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27
08
2007

Sein Vorgänger im Amt des Weltmeisters darf jedenfalls acht Jahre lang nicht mehr mitlaufen, so lange ist Justin Gatlin gesperrt als Wiederholungstäter des Dopings.

WM-Aktuell – Sieger auf Bewährung – Tyson Gay gewinnt das 100-Meter-Duell gegen Asafa Powell – aber den drängenden Fragen kann er nicht davonlaufen – Friedhard Teuffel im Tagesspiegel – Nadine Kleinert stößt die Kugel zu Bronze

By GRR 0

Keine Frage, hier hat gerade ein Amerikaner gewonnen. So stürmt keiner aus dem Rest der Welt ins Ziel, mit diesem triumphalen, ausfallenden Schritt. Mit dieser Haltung, die sagt: Ey Leute, glaubt Ihr wirklich, mich hätte jemand besiegen können? So hat es Tyson Gay getan, breitbeinig hat er sich vor dem Publikum aufgebaut und in die Menge gebrüllt, und es hat auch nur Sekunden gedauert, nur wenig mehr als die Siegerzeit von 9,85 Sekunden, bis die amerikanische Flagge auf die Bahn herunterflog, der Stoff für sportliche Träume.
Fehlte nur noch, dass Tyson Gay sein Hemd heruntergestreift hätte, um den Japanern zu zeigen, was er den lieben langen Tag macht: Körperarbeit. Gay hat also am Sonntag in Osaka eine amerikanische Tradition fortgesetzt und ist Weltmeister über 100 Meter geworden. Nur dass es mit Traditionen im Sprint, vor allem im amerikanischen, so eine Sache ist.

Sein Vorgänger im Amt des Weltmeisters darf jedenfalls acht Jahre lang nicht mehr mitlaufen, so lange ist Justin Gatlin gesperrt als Wiederholungstäter des Dopings. Nun ist Gay in diese offene Stelle gestürmt, nicht Asafa Powell, aus Jamaika, den sich manche vielleicht gewünscht hatten. Der aber wurde Dritter in 9,96 Sekunden, noch hinter Derrick Atkins von den Bahamas in 9,91. Powell, der Pastorensohn, hätte diesen Titel, auch für ihn wäre es der erste große gewesen, auf jeden Fall anders gefeiert. Denn es war auch ein Duell der Mentalitäten zwischen Weltrekordhalter Powell und Weltjahresbestem Gay.

Vom Startschuss an. Da stand Powell ruhig und ließ langsam die Schweißperlen über seine Stirn laufen, während auf der Bahn neben ihm Gay noch einmal mit beiden erhobenen Zeigefingern in die Luft sprang, bevor er sich in den Startblock kniete, als gehöre die Siegerpose schon dazu, ehe es überhaupt losgegangen ist.

Der Anfang des Rennens gehörte allerdings Powell, er rannte vorneweg. Doch es macht Gay offenbar nichts aus, aufschließen zu müssen. „Mein Start war noch nie besonders gut“, sagte er. Dafür ist es sein Schlussspurt, es sind die letzten zwanzig, dreißig Meter, und auf dieser Strecke hat Gay auch in Osaka wieder das Rennen an sich gezogen, hat aufgedreht mit weit aufgerissenen Augen, als renne er um sein Leben. „Ich kann auch nicht erklären, warum ich am Ende so gut bin. Ich erreiche auf jeden Fall meine Höchstgeschwindigkeit auf den letzten zwanzig Metern“, sagte er. Das erklärt wenigstens, warum er auch so ein guter 200-Meter-Läufer ist, die zweitbeste je gelaufene Zeit stammt von ihm. Es wäre schon eine Überraschung, wenn er nicht auch noch diesen Titel mitnehmen würde, am Donnerstag aus Osaka.

Es gibt aber noch eine andere Erklärung, warum es Gay geworden ist, die stammt vom Unterlegenen. Powell sagte, er habe einen riesigen Fehler gemacht, mitten im Rennen: „Ich hatte einen guten Start und habe gesehen, dass ich leicht vor ihm liege, aber dann bin ich fest geworden und habe nicht mehr entspannt.“ Wusste er denn nicht mehr, dass Gay die letzten Meter für sich beansprucht? Hatte er es vergessen, weil er ihn fünfmal im vergangen Jahr besiegt hatte, aber 2007 nicht mehr gegen ihn gerannt war?

