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25
03
2025

Dr. Dr. Lutz Aderhold - Foto: privat

Ketogene Ernährung und Karnivore Ernährung – Eine kritische Bewertung Teil 2 . Dr. Dr. med. Lutz Aderhold

By GRR 0

Karnivore Ernährung

Die karnivore Ernährung (Fleisch, Fisch, Eier, manchmal Milchprodukte) basiert auf tierischen Nahrungsmitteln und schließt die meisten oder alle pflanzlichen Nahrungsmittel aus. Über die gesundheitlichen Auswirkungen und die Verträglichkeit dieser Diät ist relativ wenig bekannt und es werden Bedenken hinsichtlich Nährstoffmangel und Herz-Kreislauf-Erkrankungsrisiken geäußert.

Eine Studie (Lennerz et al. (2021) hat die gesundheitlichen Auswirkungen dieser Ernährungsweise untersucht und kam zu erstaunlichen Ergebnissen. Es traten nur wenig Nebenwirkungen auf und die Teilnehmer der Studie berichteten von gesundheitlichen Vorteilen und hoher Zufriedenheit. Die Generalisierbarkeit dieser Ergebnisse und die langfristigen Auswirkungen dieses Ernährungsmusters müssen so die Studienleiter weiter untersucht werden.

Ergebnisse der Studie:

  • Diabetes Mellitus Typ 2: 74 Prozent vollständige Remission.

  • Verdauungsprobleme: 59 Prozent Remission, nahezu bei allen eine Verbesserung.

  • Neurologische Probleme: 96 Prozent Verbesserung oder Remission.

  • Fettleibigkeit: 93 Prozent Verbesserung.

  • Autoimmunerkrankung: 36% Remission, 53 Prozent Verbesserung.

  • Bluthochdruck: 93 Prozent Remission oder Verbesserung.

  • Muskel/Gelenkbeschwerden: 96 Prozent Remission oder Verbesserung.

  • Psychiatrische Erkrankungen und Demenz: 96 Prozent Remission oder Verbesserung.

  • Hauterkrankungen: 92 Prozent Remission oder Verbesserung

  • Krebs: 53 Prozent Remission oder Verbesserung.

Im Überblick:

Vorteile:

  1. Einfache Ernährungsweise – Keine Kalorienzählung, wenig Essensplanung nötig.

  2. Gewichtsverlust – Oft hilft sie beim Abnehmen, da sie kohlenhydratarm ist und stark sättigt.

  3. Blutzucker-Stabilisierung – Keine Schwankungen durch Kohlenhydrate; kann bei Diabetes hilfreich sein.

  4. Entzündungshemmend – Viele Menschen berichten von weniger Entzündungen, besonders bei Autoimmunerkrankungen.

  5. Bessere mentale Klarheit – Durch stabile Energieversorgung und keine Blutzuckerspitzen.

  6. Keine Antinährstoffe – Vermeidung von Stoffen wie Lektinen oder Oxalaten, die in Pflanzen vorkommen.

  7. Muskelaufbau & Testosteron – Viel Protein und gesunde Fette unterstützen Muskelaufbau und Hormone.

Nachteile:

  1. Nährstoffmangel – Fehlende Ballaststoffe, Vitamin C und pflanzliche Antioxidantien können problematisch sein.

  2. Verdauungsprobleme – Durch Ballaststoffmangel kann es zu Verstopfung oder Durchfall kommen.

  3. Langfristige Gesundheitsrisiken? – Langzeitstudien fehlen; mögliche negative Auswirkungen auf Cholesterin und Herzgesundheit.

  4. Eingeschränkte Lebensmittelauswahl – Wenig Vielfalt kann zu Ernährungsmonotonie führen.

  5. Teuer – Hochwertiges Fleisch ist oft kostenintensiver als eine ausgewogene Ernährung.

  6. Soziale Einschränkungen – Essen im Restaurant oder mit Freunden kann schwierig sein.

  7. Anpassungsphase – Zu Beginn können Symptome wie Müdigkeit, Kopfschmerzen oder „Keto-Grippe“ auftreten.

Die Karnivore-Diät kann eine starke Wirkung auf Hormone haben, da sie den Stoffwechsel und die Nährstoffzufuhr verändert. Hier sind die wichtigsten hormonellen Auswirkungen:

Positive Auswirkungen auf Hormone:

Testosteron & Wachstumshormone (HGH)

  • Reich an gesättigten Fetten und Cholesterin, die für die Testosteronproduktion notwendig sind.

