Er war zu diesem Zeitpunkt schon zweifacher Olympiasieger und vierfacher Weltmeister über die 10.000m. Der Marathon-Weltrekord war sein 18. von der IAAF offiziell anerkannter Weltrekord.
Eine Klasse für sich – Haile Gebrselassie – Dr. David Martin bewundert (in „Distance Running“ – AIMS) das einmalige Talent von Haile Gebrselassie und wagt eine Prognose
Beim BERLIN-MARATHON am 30. September 2007 lief Haile Gebrselassie 29 Sekunden schneller als Paul Tergats alte Weltrekordmarke von 2:04:55, die er auf derselben Strecke 2003 aufgestellt hatte. Viele sind seither der Meinung, dass Gebrselassie damit die ultimative Auszeichnung „Der beste Langstreckenläufer aller Zeiten“ verdient hat.
Er war zu diesem Zeitpunkt schon zweifacher Olympiasieger und vierfacher Weltmeister über die 10.000m. Der Marathon-Weltrekord war sein 18. von der IAAF offiziell anerkannter Weltrekord. Diese Rekorde hat er über Strecken ab 3000 m zwischen den Jahren 1994 und 2007 aufgestellt. Er ist außerdem noch über sieben weitere Strecken schneller gewesen, als je ein Läufer zuvor (s. Tabelle). In Berlin absolvierte er die letzten Kilometer alleine und lief die zweite Hälfte mit 1:01:57 Std. in spektakulärer Manier schneller als die Erste (1:02:29 Std.) und demonstrierte damit, dass er auch die Marathondistanz unter Kontrolle hat – besonders an einem solchen Tag mit idealen Wetterbedingungen (16° C, bewölkt und windstill).
Wie schnell sind eigentlich diese 2:04:26 Std. in der Marathonwelt?
Unsereins, der im Hauptfeld mitläuft, kann eine solche Endzeit für einen Marathonlauf überhaupt nicht begreifen. Ein Weg der Wertschätzung ist die Erkenntnis, dass man dafür die Meile 26-mal hintereinander in 4:44 Min. und noch zusätzlich 385 Yards bis zum Ziel laufen muss, um diese Zeit zu erreichen. Diejenigen, die keine Marathonläufe bestreiten, können sich das vielleicht besser anhand einer 400 m Stadionrunde vorstellen.
Laufen Sie diese 400 m Runde einmal in einer Zeit von 70,8 Sekunden und tun Sie dieses zusätzliche 104 Mal ohne Pause. Damit wären Sie gleich auf mit Gebrselassie, müssten aber noch eine knappe halbe Runde in diesem Tempo weiterlaufen, um das Ziel zu erreichen. [Genauso beeindruckend ist, dass Paula Radcliffe bei Ihrer Weltrekordzeit von 2:15:25 Std. in London 2003 diese 400 m Teildistanzen in durchschnittlich ca. 77,0 Sekunden absolviert hat.] Das ist Ausdauer!
Eine weitere interessante Frage ist: „Welcher von Gebrselassies Rekorden ist der Beste?“
Um all diese Rennen zu vergleichen, muss man einen Weg finden, die 16 verschiedenen Kombinationen von Laufbelägen (Straße/Bahn), dem Umfeld (Freiluftveranstaltung / Hallenveranstaltung) und den Distanzen (3000 m, 2 Meilen, 5, 10 und 15km, 10 Meilen, 20 km, Stundenlauf, Halbmarathon, 25 km und Marathon) zu analysieren. Die Wissenschaft der Bewegungsphysiologie bietet da ein Instrument der vergleichenden Bewertung von Freiluftwettkämpfen an.
VO2max
Wenn wir uns bewegen, wird unsere Atmung schneller und tiefer. Dadurch wird Sauerstoff in die arbeitenen Muskeln transportiert, was wiederum den Stoffwechsel anregt, um Energie für unsere Muskelbewegungen zu produzieren. Das größte Volumen an Sauerstoff, der aufgenommen und genutzt werden kann, ist eine Menge, die mit ‚VO2max’ bezeichnet wird. Die Einheiten dieser Menge sind Milliliter pro Kilogramm Körpergewicht pro Minute. VO2max wird teilweise durch die Genetik vorbestimmt, kann aber auch durch effizientes Laufen und durch Training mitbestimmt werden – das schnellere Laufen einer Strecke läßt den VO2max tendenziell steigen.
Läufer von Top-Langstreckenfeldern haben bei den Männern einen VO2max Wert zwischen 70 und 90 ml/kg/min. Frauen sind kleiner und haben bei Spitzenleistungen einen VO2max Wert zwischen 65 und 80 ml/kg/min. Ohne ins Detail gehen zu wollen, sei erwähnt, dass Prognosetabellen Schätzungen von möglichen Laufzeiten über verschiedene Distanzen anhand einer Breite von VO2max Werten ermöglichen. Die rechte Spalte der beiliegenden Tabelle bildet die VO2max Werte ab, die benötigt werden, um Gebrselassies Freiluftstraßen- und Freiluftbahnrekorde zu erreichen.
