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2011

Dennis Pyka (links) und Richard Friedrich (rechts) ©wus-media - Wilfried Raatz

Wunschsieger im Olympiastadion – Einmal mehr weißblauer Himmel beim München-Marathon – Wilfried Raatz berichtet

By GRR 0

Auch München macht in der deutschen Marathonlandschaft keine Ausnahme. Der Trend bei parallel angebotenen Laufstrecken geht auch in der bayerischen Landeshauptstadt weg vom Marathon und – hin zur Halbmarathondistanz. Unter den insgesamt 16.075 Anmeldungen hatten sich 6.058 für den Halbmarathon und 5.902 für den Marathon entschieden, der „Rest" tummelte sich über 10 km (2.371) und bei den Staffeln (1.744).

Race-Director Gernot Weigl sieht den Rückgang um insgesamt 2000 Meldungen im Jahr nach dem 25. Jubiläum keineswegs als Betriebsunfall an, sondern eher als „Normalität", die verstärkte Hinwendung zum halben Marathonlauf ein bundesweiten Trend, bei dem selbst die sonst für (vornehmlich politische) Alleingänge bekannten Bayern nicht ausscheren.

„So leid es mir tut", kommentierte Weigl den Rückgang bei den eigentlichen Startern über die 42,195 km-Strecke. Verkündete jedoch mit einem gewissen Lächeln die Meldezahlen des Wochenendes. Letztlich zeigte der Chef der veranstaltenden Agentur runabout München Marathon GmbH „sehr zufrieden" über die Aufmerksamkeit, die die bayerische Landeshauptstadt in der Laufszene genießt.

Vor allem mit 24,5 Prozent Startern mit Wohnsitz außerhalb Deutschlands weiß der Marathon-Macher seine Veranstaltung auf einem guten Weg. Der München-Marathon ist im 26. Jahr mehr und mehr auf dem Sprung zu einer internationalen Veranstaltung, denn insgesamt waren Läufer aus 99 Nationen am ersten Wochenende nach dem Oktoberfest eingeschrieben. „Vor allem aus Italien, aber auch Österreich und Frankreich hatten wir enorme Zuwächse zu verzeichnen".

Auch wenn die Teilnehmerzahlen aus allen Teilen der Welt kommen, an der Spitze setzen die Münchner nach wie vor auf das Konzept der „local heroes". Mit Erfolg, wie sich auch im Jahr nach dem Jubiläumslauf eindrucksvoll bestätigte. Wo andernorts Dolmetscher bemüht werden müssen, um die Sieger und Platzierten ins rechte Wort zu setzen, ist ein bayerischer Akzent auf dem Podium nicht zu verleugnen. Zumindest was den Kernwettbewerb Marathon angeht. Denn Wunschsieger Richard Friedrich wohnt in Landsberg, sein Rivale Dennis Pyka seit elf Jahren in München, Bernadette Pichlmaier kommt aus Tegernbach in der Holledau.

Weißblau sind auch die Konzernfarben des neuen Hauptsponsors BMW, der im direkten Umfeld des Olympiaparks sein Domizil hat und nicht nur in Berlin, Hamburg und Frankfurt finanziell Gas gibt, sondern sich auch zum Standort München bekennt. Und auf „Nachhaltigkeit" setzt, das, wie BMW-Marketingchef Johannes Seibert betont, besonders im Laufen ausgeprägt sei. Mit der neuen Firmenstrategie bewegt BMW übrigens über 200.000 Menschen, gleichgültig ob im Marathonlaufen oder bei der inzwischen größten Stadtlaufserie im Verbund mit SportScheck.

Mit dem Slogan „Eine gute Zeit für Bestzeiten" tritt übrigens der Hauptsponsor des München-Marathon auf. Und Richard Friedrich (LG Passau) setzte dies mit einer Akribie perfekt um. Am Morgen noch sinnierte er über die Bekleidung angesichts der gerade einmal 6° Temperatur, Armlinge mussten es zum Renndress schon sein. Die Regenwolken hatten sich am Vortag reichlich ausgetobt, denn bis zur Mittagszeit sollte sogar die Sonne herauskommen.

