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24
08
2008

„Wir haben einen sensationellen Erfolg, dass wir drei Staffeln ins Finale gebracht haben. Unsere viel gescholtenen Läufer haben sich hier sehr beachtlich dargestellt.“

Zuviel Freiheit in dichter Weltspitze – „Die Weltspitze ist sehr dicht. Wir haben eine riesige Konkurrenz und bei uns eine eher bescheidene Förderung“, sagte Jürgen Mallow, der Cheftrainer im Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV),

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Die Ausbeute der deutschen Leichtathleten bei den Olympischen Spielen in Peking (China) war überschaubar. Die nackten Zahlen: 16 Platzierungen unter den ersten Acht konnten gezählt werden, darunter nur je ein dritter und vierter Platz sowie vier fünfte Plätze. In der Nationenwertung nach Punkten bedeutete das Rang zehn. Den vorderen Platzierungen gegenüber standen zehn Ausfälle in der ersten Runde.

„Die Weltspitze ist sehr dicht. Wir haben eine riesige Konkurrenz und bei uns eine eher bescheidene Förderung“, sagte Jürgen Mallow, der Cheftrainer im Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV), am Wochenende in Peking. „Unser Maßstab ist unverändert. Wir wollen saubere Leistungen, wir wollen anständige Leistungen im Wettkampf und wir wollen auch Anstand in der Niederlage.“

Er warb vor dem Hintergrund des Olympia-Abschneidens auch für Respekt: „Sauber erzielte Leistungen verdienen Respekt. Die Respektlosigkeit, die sich bei manchen Kommentatoren zeigt, ist unfair den Athleten gegenüber.“

In seiner sportlichen Bilanz ("Zwei Drittel positive Ergebnisse") hob Jürgen Mallow besonders heraus. „Wir haben einen sensationellen Erfolg, dass wir drei Staffeln ins Finale gebracht haben. Unsere viel gescholtenen Läufer haben sich hier sehr beachtlich dargestellt.“

Beklagte Ausfälle

Eine entscheidende Rolle für die maue Medaillenausbeute spielten für Jürgen Mallow nicht zuletzt zwei Ausfälle. „Franka Dietzsch ist nicht zu ersetzen“, sagte er zur Diskus-Weltmeisterin vom SC Neubrandenburg. „Wenn sie Gold gewonnen hätte, hätte in Peking mehr Glanz über der Leichtathletik gestrahlt. Das hätte vielleicht auch abgefärbt auf die Stimmung oder die Einstellung des einen oder anderen.“

Vermisst wurde auch die Wattenscheiderin Irina Mikitenko als die aussichtsreichste Läuferin im Marathon. „Ihr hätte man ein erfolgreiches Abschneiden zutrauen können. Ihre Probleme sind im medizinischen Bereich zu suchen. Damit haben wir zwei mögliche Medaillen im Vorfeld zuhause gelassen.“

Auf der Suche nach Gründen dafür, dass die Erfolgsstory von der letztjährigen WM mit zwei Titeln und fünf weiteren Medaillen nicht weitergeschrieben werden konnte, bekannte Jürgen Mallow auch Fehler. „Natürlich gab es solche, die wir zum Teil schon analysiert haben. Einen Teil dieser Fehler benenne ich pauschal: Unsere Athleten haben zu viele Freiheiten, weil wir in einem freien, offenen System sind.“

Störende Elemente

Diese Freiheiten würden die Athleten nutzen. „Wir haben noch keine Möglichkeit, darauf hinreichend einzuwirken, dass sie ihren Sport professioneller betreiben.“ Konkreter sagte er: „Wenn Athleten mitten in der Saison Sponsorentermine in den USA oder zu einem Foto-Shooting auf der Chinesischen Mauer wahrnehmen müssen, dann ist das in meinen Augen keine sachgerechte Vorbereitung auf Olympische Spiele, sondern ein durchaus störendes Element.“

Zur Verdeutlichung stellte Jürgen Mallow, 2004 mit dem Ziel des Neuaufbaus der Nationalmannschaft angetreten, fest: „Die Athleten sehen ihre Freiheit frei von Zwängen, sie sollten eigentlich frei sein zu Handlungen, die Erfolge ermöglichen.“

Eine zu große Rolle in den Köpfen der Athleten könnte der Dopingverdacht gegen die Konkurrenz gespielt haben: „Möglicherweise beschäftigen sich unsere Athleten zu sehr damit und lassen sich davon ablenken und können damit für diesen einen Wettkampf nicht die Konzentration aufbringen, die nun einmal zwingend erforderlich ist, wenn der Wettkampf erfolgreich sein soll. Das ist aber reine Spekulation.“

Keine Zweifel im Wettkampf

Jürgen Mallow gibt dennoch eine Empfehlung an seine Mannschaft: „Ich rate den Athleten, wenn sie sich dieser Konkurrenz stellen, dann sollen sie nicht weiter die Zweifel hegen und erst gar nicht in der Wettkampfsituation. Wer hierher fährt, der muss das machen, wozu er gekommen ist, nämlich seine Leistung zeigen und seine Möglichkeiten ausschöpfen.“

Das hätten nach seiner Einschätzung auch ganz viele der Athleten, die in Peking waren, getan. Für diese will der Cheftrainer weiterkämpfen, auch für mehr Mittel aus der öffentlichen Hand, deren Verteilung an die Leichtathletik in den letzten Tagen immer mehr zu einem zentralen Thema wurde. „Es gibt so viele junge Athleten, die Spaß am Wettkampf haben, dass es sich auch überträgt auf uns. Es lohnt sich, die nicht im Regen stehen zu lassen.“

Er untermauerte seine Forderung: „Um erfolgreich zu sein, ist es notwendig, dass unser Kampf um Anerkennung des Notwendigen endlich erfolgreich beendet wird, dass man aus der Mangelsituation endlich zu vernünftigen Bedingungen kommt.“

Aberglauben für 2009

Für die Weltmeisterschaft 2009 in Berlin hat Jürgen Mallow der Mut nicht verlassen. „Ich bin überzeugt, dass wir eine gute Weltmeisterschaft haben werden, auch mit Erfolgen deutscher Sportler“, sagt er. „Wir haben 2005 fünf Medaillen gemacht, wir hatten 2007 sieben und wir machen 2009 neun. Es steckt Ironie in dieser Prognose. Ich bin kein abergläubischer Mensch, aber ich formuliere Aberglauben.“

Allerdings, Aberglauben hin oder her: „Wenn wir 2007 sieben hatten und jetzt bei jüngeren Athleten einen Aufwind verspüren, dann ist es nicht unrealistisch, dass es auch mehr sein können.“

Quelle: DLV – Christian Fuchs

Der DLV in Europa – lt. EAA 

European Medal Table – Beijing Olympics 2008
Country gold silver bronze Total 
1. Russia (RUS)  5 18
2. Belarus (BLR) 1 3 7
3. Great Britain (GBR) 4
4. Ukraine (UKR) 1 3 5
5. Belgium (BEL) 1 1 0 2
5. Norway (NOR) 1 1 0 2
5. Poland (POL) 
8. Italy (ITA)
9. Czech Republic (CZE) 0 1
9. Estonia (EST) 1
9. Portugal (POR) 0 0
9. Romania (ROU) 1 0
9. Slovenia (SLO) 1 0
14. Turkey (TUR) 0 2 2
15. Croatia (CRO) 1
15. France (FRA)  1
15. Latvia (LAT) 1
18. Finland (FIN)
18. Germany (GER)
18. Greece (GRE)  
18. Lithuania (LTU) 

author: GRR

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