Schon am 3. Mai war Bolt bei einem Sportfest in Kingston (Jamaika) 9,76 Sekunden gelaufen und hatte da erstmals gemerkt, was in ihm steckt.
Zum Weltrekord getrieben: Usain Bolt – Der schnellste Mann der Welt – Kopf des Tages: Usain Bolt – Von Sebastian Arlt in der Berliner Morgenpost
Es ist noch nicht lange her, da hat Usain Bolt allen Ernstes behauptet: "Ich bin für die 100 Meter nicht geeignet." Der junge Mann aus Jamaika glaubte, er sei mit seinen 1,96 Metern Körpergröße einfach zu hünenhaft; er brauche zu lange, bis er richtig auf Touren komme. Deshalb hatte der 21-Jährige auch mit dem Gedanken gespielt, bei den Olympischen Spielen in Peking nur in der Staffel und über seine Spezialdisziplin, die 200 Meter, an den Start zu gehen.
Doch zehn Wochen vor dem wichtigsten Sportereignis des Jahres plant Bolt um. Denn in New York rannte er die kurze Sprintdistanz so schnell wie kein Mensch vor ihm. In 9,72 Sekunden verbesserte er den Weltrekord seines Landsmannes Asafa Powell um 0,02 Sekunden. Es war sein fünfter ernsthafter Wettkampf über diese Distanz.
Schon am 3. Mai war Bolt bei einem Sportfest in Kingston (Jamaika) 9,76 Sekunden gelaufen und hatte da erstmals gemerkt, was in ihm steckt. "Danach war Usain nicht mehr zu halten", sagt sein Trainer Glen Mills über seinen Schützling, der schon im Alter von 16 Jahren einen Junioren-Weltrekord über 200 Meter aufgestellt hatte. Doch seine noch junge Karriere war auch von Rückschlägen gekennzeichnet. Mal verletzte er sich kurz vor dem Zieleinlauf, mal störte eine Bindehautentzündung, bei den Spielen in Athen stoppte ihn eine Formkrise.
Doch in New York konnten ihn nicht einmal ein Gewitter und der Fehlstart eines Konkurrenten bremsen. Der Jamaikaner lief das Rennen seines Lebens, "das war vollkommen fehlerlos", staunte der geschlagene Weltmeister Tyson Gay aus den USA.
Aufgewachsen ist Bolt als eines von drei Kindern (er hat noch zwei Schwestern) in ärmlichen Verhältnissen in Trelawny, einem verschlafenen Nest im Norden des kleinen Karibikstaates. Bereits mit acht Jahren begann er mit regelmäßigem Training. Sein Antrieb: "Ich wollte immer der Schnellste sein." Er profitierte von dem guten Fördersystem in seinem Heimatland, wo Schulmeisterschaften in der Leichtathletik von 30 000 bis 40 000 Zuschauern bejubelt werden. Mit 16 Jahren war er der Star über 200 und 400 Meter im Trikot der William-Knibb-Schule. Damals gab man ihm den Spitznamen "Thunderbolt" – das heißt Blitzstrahl.
Wie ein Blitz hat nun seine Bestzeit die Konkurrenz getroffen, und wer Usain Bolt in New York gesehen hat, der weiß: Dieser Mann kann noch schneller. Viel schneller, als er bis vor Kurzem selbst geglaubt hätte.
Sebastian Arlt in der Berliner Morgenpost vom Montag, dem 2. Juni 2008