Und Gernot Weigl frohlockte. Schließlich hat er in seiner inzwischen 12jährigen Amtszeit in München immer „trockene" Bedingungen zwischen Olympiagelände, Englischem Garten und Marienplatz gezaubert. Der am Samstag vorgeschobene Trachtenlauf mit knapp 100 Unverwüstlichen ist dagegen als Gaudilauf und warm-up selbstverständlich außen vor.

Am Mittag zeigte Richard Friedrich mit Stolz im Ziel seine weiße Mütze mit dem im Schirm befindlichen Namen „Emil" und „Uli", die kleine psychologische Stütze für die letzten, vermeindlich schwersten Kilometer des Marathons. Und blinzelte mit den Fotografen um die Wette. Mit 2:19:27 Stunden war er natürlich weit entfernt vom Veranstaltungsrekord des Kenianers Michael Kite (2:09:46/2000), aber lief um mehr als eine Minute schneller als bei seiner Premiere 2010 in Berlin. „Hätte Richi nicht im Zickzackkurs durch das Halbmarathonfeld laufen müssen", schimpfte Trainer Günter Zahn etwas erbost, „dann wäre eine neue deutsche Jahresbestzeit unter 2:19 Stunden möglich gewesen!"

Das war in der Tat ein Makel, denn das Gros der Halbmarathonläufer, die um 10.00 Uhr in der Weltenburger Straße in Bogenhausen gestartet waren, befand sich auf dem letzten Teilstück zurück zum Olympiagelände. Doch Richard Friedrich („Richi") schien das reichlich egal zu sein, denn der Landsberger hat sich durch seinen beeindruckenden Tempolauf durch München ein Traum erfüllt. „Es ist schon ein besonderes Erlebnis, als Erster durch das Marathontor ins Stadion einlaufen zu können!" Und genoss die Aufmerksamkeit, denn letztlich hat er den erklärten Favoriten Dennis Pyka, den deutschen Marathonmeister 2010 im Trikot der LG Telis Finanz Regensburg, schon erstaunlich früh abschütteln können. „Für mich war der Knackpunkt die Bergauf-bergab-Passagen in der zweiten Hälfte. Da hatte ich vielleicht einige Vorteile, denn schließlich komme ich aus dem Bayerischen Wald und bin solche Strecken gewohnt!"  

Als erster Verlierer fühlte sich letztlich dann auch Dennis Pyka. „Bis 30 km war alles noch ok, dann wurde es einfach zäh. Ich wollte das Ding nur noch mit Würde durchziehen", gestand der 39jährige. „Die 2:22:30 Stunden sind natürlich nicht so prickelnd. Aber das Jahr 2011 lief bei mir einfach nicht nach den tollen Jahren 2009 und 2010. Das hat sich leider auch in München fortgesetzt!" Und versprach, im nächsten Jahr noch einmal angreifen zu wollen. „Da werde ich Vierzig!"

Friedrich und Pyka hatten sich schon vor der Halbzeitmarke von ihren Wegbegleitern Carsten Bresser, einem früheren Mountainbiker der Extraklasse und gewiss talentierten Läufer, und dem Äthiopier Mulugeta Serbessa abgesetzt. Der eingesetzte Tempomacher (Tobias Schreindl) war bereits nach 17 km aus dem Rennen gegangen. Letztlich wurde angesichts der fehlenden Breite das Rennen für alle Läufer in der Spitze zu einem äußerst einsamen Rennen. Carsten Bresser wurde Dritter nach 2:26:40 Stunden, Mulugeta Serbessa Vierter nach 2:27:31 und der einheimische Jan Müller nach 2:29:42 Stunden Fünfter. Auf Rang acht folgte mit dem Südtiroler Hermann Achmüller der Sieger 2005, der allerdings als „Edelhase" für Bernadette Pichlmaier die 42,195 km bestritt und ihr ganz der Kavalier im Ziel den Vortritt ließ.

