Ein Nüchternblutzucker von über 120 mg/dl und ein postprandialer (nach dem Essen) Blutzuckerwert von über 180 mg/dl deuten auf einen Diabetes mellitus hin
Laufsport und Diabetes mellitus (II) – Dr. Dr. Lutz Aderhold – Folge 2 – Die Reihe der Medizin- und Sportmedizin-Informationen von German Road Races (GRR)
Durch dauerhaft erhöhte Blutzuckerwerte werden die kleinen Blutgefäße geschädigt (Diabetische Mikroangiopathie) mit der Folge von Durchblutungsstörungen. Besonders betroffen sind die Netzhaut des Auges (Diabetische Retinopathie) und die Nieren (Diabetische Nephropathie). Es kommt zu Sehstörungen bis zur Erblindung und Nierenschäden mit Bluthochdruck.
Durch die Schädigung kleiner Nerven (Diabetische Neuropathie) treten Gefühlsstörungen und brennende Schmerzen (burning feet syndrom) auf. Weitere Folgeerkrankungen sind der Diabetische Fuß (Nervschäden und Durchblutungsstörungen mit offenen, schlecht heilenden Wunden), die Diabetische Makroangiopathie (Arteriosklerose mit Bluthochdruck, Herzinfarkt, Schlaganfall, Koronarer Herzerkrankung und peripherer arterieller Verschlusskrankheit) sowie Erektionsprobleme und Regelstörungen.
Ein Nüchternblutzucker von über 120 mg/dl und ein postprandialer (nach dem Essen) Blutzuckerwert von über 180 mg/dl deuten auf einen Diabetes mellitus hin. Weitere Hinweise sind der Nachweis von Glukose und Ketonkörpern im Urin. Zusätzliche Klärung kann auch ein Glukosetoleranztest bringen. Zur Einschätzung des Zuckerstoffwechsels über einen Zeitraum von acht bis zehn Wochen eignet sich der HbA1c-Wert.
Bei einer adäquaten Behandlung kann der Diabetiker ein beschwerdefreies Leben ohne große Einschränkung führen. Beim Typ-1-Diabetes muss das fehlende Insulin der Bauchspeicheldrüse durch Injektionen ersetzt werden. Durch die Kombination von schnell und langsam wirkendem Insulin kann der Blutzuckerspiegel heute gut eingestellt werden. Bei der konventionellen Insulintherapie wird ein- bis zweimal täglich ein festes Mischverhältnis eingesetzt. Mit der intensivierten/supplementären Insulintherapie passt der Patient die Insulindosis dem aktuellen Blutzuckerwert an. Diese Basis-Bolus-Therapie gestattet eine freiere Gestaltung der Mahlzeiten, erfordert aber auch die regelmäßige Bestimmung des Blutzuckerspiegels. Die intensivierte Insulintherapie ist der derzeitige Standard beim Typ-1-Diabetes.
In vielen Fällen des Typ-2-Diabetes reicht eine Umstellung der Lebensgewohnheiten mit Reduktion des Übergewichts, mehr körperlicher Aktivität und einer ausgewogenen Ernährung aus. Wenn die diätetischen Maßnahmen nicht zu einer ausreichenden Senkung des Blutzuckerspiegels führen, können zusätzlich Medikamente (orale Antidiabetika, Insulin) eingesetzt werden. Zu den Antidiabetika zählen Medikamente zur Verzögerung der Zuckeraufnahme im Darm, Sulfonylharnstoffe, Biguanide, Glinide und Glitazone.
Eine intensive Schulung ist für Diabetiker sehr wichtig, insbesondere für die Bestimmung des Blutzuckerspiegels, den Umgang mit den Medikamenten, die Ernährung und die Vermeidung von Folgeerkrankungen. Außerdem sind regelmäßige ärztliche Kontrollen von Bedeutung. Die Prognose bei Diabetes hängt insbesondere davon ab, wie gut es gelingt, den Blutzuckerwert in normalen Grenzen zu halten.
Bei einem Blutzuckerwert von unter 40 mg/dl wird das Gehirn nicht mehr ausreichend mit Glukose versorgt und es kann zum Hypoglykämischen Koma kommen. Hypoglykämien treten vor allem nach versehentlicher Überdosierung von Insulin oder oralen Antidiabetika bzw. unzureichender Nahrungsaufnahme auf. Warnzeichen für eine Hypoglykämie sind: Unruhe, Heißhunger, Schwitzen, Zittern, Reizbarkeit, Übelkeit, Erbrechen, Schwäche, Konzentrationsstörung, Müdigkeit, Verwirrtheit, Herzrasen, Bewusstseinstrübung bis zum Koma.
Sportliche Aktivitäten sollten mit dem behandelnden Arzt besprochen werden. Muskelarbeit führt bei Diabetikern zu einem stärkeren Blutzuckerabfall als bei Gesunden. So kann es durch Langstreckenläufe bei Diabetikern leichter zu Hypoglykämien kommen. Die wirksamste Maßnahme beim Typ-1-Diabetiker ist die Verminderung der Insulindosis vor der körperlichen Aktivität. Wegen der eingeschränkten Glukoseneubildung in der Leber ist die zusätzliche Aufnahme von schnell resorbierbaren Kohlenhydraten während und auch nach der Ausdauerbelastung erforderlich. Bei der Reduktion des Insulins und der Aufnahme von Kohlenhydraten muss jeder Diabetiker eigene Erfahrungen sammeln, da viele individuelle Einflüsse eine Rolle spielen.
Bei kurzen Laufbelastungen reicht meist die zusätzliche Kohlenhydrataufnahme aus. Bei längeren Strecken muss auch die Insulindosis reduziert werden, vor einem 2- bis 3-Stunden-Lauf in der Größenordnung von 50%. Vor einem Marathon wird man die Insulindosis um ca. 80 bis 90% reduzieren und auch am Tag nach dem Marathonlauf sind meist 30% der sonst üblichen Dosis ausreichend. Diese Werte können allerdings nur Orientierungswerte darstellen, die individuell angepasst werden müssen.
Bei jedem Lauf muss der Diabetiker Traubenzucker mitführen, um einer Unterzuckerung entgegenwirken zu können. Auch die zusätzliche Einnahme von Medikamenten (z.B. ACE-Hemmer) muss berücksichtigt werden. Für Diabetiker mit unzureichender Blutzuckereinstellung und extremer belastungsbedingter Blutzuckersenkung sind ein leistungsorientiertes Lauftraining und Wettkämpfe nicht zu empfehlen.
Ty-2-Diabetiker profitieren von einem Ausdauertraining und Muskelaufbau. Die sportliche Betätigung fördert die Gewichtsabnahme und verbessert die Insulinsensitivität. Die Insulinrezeptoren der Körperzellen nehmen zu, die Glukosetoleranz verbessert sich und die Glukoseverstoffwechselung wird erhöht. Als Folge können in vielen Fällen die Medikamente zur Blutzuckersenkung abgesetzt werden. In der Prävention wird durch ein regelmäßiges körperliches Training das Diabetes-Risiko verringert.
Literatur: Aderhold, Lutz: Notfälle in der Zahnheilkunde, Hüthig Verlag, Heidelberg 1988
Kleinmann, Dieter: Laufnebenwirkungen, Deutscher Ärzte-Verlag, Köln 2006
Dr. Dr. Lutz Aderhold
Verein zur Förderung des Ultramarathonlaufs in Deutschland