  • Die Diffusionskapazität der Lunge für Sauerstoff ist durch die anatomisch vorgegebene Fläche der Alveolen limitiert und nicht trainierbar
  • Die Trainierbarkeit der Sauerstoffkette Atmung, Blutkreislauf und oxydativer Muskelstoffwechsel ist auf die Kapazität der muskulären Mitochondrienmasse abgestimmt. Die trainierbare Steigerung der VO2max erfolgt zentral über das Herz-Kreislauf-System durch Vergrößerung des maximalen Herzminutenvolumens sowie peripher über die bessere Sauerstoffausschöpfung und -verwertung der Muskulatur durch Kapillarisierung und Verbesserung des aeroben Muskelstoffwechsels.
  • Die VO2max ist zum Großteil genetisch festgelegt. Besser trainierbar ist die Fähigkeit, den Anteil der VO2max zu erhöhen, der längere Zeit eingesetzt werden kann, sprich die VO2max an der sog. anaeroben Schwelle (Dauerleistungsgrenze). Diese Verbesserung der “Schwellenleistung“ ist gleichbedeutend mit einer Steigerung der aeroben Kapazität.

Lothar Pöhlitz in Leichtathletik Coaching-Academy

Foto: Kiefner

author: GRR

Comment
0

Leave a reply