  • Hochwertiges Protein fördert Wachstumshormone, die Muskelaufbau und Fettverbrennung unterstützen.

  • Kann sich positiv auf Libido, Energie und Muskelmasse auswirken.

Insulin & Blutzucker

  • Kaum Kohlenhydrate → wenig Insulinspitzen, was zu stabileren Blutzuckerwerten führt.

  • Kann bei Insulinresistenz oder Diabetes Typ 2 helfen.

Kortisol & Stresshormone

  • Bei stabiler Blutzuckerregulation kann der Cortisolspiegel sinken.

  • Weniger Schwankungen bedeuten weniger Heißhunger und Energieeinbrüche.

Leptin & Ghrelin (Hunger- & Sättigungshormone)

  • Hoher Protein- und Fettgehalt sorgt für langanhaltende Sättigung.

  • Kann Leptin-Sensitivität verbessern und damit Heißhunger reduzieren.

Mögliche negative Auswirkungen auf Hormone:

Schilddrüsenhormone (T3 & T4)

  • Eine extrem kohlenhydratarme Ernährung kann zu niedrigeren T3-Werten führen.

  • Manche Menschen berichten über Kältegefühl, Müdigkeit und verlangsamten Stoffwechsel.

Kortisol (bei Stress oder zu viel Protein)

  • Wenn zu viel Protein aufgenommen wird, kann ein Teil davon in Glukose umgewandelt werden (Gluconeogenese), was Cortisol erhöhen kann.

  • Hoher Cortisolspiegel kann Schlaf und Regeneration verschlechtern.

Östrogen & Hormonbalance bei Frauen

  • Zu niedriger Körperfettanteil oder fehlende Mikronährstoffe können den Menstruationszyklus beeinflussen.

  • Bei manchen Frauen kommt es zu unregelmäßigen oder ausbleibenden Perioden.

Fazit:

  • Kurzfristig kann die Karnivore-Diät Testosteron, HGH und Insulinsensitivität verbessern.

  • Langfristig kann sie durch zu wenig Kohlenhydrate oder Nährstoffmangel Schilddrüse und weibliche Hormone beeinträchtigen.

  • Eine modifizierte Version mit etwas Honig, Milchprodukten oder gelegentlich Kohlenhydraten könnte helfen, extreme Hormonschwankungen zu vermeiden

Die Karnivore-Diät wird oft als eine extreme Eliminationsdiät verwendet und kann bei bestimmten Krankheiten vorteilhaft sein. Hier sind einige Erkrankungen, bei denen sie helfen könnte:

Mögliche Vorteile bei diesen Erkrankungen:

1. Autoimmunerkrankungen (z. B. Rheumatoide Arthritis, Hashimoto, Lupus)

  • Vermeidung von entzündungsfördernden Pflanzenstoffen wie Lektinen, Gluten und Oxalaten.

  • Viele Menschen berichten über weniger Gelenkschmerzen und Entzündungen.

2. Darmprobleme & Reizdarmsyndrom (IBS, Morbus Crohn, Colitis Ulcerosa)

  • Fleisch ist leicht verdaulich und verursacht oft weniger Beschwerden als Ballaststoffe oder FODMAPs.

  • Reduzierte Blähungen, Durchfall oder Bauchschmerzen.

3. Neurologische Erkrankungen (z. B. Epilepsie, Alzheimer, Parkinson, MS)

  • Ketose kann neuroprotektiv wirken (ähnlich wie bei der ketogenen Diät).

  • Kann bei Epilepsie helfen, da das Gehirn auf Ketone umschaltet.

  • Studien zeigen, dass Alzheimer-Patienten von mehr gesunden Fetten profitieren.