Als ein Erfolg „unter besonderen Vorzeichen" sieht Bernadette Pichlmaier ihren erneuten Sieg auf dem Asphalt der Landeshauptstadt. Schließlich musste sie im Frühjahr die Verteidigung des deutschen Meistertitels in Hamburg wegen eines Ermüdungsbruchs absagen – und sich über viele alternativen Trainingseinheiten wieder in Form gebracht. „Ich bin so happy!" und blickte auf „ihren besten Trainer der Welt" Francesco Munoz, der sie in nur wenigen Wochen wieder konkurrenzfähig gemacht hatte. „Als ich vor wenigen Wochen nur 38 Minuten über 10 km laufen konnte, habe ich schon gedacht, da kommst du nimmer hoch!"

Während „Bernie" im Stile einer Klassefrau das Rennen von der Spitze weg dominierte, wurde der Kampf um Rang zwei im Spurt entschieden. Julia Wagner krönte ihre bislang stärkste Triathlon-Saison an ihrem Studienort München mit 2:47:44 Stunden („damit bin ich absolut happy, auch wenn ich auf eine 2:45 gehofft hatte") und dem knappen Vorsprung auf Monika Heiß. Im Juli hatte die promovierte Chemikerin bei ihrer Ironman-Premiere hinter Chrissie Wellington mit einer Endzeit von 8:56:23 Stunden für Furore gesorgt und sehnt sich nun nach einer wohlverdienten Pause.

Keine Pause hingegen haben die beiden Halbmarathonsieger Sören Kah (LG Lahn-Aar-Esterau) und Susanne Hahn (SV Schlau.com Saar 05), die München als Zwischenstation auf dem Weg zum Frankfurt-Marathon sehen. Während die Saarländerin mit Lebensmittelpunkt Bonn dort in Richtung Olympianorm marschieren möchte, liegt dies für den Shootingstar der Saison 2011 in weiter Ferne. „Ich will realistisch bleiben, eine Zielzeit von 2:12 wäre völlig unrealistisch!" zerstreute der 29jährige Buchhalter einer Marktforschungsfirma in Frankfurt alle ihm nachgesagten Ziele. „Ich kann vielleicht eine 2:18 laufen!"

Der Spätstarter hat sich als belebendes Element in der deutschen Laufszene erwiesen, schließlich zeigte er mit drei sechsten Plätzen (10 km, 10.000 m, Halbmarathon) und zwei siebten Plätzen (Cross, 5000 m) seine Bandbreite. In einem spannenden Rennen löste sich Kah nach 17 Kilometern von den beiden Skandinaviern Trond Arne Rugland (Norwegen) und Aki Nummela (Finnland) sowie von Holger Freudenberger und steigerte mit knappen Vorsprung mit 1:07:07 seinen im Vorjahr aufgestellten Streckenrekord (1:07:31).  

Dagegen gelang Susanne Hahn mit ihren 1:13:02 Stunden gleich ein Quantensprung, denn neben ihr lief auch Julia Viellehner (1:17:11), Bianca Meyer (1:20:01) und Christine Fiedler (1:21:00) noch unter Meyers bisheriger Streckenbestmarke. Auch über 10 km gab es prominente Sieger: Der Erlanger Joseph Katib gewann bei den Männern mit 31:31 Minuten, während sich bei den Frauen die in einer vorzüglichen Spätform laufende Christine Schleifer in 34:55 Minuten vor der deutschen Marathonmeisterin Steffi Volke, die mit 35:15 ihre Bestzeit gleich um 30 Sekunden steigerte, und Ulrike Maisch, die nach langwieriger Verletzungsperiode und der Geburt Ihres Sohnes Emil wieder „angreifen" möchte, mit 35:16 ebenso wenig zufrieden war wie Ingalena Heuck mit 36:17 Minuten.

 

Wilfried Raatz

 

 

 

 

author: GRR

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