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23
02
2008

Grundsätzlich kann jeder an einem Infekt erkranken. Niemand ist letztlich und endlich völlig geschützt. Was können wir tun? Wie können wir uns schützen? Wie können wir die Gefahr häufiger Infekte minimieren?

Zeit für Infekte – Zeit der Infekte – Dr. Willi Heepe bezieht Stellung

By GRR 0

Dr. Willi Heepe, der Berliner Marathon Arzt, ist in Läuferkreisen Legende. Nicht nur durch seine wortgewaltigen Ansprachen, Reden und Interviews zum Thema Laufsport (besonders auch seine "Last-Minute-Predigten" kurz vor dem Start des BERLIN-MARATHON), sondern durch sein jahrzehntelanges Engagement für die Lauferei und für den BERLIN-MARATHON im Besonderen. Er hat wie kein Anderer zu der großartigen Entwicklung des BERLIN-MARATHON, des HALBMARATHON, des Frauenlaufes, der Staffeln und der vielen anderen Laufangebote in Berlin beigetragen, als auch insbesondere die Informationen (das Berliner Läuferforum gehört dazu), die Aufklärung, das Training, die Prävention und die Heranführung von Anfängern zum Laufsport intensiv betrieben – und das immer ehrenamtlich – neben seiner aufreibenden Praxistätigkeit.

Seit 1981 war er in Berlin verantwortlich beim MARATHON mit dabei und hat die medizinische Betreuung der Berliner Läufe zu dem gemacht, was sie heute auszeichnet: Als Medical-Director hat er die erfolgreiche und lückenlose Zusammenarbeit und Koordination mit der Berliner Feuerwehr, den Rettungsdiensten, der Polizei, den Berliner Krankenhäusern und den vielen Ärzte-Kollegen, die er zum Mitmachen überzeugte, initiiert. Er hat nicht nur selbst unzählige Marathonläufe weltweit aktiv bestritten, sondern beim BERLIN-MARATHON war er im Einsatz zusätzlich mit dem Fahrrad, dem Motorrad oder mit dem Babyjogger – mit schlafendem Kind – und Sanitätsmaterial, um direkt dem Läufer vor Ort helfen zu können. Willi Heepe ist als medizinischer Berater bei RUNNERS WORLD und LAUFZEIT im Einsatz. Er wird als sportmedizinische Allzweckwaffe im Radio, im Fernsehen benötigt und ist auch bei Lauf Seminaren tätig.

Bei German Road Races ist Dr. Willi Heepe im Kompetenz-Team Sportmedizin ein wichtiger Berater, siehe die vielen medizinischen Beiträge im Archiv von GRR.

Eigentlich ist der Winter 07/08 nicht gekommen, ob er überhaupt noch kommt, wissen wir nicht. Ungewöhnlich lange bleibt es nasskalt, ungewöhnlich lange hält sich eine Wettersituation, die der Läufergemeinde nicht schmeckt und nicht bekommt. In diesem Jahr mehren sich grippale Infekte und insbesondere bronchiale Infekte.

Sie sind gekennzeichnet durch eine lange Verlaufsdauer und häufig getragen von Intervallen. Was ist gefährlich an diesen Infekten? Was macht sie so besonders? Warum sind Läufer nicht geschützt ? Denn wir gehen ja davon aus, dass der Sport uns gesund hält, dass alle, die Sport treiben nie krank werden und mit diesen Problemen eigentlich nicht konfrontiert werden. Diese Annahme ist falsch.

Grundsätzlich kann jeder an einem Infekt erkranken. Niemand ist letztlich und endlich völlig geschützt. Was können wir tun? Wie können wir uns schützen? Wie können wir die Gefahr häufiger Infekte minimieren?

Generell gilt, moderater Sport mit viel Bewegung in der Natur ist ein hervorragendes Training des Immunsystems. Generell gilt, zusätzliches Immuntraining durch Wechselduschen, Saunabaden, kalte Güsse etc. sind hervorragende Instrumente die Reagibilität des Immunsystems günstig zu beeinflussen. Generell gilt, dass eine gesunde vitaminreiche Kost ebenfalls zum Stabilisieren des Immunsystems beitragen kann und generell gilt, dass es bisher keine überzeugenden medikamentösen Konzepte, geschweige denn vorbeugende Konzepte gibt das Auftreten oder sich infizieren von Infekten verhindern kann.

Solide sind selbstverständlich Schutzimpfungen, wie die Grippeimpfung oder eine anderweitig ausreichender Impfstatus gegen alle üblichen Risiken die durch eine aktive Impfung Immunität gewährleisten können.

Wie sieht das Schutzregime des Menschen aus?
Wir alle besitzen ein ungeheuer ausgeklügeltes Immunsystem mit einer Abwehrfront von der jeder Kriegsherr in seinen Planungen lernen könnte. Die erste Immunbarriere stellt immer die Haut dar. Eine gut gepflegte, nicht ausgetrocknete Haut mit einem ausreichenden Säureschutzmantel ist eine hervorragende Immunbarriere, um schon an der Haut Kontaktkeime etc. abzufangen und ggfs. auch durch den Säurepanzer zu töten.

All zu intensives Reinigen, all zu intensives Waschen und Stören dieses Schutzmantels kann schon die Infektabwehr reduzieren und uns anfälliger für zahlreiche Infekte machen. Die zweite Barriere sind die Schleimhäute beginnend im Mund, in den Rachen- und Kehlkopfbereich übergehend bis hinunter in die Bronchien und ihre weiten Verzweigungen.

