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10
05
2008

Vermutlich ist eine der Ursachen die Behauptung, auch gesunde Menschen sollten jeden Tag mindestens zwei Liter Wasser oder ähnliche Flüssigkeiten trinken. Kaffee, Tee und Alkoholisches nicht mitgerechnet

Jenseits des Durstes – Dr. Hartmut WEWETZER vom Tagesspiegel fahndet nach guten Nachrichten in der Medizin – Heute: Wassermythen

By GRR 0

Wasser ist lebenswichtig, keine Frage. Wer nichts mehr trinkt, ist nach wenigen Tagen verdurstet. Genauso klar ist, dass wir mehr trinken müssen, wenn es heiß ist oder man Sport getrieben hat. Auch bestimmte Leiden wie Nierensteine können es erforderlich machen, mehr zu trinken.

Aber wer sich heute umsieht, bekommt den Eindruck, als hinge die Menschheit am Wassertropf. Im Büro, in Konferenzen, beim Spazierengehen, vor dem Fernseher, kurz: in allen denkbaren Situationen – stets wird am Wasserfläschchen genippt oder gesaugt. Eine globale Nuckelepidemie ist ausgebrochen.

Vermutlich ist eine der Ursachen die Behauptung, auch gesunde Menschen sollten jeden Tag mindestens zwei Liter Wasser oder ähnliche Flüssigkeiten trinken. Kaffee, Tee und Alkoholisches nicht mitgerechnet. Zwei Ärzte haben einmal nachgeprüft, welche Belege es für den gesundheitlichen Nutzen des zusätzlichen Wasserkonsums gibt. Das Ergebnis ihrer Recherchen haben die Nierenexperten Dan Negoianu und Stanley Goldfarb von der Universität von Pennsylvania in Philadelphia jetzt im Fachblatt „Journal of the American Society of Nephrology“ veröffentlicht. Es ist so nüchtern wie der Geschmack von Wasser. Und so erfrischend.

Behauptung Nummer eins: Wer viel Wasser trinkt, entgiftet seinen Körper besser. Klingt erst mal logisch – das zusätzliche Wasser „spült“ Schadstoffe besser aus dem Körper. Belegt ist das nicht, sogar der gegenteilige Effekt wurde beobachtet. „Wer viel trinkt, ,verdünnt‘ lediglich die Schadstoffe“, sagt der Nierenexperte Goldfarb.

Behauptung zwei: Mehr Wasser lässt die Organe besser arbeiten. Auch dafür gibt es keine Belege.

Behauptung drei
: Wer viel trinkt, nimmt leichter ab. Schließlich füllt er seinen Bauch mit Flüssigem statt mit Festem. Ein klarer Beweis fehlt auch hier, doch ist die Idee immerhin wert, dass man sie gründlich untersucht, sagen die Wissenschaftler.

Behauptung vier: Wer zu wenig Wasser trinkt, bekommt leichter Herzleiden oder Krebs. Nicht schlüssig belegt, schreiben die Forscher.

Behauptung fünf:
Wasser trinken hilft gegen Kopfschmerzen. Ebenfalls nicht eindeutig wissenschaftlich bewiesen.

Behauptung sechs:
Wenn man viel trinkt, bekommt man eine glatte und pralle Haut. Tja, schön wär’s! Natürlich sieht man Menschen, die stark ausgetrocknet sind, das auch ihrer Haut an. Aber dabei handelt es sich um krankhafte Zustände. Dagegen ist es alles andere als klar, was zusätzliche Flüssigkeit bei gesunder Haut bewirkt. Das Wasser, das wir trinken, verteilt sich schließlich im ganzen Körper. Nur ein kleiner Teil davon fließt wirklich in die Haut.

Immerhin, einen kleinen Trost für Wassertrinker haben die Forscher parat: Zwar ist der Nutzen kaum erwiesen, doch ist er aus Mangel an guten Untersuchungen auch nicht zwingend zu widerlegen. Hoffnung besteht also noch …

Mein Rat, falls Sie ansonsten gesund sind: Zwingen Sie sich nicht – trinken Sie, wenn Sie durstig sind.

Dr. Hartmut Wewetzer leitet das Wissenschaftsressort des Tagesspiegels

Der Tagesspiegel vom Sonntag, dem 06. April 2008

author: GRR

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