Wie jedes Medikament hat aber auch Sport seine Nebenwirkungen. So können durch Sport auch Effekte auftreten, die zur Beeinträchtigung der körperlichen Gesundheit führen. Als erstes denkt man dabei natürlich beim Laufen an orthopädische Probleme bzw. Verletzungen.
Hormonstörungen durch Laufen – Dr. Thomas Bobbert (1) und PD Dr. Sven Diederich (2) – Früher wurde neben dem Ausdauertraining als wesentlicher Faktor auch das Körpergewicht als auslösender Faktor angenommen
Laufen ist, erwiesenermaßen in vielerlei Hinsicht gesund. So konnte man zeigen, dass körperliches Training bei vielen Erkrankungen ähnlich wirksam ist wie ein Medikament. So ist Sport z.B. eine grundlegende Therapie bei den sogenannten Wohlstandserkrankungen Adipositas, Diabetes mellitus oder Bluthochdruck. Auch bei Depressionen kann regelmäßiges Laufen durchaus vergleichbar positive Effekte wie eine antidepressive Therapie mit Tabletten erreichen.
Wie jedes Medikament hat aber auch Sport seine Nebenwirkungen. So können durch Sport auch Effekte auftreten, die zur Beeinträchtigung der körperlichen Gesundheit führen. Als erstes denkt man dabei natürlich beim Laufen an orthopädische Probleme bzw. Verletzungen. Abgesehen von diesen wohl bekannten negativen Effekten kann Sport auch auf der Ebene der Hormone Veränderungen bewirken, die nicht immer positiv sein müssen.
Ein großer Teil der Hormone wird durch das Gehirn gesteuert. Als oberste Schaltzentrale gilt dabei der Hypothalamus im Gehirn. Von hier aus wird die so genannte Hypophyse (Hirnanhangsdrüse) gesteuert. Die Hirnanhangsdrüse produziert wiederum Hormone die sich dann über die Blutbahn verteilen und an verschiedenen Organen im Körper zur Ausschüttung von Hormonen führt. Über diese Achse werden unter anderem die Schilddrüse, das Streßhormon Cortisol, die Geschlechtshormone Testosteron oder Östrogen und auch das Wachstumshormon reguliert (Abbildung 1).
Ein außerordentliches Beispiel, welche hormonellen Veränderungen durch Sport entstehen können, ist hier nun aufgeführt:
Ein ca. 40-jähriger Mann, der seit mindestens 10 Jahren intensives Lauftraining betreibt (ca. 120 km/Woche; Marathonbestzeit unter 2:40 h) stellt sich in unserer Praxis aufgrund einer verminderten Knochendichte vor, die auffiel, als er sich nach einem leichten Sturz das Wadenbein gebrochen hatte.
Die Knochendichte war bei ihm so gering wie bei jemandem mit einer schweren Osteoporose. Weiterhin berichtete er über eine verminderte Libido und eine allgemeine Schwäche. In der körperlichen Untersuchung zeigten sich dann keine wesentlichen Auffälligkeiten, bis auf ein leicht vermindertes Gewicht mit einem BMI (Body Maas Index) von 18,2 kg/m2 (Normwerte: 20-25 kg/m2).
In den Blutwerten zeigten sich dann aber dafür umso mehr auffällige Werte. Zusammengefasst waren bis auf den Cortsiolstoffwechsel alle Hormone vermindert, die durch den vorderen Anteil der Hirnanhangsdrüse gesteuert werden. Dazu gehören die Geschlechtshormone, die Schilddrüsenhormone und das Wachstumshormon (Abbildung 2).
Die gemessenen Werte waren vergleichbar mit jemandem der wegen einer schweren Erkrankung auf der Intensivstation liegen könnte. Neben den Hormonen lag zusätzliche eine leichte Blutarmut (Anämie) vor, die sich allerdings durch den Mangel des Geschlechtshormons Testosteron erklären lässt. Zum sicheren Ausschluss einer möglichen Tumorerkrankung wurde auch eine MRT-Untersuchung der Hirnanhangsdrüse veranlasst, die aber keine Auffälligkeiten zeigte.
Seit langem bekannt sind ähnliche hormonellen Veränderungen bei Frauen, die Ausdauersport betreiben. So kommt es bei 6 -79 % der Frauen zum Ausbleiben der Regelblutung (Amenorrhö). Diese Zahlen zeigen zum einen, dass dies keine seltene Erscheinung ist und zum anderen aufgrund der großen Spannbreite in den Untersuchungen, dass es relativ unklar ist, welche Frauen besonders gefährdet sind.