Hengelo und Helsinki
Ersichtlich wird, dass Gebrselassies 10,000 m Leistung von Hengelo im Juni 1998 und das 5000m Rennen zwei Wochen spatter in Helsinki wohl seine besten Vorstellungen bis zum heutigen Tag darstellen. Bei einer Stoffwechselrate (ermittelt als VO2max in ml/kg/min) von 84,7 ml/kg/min laufend, erreichte er Endzeiten von 26:22,75 Min. über die 10000m und 12:39,36 Min. über die 5000m. Festzustellen bleibt, dass der VO2max-Wert bei Gebrselassies Marathon Weltrekord in Berlin, bei dem er die alte Bestmarke von Tergat mit seinen 2:04:26 Std. immerhin um 29 Sekunden verbessert hat, mit 82,4 ml/kg/min geringfügig kleiner war als bei seinen besten Bahnläufen, wo dieser Wert bei 84,7 ml/kg/min lag. Was sagen die Leistungstabellen über eine mögliche Endzeit aus, wenn er den Marathon mit einemWert von 84,7 ml/kg/min laufen könnte?
Die Antwort ist eine erstaunliche Zeit von 2:01.32 Stunden.
Dieser Wert wirft eine letzte Frage auf: Könnte Haile Gebrselassie der erste Mensch der Welt sein, der die 2-Stunden Mauer beim Marathon durchbricht?
Aktuelle Tabellen, die auf der Basis von VO2max-Werten Prognosen wagen, enden bei einem Wert von 85 ml/kg/min, der bei idealen Bedingungen eine Zeit von 2:01:10 Std. prognostizieren lässt. Dafür würde Gebrselassie eine Leistung an seinem Kapazitätslimit benötigen.
Wer weiß? Meine Vorhersage nach der Analyse von Stapeln von Marathon-Finisherzeiten ist die, dass die 2-Stundengrenze nicht vor 2015 unterboten wird, und dass Gebrselassie zu diesem Zeitpunkt wahrscheinlich schon zurückgetreten sein wird.
Sein charismatisches Lächeln und sein mühelos erscheinender Laufstil wird viel dazu beitragen, dass seine Konkurrenten ihr Bestes geben werden, wenn die nächste Generation von Läufern versuchen wird, dem “Besten Langstreckenläufer aller Zeiten“ nachzueifern.
Dr. David Martin (University of Atlanta/USA) – publiziert in "Distance Running" 1/2008 von Association of International Marathons and Road Races (AIMS)
DIE 25 WELTBESTEN LEISTUNGEN VON HAILE GEBRSELASSIE |
|||||
DATUM |
ORT |
DISTANZ |
ZEIT |
REKORD STATUS |
VO2 WERT |
04-Jun-1994 |
Hengelo |
"5,000 m" |
12:56.96 |
IAAF |
82.5 |
27-May-1995 |
Kerkrade |
2 miles |
8:07.46 |
non-IAAF |
81.3 |
05-Jun-1995 |
Hengelo |
"10,000 m" |
26:43.53 |
IAAF |
83.5 |
16-Aug-1995 |
Zuerich |
"5,000 m" |
12:44.39 |
IAAF |
84.1 |
27-Jan-1996 |
Sindelfingen |
"5,000 m (i)" |
13:10.98 |
IAAF |
|
04-Feb-1996 |
Stuttgart |
"3,000 m (i)" |
7:30.72 |
IAAF |
|
20-Feb-1997 |
Stockholm |
"5,000 m (i)" |
12:59.04 |
IAAF |
|
31-May-1997 |
Hengelo |
2 miles |
8:01.08 |
non-IAAF |
82.5 |
04-Jul-1997 |
Oslo |
"10,000 m" |
26:31.32 |
IAAF |
84.2 |
13-Aug-1997 |
Zuerich |
"5,000 m" |
12:41.86 |
IAAF |
84.4 |
25-Jan-1998 |
Karlsruhe |
"3,000 m (i)" |
7:26.14 |
IAAF |
|
15-Feb-1998 |
Birmingham |
"2,000 m (i)" |
4:52.86 |
non-IAAF |
|
01-Jun-1998 |
Hengelo |
"10,000 m" |
26:22.75 |
IAAF |
84.7 |
13-Jun-1998 |
Helsinki |
"5,000 m" |
12:39.36 |
IAAF |
84.7 |
14-Feb-1999 |
Birmingham |
"5,000 m (i)" |
12:50.38 |
IAAF |
|
11-Dec-2002 |
Doha |
"10,000 m" |
27:02 |
IAAF |
82.3 |
21-Feb-2003 |
Birmingham |
2 miles (i) |
8:04.69 |
non-IAAF |
|
04-Sep-2005 |
Tilburg |
15 km |
41:22 |
unofficial |
82.3 |
04-Sep-2005 |
Tilburg |
10 miles |
44:23 |
non-IAAF |
82.8 |
15-Jan-2006 |
Tempe |
20 km road |
55:48 |
IAAF |
82.9 |
15-Jan-2006 |
Tempe |
1/2 marathon |
58:55 |
IAAF |
83.2 |
12-Mar-2006 |
Alphen aan den Rijn |
25 km |
1:11:37 |
no drug testing |
81.7 |
27-Jun-2007 |
Ostrava |
20 km track |
56:25.98 |
IAAF |
82 |
27-Jun-2007 |
Ostrava |
1 hour run |
"21,285 m" |
IAAF |
82.3 |
30-Sep-2007 |
Berlin |
marathon |
2:04:26 |
IAAF |
82.4 |
i = indoor |