Das Duell geht nun weiter, vielleicht wird es ein Höhepunkt der Olympischen Spiele, nächstes Jahr in Peking. Sie werden gegeneinander laufen und um die beste Zeit, die möglich ist. Doch bis dahin ist es weit für einen Sprinter, das nächste Ereignis steht erst einmal am Dienstag an, wenn Tyson Gays Trainer Lance Brauman aus dem Gefängnis entlassen wird. Illegal hatte er Studenten zu Stipendien verholfen und dafür ein Jahr Haft bekommen.
Nun kommt er raus, vorzeitig wegen guter Führung. „Ich habe noch heute Morgen mit ihm telefoniert, und er hat mir gesagt, dass er beim Aufwachen gewusst hat, dass ich Weltmeister werde“, erzählte Gay.

Er hat auch noch etwas zu einem anderen weniger angenehmen Thema gesagt, zum Doping: dass er froh war, nichts dazu sagen zu müssen. „Ich möchte mich bei den Medien bedanken, dass sie mir vorher keine Fragen zum Doping gestellt haben. So habe ich mich konzentrieren können.“ Tyson Gay will wohl ebenfalls entlassen werden aus dem Verdacht, wegen guter Führung. Doch die schnellsten Sprinter laufen alle auf Bewährung.

Friedhard Teuffel
Der Tagesspiegel
Montag, dem 27. August 2007

Nadine Kleinert stößt die Kugel zu Bronze

Osaka – Zu Medaillen hat Nadine Kleinert eine besondere Beziehung. Mal gewinnt sie eine, muss sie aber nachher abgeben und erhält später eine neue. Mal gewinnt sie keine und bekommt irgendwann dann doch noch eine. Ob und welche Medaille Nadine Kleinert beim Kugelstoßen gewinnt, hing jedenfalls in der Vergangenheit nicht nur von ihren Leistungen ab, sondern auch von den Dopingproben ihrer Gegnerinnen. Diesmal hat sie wieder eine gewonnen, in Bronze, und deshalb bei der WM auch gleich erklärt: „Diesmal möchte ich meine Medaille aber behalten.“

Dafür müsste die neue Weltmeisterin Valerie Vili aus Neuseeland die Weltjahresbestleistung von 20,54 Meter mit sauberen Mitteln zustande gebracht haben und die Zweite Nadscheja Ostaptschuk ihre 20,48 Meter ebenfalls. „Schon wieder ein Dopingfall – das möchte ich nicht“, sagte Kleinert, die auf 19,77 Meter kam. Außerdem hätte sie dann vielleicht eine Weile kein Souvenir von dieser WM. Auf ihre Silbermedaille von den Olympischen Spielen von Athen 2004 musste die Magdeburgerin ein halbes Jahr warten, nachdem die Olympiasiegerin des Dopings überführt worden war. Eine Bronzemedaille der Hallen-WM 2004 wurde ihr ebenfalls nachgereicht.

Ihre Medaille hat einen übergeordneten und einen persönlichen Wert. Es ist die erste der deutschen Mannschaft bei dieser WM. Und sie bedeutet eine große Genugtuung für sie. „Mit der alten Dame ist wieder zu rechnen“, sagte Kleinert. 31 Jahre ist sie jetzt alt, und nach zwei schwächeren Jahren war sie etwas in der Defensive. Zumal sie eine junge Konkurrentin bekommen hatte, Petra Lammert. „Sie hat mich noch nicht ganz vom Thron gestoßen“, sagte Kleinert.
In Osaka kam Lammert auf 19,33 Meter – Platz fünf. „Ich habe ins Leere gestoßen“, sagte sie.

Besser als für sie fühlte sich Platz fünf für Lilli Schwarzkopf an, die im Siebenkampf mit 6439 Punkten persönlichen Rekord erreichte. „Eigentlich ist das für mich ein Übergangsjahr auf dem Weg zu Olympia und der WM in Berlin“, sagte sie. Auch Jennifer Oeser übertraf sich selbst und landete mit 6378 Punkten auf Rang sieben. Ganz vorne aber stand wieder einmal die Schwedin Carolina Klüft. Sie stellte einen neuen Europarekord auf: 7032 Punkte. „Der Druck war sehr hoch, ich bin überglücklich“, sagte die Olympiasiegerin von 2004.

Friedhard Teuffel
Der Tagesspiegel
Montag, dem 27. August 2007

author: GRR

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