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27
07
2024

Ser-Od Batochir als Fahnenträger seiner Mannschaft auf der Seine bei der Olympia-Eröffnung in Paris 2024 - Screen-shot - Klaus Weidt

Ein Mongole wird zur Marathon-Legende. Ser-Od Batochir nimmt in Paris zum sechsten Mal an Olympia teil. Obwohl Marathon eigentlich erst seit 2010 in Ulan-Bator richtig bekannt wurde. Klaus Weidt berichtet.

By GRR 0

Kaum zu glauben, aber wahr: Ein 42jähriger Mongole läuft in Paris auf der Marathonstrecke, obwohl seine Heimat seit Dschingis Khan mehr als Land der Reiter von sich reden machte.

Marathon wurde mehr oder weniger zwischen Ulan-Bator und Gobi erst ein größerer Begriff, als mit deutscher Initiative 2010 ein „Mongolia-Marathon“ ins Leben gerufen wurde. Und nun stellte sich Ser-Od Batochir bei der Pariser Olympiaeröffnung auf der Seine als Fahnenträger seiner Mannschaft vor und steuert auf eine sechste Olympia-Marathon-Teilnahme zu.

Ser-Od – der erste Sieger des ersten Mongolia-Marathons 2010 – Foto: Klaus Weidt

Wie kam denn das zustande?

Ich lernte den bescheidenen Mann vor 14 Jahren bei der mongolischen Marathon-Premiere, die er natürlich gewann, in Ulan-Bator kennen. Er freute sich, dass nun auch das lange Laufen in seinem Land Fuß fasste. Er selbst, so verriet er, ließ sich einst von Fernsehbildern des Äthiopiers Haile Gebrselassie für seine ersten Laufversuche animieren. Ohne Trainer versuchte er sich an einem Marathon 2002 in Hongkong. Ein Abenteuer, denn bis dahin hatte er noch nie mehr als 20 Kilometer zurückgelegt. „Ich wusste nicht, was ich tat“, sagte er danach. Weit abgeschlagen kam er ins Ziel. Aufhören oder weitermachen? Er machte weiter, seine Frau, eine Mittelstrecklerin und bald auch seine Betreuerin, bestärkte ihn darin.

Ser-Od am Messestand beim BERLIN-MARATHON – Foto: Klaus Weidt

Ser-Od trainierte, da Ulan-Bator keine professionellen Möglichkeiten bot, bald im Ausland. Vorwiegend in Japan, aber auch in England und in den USA. „Ich habe vieles auch allein gemacht, im Schnee trainiert, im Regen und auch im Dunkeln.“ Dann setzt er sich ein Ziel. Er wollte 2004 bei den Olympischen Spielen in Athen starten, dort wo 1896 alles begann. Als einziger Langstreckenläufer der Mongolei jubelte er dann im Ziel des antiken Olympiastadions. Er hatte die 42,195 km geschafft, als 75. – in 2:33:24. Nun ließ ihn Olympia nicht mehr los.

2008 war er in Peking dabei, 2012 in London lief er – da war er bereits Fahnenträger bei der Eröffnung – mit 2:20:10 seine damalige persönliche Bestzeit, in Rio de Janeiro 2016 und in Tokio 2021 lief er ebenfalls olympisch. An die japanische Metropole denkt er allerdings nicht gern zurück, seine schwache Leistung dort führte er auf eine nicht auskurierte Erkältung zurück. Danach dachte er schon aufs Aufhören. Seine Frau und seine Freunde überredeten ihn, weiterzulaufen. So setzte er sich doch noch ein weiteres olympisches Ziel.

Und somit nun Paris!

Zum sechsten Mal bei Olympischen Sommerspielen. Ein Rekord der besonderen Art. Denn wer ist schon sechsmal an einen olympischen Marathonstart gegangen? Und dazu noch als Mann aus einem Land, das im Reiten, Ringen, Bogenschießen Geschichte schrieb, die Marathon-Disziplin aber erst sehr spät entdeckte.

Mit Paris verabschiedet sich der mongolische Marathonmann nun von der langen Strecke. Mit 42 Jahren. Geboren in der Gobi-Altai, am Sportinstitut in Ulan-Bator studiert, nahm er an 11 Weltmeisterschaften teil, seine beste Platzierung brachte ihm eine Silbermedaille bei den Asiatischen Marathon-Meisterschaften 2008. Seine Bestzeit: 2:08:50. Er will nun Trainer werden und möglichst die guten Marathon-Anfänge in seinem Land erweitern. Marathon soll eine mongolische Größe werden.

Übrigens traf Ser-Od sein Idol Haile Gebrselassie einmal persönlich. Zufällig bei einem Straßenrennen in London. Er hatte damals, 2009, viele Fragen, die der äthiopische Ausnahmeläufer ihm in aller Ruhe beantwortete.

Nun wird auch in Ulan-Bator alljährlich, meist im Juni, gelaufen – beim inzwischen traditionellen Ulan-Bator-Marathon – Foto: Klaus Weidt

Einen seiner Sätze hat er bis heute nicht vergessen: „Das Wichtigste ist, herauszufinden, was für einen selbst funktioniert, und sich keine Gedanken darüber machen, was andere tun.“

Das hat er wohl beherzigt. Als mongolische Marathon-Legende…

Klaus Weidt

Dschingis Khan würde staunen. Denn das Volk der Reiter läuft nun auch noch. Sogar Marathon. Klaus Weidt berichtet

author: GRR