Aber Rettung naht – aus Japan. Dort hat ein Ärzteteam um Ken Nagao von der Tokioter Surugadai-Nihon-Uniklinik untersucht, welches Schicksal Menschen haben, die in Gegenwart von anderen einen Herzstillstand erleiden
Atemlose Hilfe im Notfall – Dr. Hartmut Wewetzer (Der Tagesspigel) fahndet nach guten Nachrichten in der Medizin. Heute: Massage hilft bei Herzstillstand besser ohne Beatmung
Plötzlich ist sie da, die Situation, vor der man sich immer gefürchtet hat. An der Bushaltestelle fasst sich der ältere Herr an die Brust, wird kreidebleich und sackt zusammen. Kreislaufstillstand, kein Herzschlag mehr.
Was tun? Mund-zu-Mund-Beatmung? Herzmassage?
Viele Menschen sind da überfordert. Sie ekeln sich, fürchten Krankheitskeime beim Mundkontakt oder trauen sich die Atemspende nicht zu. So unterbleibt lebensrettende Hilfe. Statt Hand anzulegen, gaffen die Leute. Die ohnehin nicht besonders hohen Chancen für den Mann an der Bushaltestelle schwinden.
Aber Rettung naht – aus Japan. Dort hat ein Ärzteteam um Ken Nagao von der Tokioter Surugadai-Nihon-Uniklinik untersucht, welches Schicksal Menschen haben, die in Gegenwart von anderen einen Herzstillstand erleiden. Die Ärzte schauten sich an, wie es denjenigen erging, denen von ihren Mitmenschen entweder nur mit Herzmassage oder mit einer Kombination aus Mund-zu-Mund-Beatmung und Massage geholfen wurde.
Und das Ergebnis ihrer Untersuchungen könnte eindeutiger nicht sein: Die Mund-zu- Mund-Beatmung ist verzichtbar. Die ausschließliche Herzmassage sei der Kombination Massage plus Laien-Beatmung klar überlegen, schreiben die Ärzte im Fachblatt „Lancet“. Menschen, die nur eine Herzdruckmassage erhielten, hatten doppelt so hohe Chancen, ohne schwerwiegende Hirnschäden weiterleben zu können.
So verrückt es klingt: Verlieren Sie keine Zeit, verzichten Sie auf das komplizierte Beatmen und belassen Sie es bei der simplen Druckmassage des Brustbeins – und Sie retten vielleicht ein Menschenleben. Die Mund-zu-Mund-Beatmung gehört dahin, wo sie immer schon zu Hause war, nämlich in die ziemlich dämlichen Fernsehsketche mit vollbusigen Blondinen.
Das klingt jetzt ein bisschen hart? Auch für Experten wie Gordon Ewy, Herzspezialist an der Universität von Arizona, ist die Sache klar. „Wir sollten unsere Richtlinien ändern“, schreibt er in einem Kommentar zu der Untersuchung. „Die Schulung ausschließlich in Brustkorbmassage wird die Wiederbelebungserfolge dramatisch verbessern.“ Ausnahme sind Ertrunkene, denn bei ihnen kommt es auf den Sauerstoff an, nicht aufs Herz.
Im Normalfall aber ist in den Lungen genug Sauerstoff, um den Betroffenen noch für einige Minuten zu versorgen. Über seine Zukunft entscheidet etwas ganz anderes. Nämlich, ob Blut ins Gehirn kommt. Das gelingt nur mit der Herzmassage, mit der das Blut in den Kreislauf und zum Kopf gepresst wird.
Auch der Berliner Herzspezialist Dietrich Andresen vom Klinikum Am Urban könnte sich vorstellen, die Beatmung durch den Laien ad acta zu legen. „Je einfacher die Regeln für die Wiederbelebung sind, desto besser“, sagt er. „Die Menschen, bei denen im Krankenhaus nur noch der Hirntod festgestellt werden kann, sind nicht deshalb tot, weil etwas schlecht gemacht wurde. Sondern weil gar nichts geschah. Vielleicht aus Angst, Fehler zu machen.“
Dr. Hartmut Wewetzer leitet das Wissenschaftsressort des Tagesspiegels.
Der Tagesspiegel, Sonntag, dem 13. März 2007