4. Metabolisches Syndrom, Insulinresistenz & Typ-2-Diabetes

  • Keine Blutzuckerspitzen → Insulinempfindlichkeit kann sich verbessern.

  • Studien zeigen, dass niedrigere Kohlenhydrataufnahme Diabetes-Symptome verbessern kann.

5. Hautkrankheiten (z. B. Akne, Schuppenflechte, Ekzeme)

  • Weniger Zucker & Milchprodukte können Entzündungen in der Haut reduzieren.

  • Viele berichten von klarerer Haut und weniger Ekzemen.

6. Psychische Erkrankungen (z. B. Depression, Angststörungen, Schizophrenie, bipolare Störung)

  • Stabiler Blutzucker kann Stimmungsschwankungen verringern.

  • Mehr Cholesterin und gesunde Fette → wichtig für Gehirn & Hormonproduktion.

  • Einige Studien und Erfahrungsberichte deuten darauf hin, dass ketogene und carnivore Ernährung Depressionen und Angstzustände lindern können.

7. Adipositas & hormonelle Störungen (z. B. PCOS, Testosteronmangel)

  • Kann beim Abnehmen und Fettverbrennen helfen.

  • Regulierung von Insulin und Testosteron → kann für PCOS-Betroffene vorteilhaft sein.

Bei diesen Krankheiten kann sie problematisch sein:

  • Schilddrüsenunterfunktion (Hypothyreose) → Wenig Kohlenhydrate können T3-Werte senken.

  • Nierenprobleme → Zu viel Protein kann Nieren belasten (bei bestehenden Nierenerkrankungen).

  • Osteoporose → Falls nicht genug Mikronährstoffe aufgenommen werden.

  • Langfristige Herzgesundheit → Unklar, ob hohe Fleischaufnahme Risiken birgt.

Fazit:

  • Kurzfristig kann Karnivore als Eliminationsdiät helfen, Entzündungen zu reduzieren und Symptome zu lindern im Sinne einer medizinischen Therapie.

  • Langfristig sollte man sicherstellen, dass man keine Nährstoffmängel entwickelt (z. B. durch Ergänzungen oder Variation mit Innereien).

  • Eine modifizierte Version mit etwas Kohlenhydraten oder ausgewählten pflanzlichen Lebensmitteln könnte nachhaltiger sein.

Die Ketogene und die Karnivore Ernährung können nach ärztlichem Rat eine sinnvolle Maßnahme im Sinne einer medizinischen Therapie sein. Als dauerhafte Ernährung sind sie nicht zu empfehlen!

Dr. Dr. med. Lutz Aderhold

Literatur:

Aderhold L, Weigelt S. Laufen! Vom Einsteiger bis zum Ultraläufer. Inkl. Trainingspläne von 10 bis 100 km. München: Elsevier 2018.

Aderhold L. Ernährungsstrategien für Ausdauersportler im Training und Wettkampf. Sports Orthop Traumatol 2024; 40: 225-33.

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Gonder U, Tulipan J, Lommel M, Karner B. Der Keto Kompass. Aktuelles Wissen über ketogene Ernährung, Ketone und Ketose – Wirkweisen, Anwendungen und Chancen. Lünen: Systemed 2019.

Gonder U, Worm N. Mehr Fett. Warum wir mehr Fett brauchen, um gesund und schlank zu sein. Liebeserklärung an einen zu Unrecht verteufelten Nährstoff. Lünen: Sytemed 2010.

Kämmerer U, Schlatterer C, Knoll G. Krebszellen lieben Zucker – Patienten brauchen Fett. Ge- zielt essen für mehr Kraft und Lebensqualität bei Krebserkrankungen. Lünen: Systemed 2012.

Kämmerer U, Schlatterer C, Knoll G. Ketogene Ernährung bei Krebs. Die besten Lebensmittel bei Tumorerkrankungen. Lünen: Systemed 2014.

Lennerz BS et al. Behavioral Characteristics and Sel-Reported Health Status among 2029 Adults Consuming a „Carnivore Diet“. Currr Dev Nutr 2021; 5 (12): nzab 133.

author: GRR