Es konnte gezeigt werden, dass es bei Ausdauersport treibenden Frauen zu einer veränderten Regulation der weiblichen Hormone kommt. Der Regelkreis von Gehirn, Hirnanhangsdrüse (Hypophyse) und den Ovarien(Eierstöcken) bzw. den Nebennieren wird durch das körperliche Training verändert, so dass es letztendlich zu einem veränderten Zyklus kommt.
Früher wurde neben dem Ausdauertraining als wesentlicher Faktor auch das Körpergewicht als auslösender Faktor angenommen. Dies erscheint nach neueren Untersuchungen jedoch fraglich. Dass es aber, wie häufig in der Medizin, ein multifaktorielles Problem ist, zeigen Untersuchungen, die den Einfluss des Fettgewebshormones Leptin auf den Zyklus hat. Diese hormonellen Veränderungen waren bisher vor allem bei Frauen bekannt. Dies lag vor allem daran, dass durch Ausbleiben der Regelblutung eine körperliche Veränderung direkt sichtbar ist. Allerdings ist zu vermuten, dass solche Veränderungen auch bei Männern auftreten, jedoch häufig nicht bemerkt werden.
Eine von uns durchgeführte Studie beim real,- BERLIN-MARATHON in Zusammenarbeit mit Dr. Brechtel von der Sportmedizin der Humboldt-Universität zeigte bei Ausdauersportlern verminderte Testosteronspiegel und eine erhöhte Resistenz des Streßhormons Cortisol in Phasen hoher Trainingsbelastung. Außerdem konnten wir bei 2 Hochleistungssportlern nachweisen, die vermutlich an einem sogenannten Übertrainingssyndrom litten, dass es zu einer verminderten Produktion von Wachstumshormon kommt.
Auf diesem Gebiet der Sportmedizin bzw. Hormonforschung gibt es recht widersprüchliche Daten. Dies liegt zum einen an der relativ schwierigen Messung und Bestimmung der Hormone bzw. an dem relativ hohen Aufwand für die Untersuchungen.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die beschriebenen hormonellen Störungen Ausdruck eines psychophysischen Stresses sind und zu schweren Folgeerkrankungen führen können. Erfreulicherweise sind diese Veränderungen jedoch meisten passager bzw. medikamentös bei Bedarf auch gut heilbar.
Bei unserem 40jährigen Patienten wurde eine Testosterontherapie eingeleitet, unter der es zu einer deutlichen Verbesserung des körperlichen Wohlbefindens kam und die Laborwerte sich wieder im Normbereich einpendelten. Die Blutarmut war reversibel und auch die Knochendichte stieg wieder in den Normbereich, so dass die Gefahr eines erneuten Bruches vermindert wurde.
Schlussfolgernd sollte bei Ausdauersportlern, die über körperliches Unwohlsein oder einen nicht geklärten Leistungsabfall klagen, auch immer an das Vorliegen von sportinduzierten hormonellen Veränderungen gedacht werden. Die Diagnostik und Therapie solcher Erkrankungen sollte dabei in jedem Fall in einem Institut erfolgen, welches sich mit solchen Problemen auskennt. Zum einen ist die Messung der Hormone bzw. die Durchführung von Hormontests schwierig und auch die Interpretation der Ergebnisse häufig nicht sehr einfach.
Zum anderen muss in Zeiten, in denen leider das Thema Doping dem Sport großen Schaden antut, daran gedacht werden, dass Substanzen wie Testosteron und Wachstumshormon sehr häufig missbräuchlich verwendet werden und auch körperlich großen Schaden anrichten können.
Es muss daher immer in jedem Fall einzeln entschieden werden, welche Therapie sinnvoll ist.
Abbildungen:
1.
Steuerung von Hormonen durch das Gehirn über den Hypothalamus und über die Hypophyse (Hirnanhangsdrüse).
2.
Hypothalamisch/hypophysäre Veränderungen bei unserem Patienten: Die korrespondierenden peripheren Hormone sind mit orangem Kreis als erniedrigt gekennzeichnet.
Dr. Thomas Bobbert (1) und PD Dr. S. Diederich (2)
Charité – Campus Benjamin Franklin
Department of Endocrinology,
Diabetes and Nutrition
Hindenburgdamm 30,
12200 Berlin, Germany
Tel : +49/30/8445-2114
Fax : +49/30/8445-4204
(1) Charité-CBF, Abteilung für Endokrinologie, Diabetes und Ernährungsmedizin
(2) Endokrinologikum, Berlin
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