Diese Immunbarriere ist eine der empfindlichsten und anfälligsten. Die Schleimhäute sind schon im Bereich des Mundes durch einen schlechten Zahnstatus häufig mit Bakterien durchsetzt und haben eine geminderte Abwehrkraft. Die Schleimhäute selbst können Gegner einigeln, können ihn durch ihren permanenten Sekretfluss wieder nach außen transportieren. Insbesondere haben die Bronchien hier hervorragende Eigenschaften. Auf unserer Bronchialschleimhaut bis in die Tiefe der verzweigten Bronchien befindet sich ein ausgeklügeltes Abwehrsystem mit hohen zylindrigen Zellen, welche permanent eine zähfließende Schleimflüssigkeit produzieren, die von auf den Bronchien befindlichen Flimmerhärchen in einer Permanentbewegung Richtung Kehlkopf transportiert wird, sodass sämtliche eingeatmete Staub- und Dreckpartikel, auch Keime, auf diesem Wege wieder den Ausgang finden.

Die gestörte Funktion dieser Flimmerhärchen, z. B. durch Rauchen, z. B. durch Gase und Gifte kann zur Stagnation dieses Flusses führen und damit zu gehäuften Entzündungen im Bereiche der Bronchien. Auf der anderen Seite sind in diesem Segment sehr viele Sportler empfindlich. Sie reagieren auf Kälte und andere Reize mit einer sogenannten Überempfindlichkeit, einer Hyperreagibilität. Diese beinhaltet eine mangelnde Verflüssigung des Schleimes, eine örtliche Entzündungsreaktion und eine Engstellung der Bronchien. Dieser Teufelskreis kann im Prinzip nur durch eine kombinierte, ausgetüftelte fachärztlich verordnete Medikation durchbrochen werden.

Sorgfältiger Umgang mit dem eigenen Körper

Mit Gewalt ist hier kein Gegenmittel gegeben sondern ein sorgfältiger Umgang mit dem eigenen Körper, eine gute Behutsamkeit und eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Arzt und Sportler sind an dieser Stelle erforderlich. Häufig werden gerade im Bereiche der Bronchien unsinnige Strategien gefahren, unsinnige Medikationen oder auch unsinnige Therapie entwickelt. Ein sorgfältiger, pflegender Umgang mit diesem ausgeklügelten Abwehrsystem ist eine der besten Grundlagen einer gesunden Immunlage.

Gelingt es trotzdem einem Keim den Körper zu erreichen, so ist eine Verbreitung meistens unaufhaltsam. Er breitet sich je nach Typ in verschiedenen Körpergeweben aus. Gewöhnliche Grippeinfekte bevorzugen das Muskelsystem, bekannt auch durch die Muskel- und Gelenkschmerzen, die in Begleitung von Virusinfekten wahrgenommen werden. Ist dieser Zustand erreicht gibt es nur ein Medikament: Ausreichend viel trinken, ggfs. eine fiebersenkende oder schmerzstillende Tablette, wie z. B. Aspirin oder Paracetamol oder ähnlichem.
Nach solchen Infekten ist immer eine ausreichende Ruhezeit erforderlich bis die Aufquellungsreaktionen in den Geweben sich wieder vollständig zurückgebildet haben. Dieses kann unter Umständen bis zu 4, auch bis zu 6 Wochen dauern.

An dieser Stelle wird häufig gesündigt, dass zu viel und zu früh mit dem Training begonnen wurde.

An dieser Stelle ist auch darauf hinzuweisen, dass die Irrtümer früherer Laufpäpste, wie z. B. Dr. van Aaken darin bestanden, dass sie glaubten mit der künstlichen Temperaturerhöhung durch den Laufsport Fieberinfekte zu besiegen. Ein gefährlicher Irrtum, denn in der fieberhaften Erkrankung sich zu aktivieren kann bedeuten, dass diese Infekte nur vermehrt im Körper verteilt werden und insbesondere den Herzmuskel gefährden. Letzterer ist unser größtes Sorgenkind.

Die Beteiligung des Herzmuskels sinkt bei Fieberinfekten nur schwer erkennbar und nur schwer diagnostizierbar. Das "Abhören", die Laborwerte, das EKG und der Ultraschall bringen hier häufig nicht die ausreichende Klärung. Häufig sind weitergehende Untersuchungsmethoden, wie Stressechocardiografie, Belastungs-EKG oder MRT-Ableitungen erforderlich, um zu einer Wahrheitsfindung zu gelangen.
Denn zieht man das Fazit von allen Sporttoten sind bei 1.200 die in Deutschland jährlich eintreten viele zu verhindern. Denn die meisten dieser Toten sind immer noch Folgen von Entzündungen mit Herzbeteiligung, die nicht erkannt werden, die nicht wahrgenommen werden und die nicht diagnostiziert werden. Hier liegt das eigentliche Präventionspotential, dass zwischen Arzt und Sportler eine harmonische, eine enge Zusammenarbeit stattfinden muss und ggfs. muss hier der Arzt ein höheres diagnostisches Potential verantworten, um Schaden vom Sportler fernzuhalten.

Insgesamt muss man sagen, dass diese Zeit vorübergeht. Die Sonnenstrahlen kommen und die Erkenntnis wird in jedem Sportler reifen. Das eigentliche Wunder gesund in den Frühling zu laufen liegt in uns allen selbst, in einer gesunden Beobachtung des Körpers, auch in der Fähigkeit sich in einem Infekt aus dem Rennen zu nehmen und einmal eine Woche spazieren zu gehen oder gar nichts zu tun.

Auch dieses ist für die Gesundheit und für die Kondition besser als sich durch Infektmechanismen mit Gewalt hindurch zu quälen.

Dr. Willi Heepe

Praxis Westend – Kardiologie, Sport- und Präventivmedizin

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Praxis Westend

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