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02
09
2007

Denn es ist nicht irgendeine Medaille, sondern tatsächlich die erste überhaupt, die deutsche Stabhochspringer bei einer WM gewonnen haben.

WM-Aktuell: Im Team zur Einzelmedaille – Stabhochspringer Danny Ecker holt mit der Hilfe seiner Kollegen WM-Bronze – Friedhelm Teuffel im Tagesspiegel – Selbstgespräche für Sieger – Eine Psychologin betreut die deutschen Werfer

By GRR 0

Noch einmal über die Latte und Weltmeister. Oder: Die Latte mit sich herunterreißen in die Tiefe und Platz fünf. Andere Möglichkeiten als diese beiden hatte Björn Otto nicht im weltmeisterlichen Stabhochsprung-Wettbewerb, er war der letzte Springer. „Bloß nicht überpacen, bloß nicht zu schnell anlaufen“, dachte er sich.
Neben der Bahn stand sein Mannschaftskollege Danny Ecker und dachte etwas ganz anderes, wie er später erzählte: „Ich bin ja eigentlich immer fair und freue mich für die anderen, aber in diesem Moment habe ich mir nicht gewünscht, dass er es schafft.“ Denn auch für Ecker gab es nur zwei Möglichkeiten: Schafft es Otto, wird er Vierter. Oder: Reißt Otto die Latte, gewinnt Ecker Bronze. Dann lief Otto an – und scheiterte. Still freute sich Ecker über Bronze. „Ich bin sehr froh, dass der Bann gebrochen ist, das möchte ich erst einmal genießen“, sagte Ecker.

Denn es ist nicht irgendeine Medaille, sondern tatsächlich die erste überhaupt, die deutsche Stabhochspringer bei einer WM gewonnen haben. Kurios ist das vor allem, weil das Rheinland eigentlich das europäische Ballungszentrum der Stabhochspringer ist, mit dem Dormagener Otto, dem Leverkusener Ecker und dem Kölner Tim Lobinger. Alle drei schafften in diesem Wettbewerb in Osaka die 5,81 Meter, Lobinger kam von ihnen wegen der höheren Zahl an Fehlversuchen auf Platz acht. Dennoch wollte er gerne nach dem Wettbewerb der Pressesprecher sein:

„Früher lief es bei uns immer nach dem Motto: Hose voll, Hände leer. Aber jetzt haben wir eine Medaille. Mal sehen, was in Zukunft noch möglich ist.“ Die Medaille hat auch einen angenehmen Nebeneffekt, weil sie kurz vor Ende der Weltmeisterschaften belegt, dass es die deutschen Leichtathleten nicht nur mit großen Würfen aufs Siegerpodest schaffen.

Ecker hat sich seine Bronzemedaille vor allem mit Ruhe und Konstanz verdient. In der Halle wurde er in diesem Jahr schon Europameister und gewann im Freien den nationalen Titel. In Osaka meisterte er die ersten drei Höhen 5,51, 5,66 und 5,81 Meter ohne Fehlversuch. Die 5,86 Meter ließ er dann nach einem Fehlversuch aus, schaffte es dann aber nicht über die 5,91 Meter. Nur zwei Springer kamen höher als Ecker, auf 5,86 Meter: der neue Weltmeister und Weltjahresbeste Brad Walker aus den USA und der Franzose Romain Mesnil.

Wenn es eine Teamwertung gäbe, die deutschen Stabhochspringer hätten sie souverän gewonnen. Nicht nur durch ihre drei Platzierungen unter den ersten acht. Zwischendurch machten die drei das Stabhochspringen fast zu einem richtigen Mannschaftssport. Ecker zeigte Lobinger den Wind an, Lobinger zeigte Otto den Wind an, alle drei berieten sich untereinander. „Das ist eigentlich genau die Atmosphäre, die ich mir für einen Wettkampf wünsche“, sagte Ecker. Es hat ein bisschen Zeit gebraucht, bis die Stimmung so wurde, wie sie in Osaka war. Im vergangenen Jahr hatte Lobinger Otto noch dafür beschimpft, dass er ihn bei einem Wettkampf nicht hatte gewinnen lassen, es sei schließlich für ihn um einen Jackpot in Höhe von 50 000 Euro gegangen und für Otto um nichts.

„Das haben wir längst ausgeräumt“, sagt Lobinger. Auch schon im vorbereitenden Trainingslager der deutschen Leichtathleten in Shibetsu seien sie eine Einheit zu dritt gewesen. „Es klappt richtig gut mit uns“, sagte Lobinger, „Jeder von uns ist jetzt in festen Familienverhältnissen. Dadurch machen wir privat etwas weniger zusammen, aber die Stimmung zwischen uns ist dadurch eher herzlicher und intensiver geworden.“
Und ganz nebenbei sind sie so gut gesprungen wie noch nie bei einer Weltmeisterschaft.

Friedhard Teuffel
Der Tagesspiegel
Sonntag, dem 2. September 2007

Selbstgespräche für Sieger – Eine Psychologin betreut die deutschen Werfer

Osaka – Wettkampfvorbereitung kann manchmal ein Kartenspiel sein. Heike Kugler spielt gern mit den deutschen Leichtathleten „Speed“. Wer zuerst seine Karten gegen ein oder zwei Mitspieler passend nach Form, Farbe und Zahl auf einen Stapel gelegt hat, hat gewonnen. Was das bringt? „Es aktiviert beide Gehirnhälften“, sagt Kugler, „das muss sein, ich nenne das Espressoeffekt.“ Die Psychologin kümmert sich mit ihrem Kollegen Heiner Langenkamp darum, dass die deutschen Leichtathleten bei der WM in Osaka auch im Kopf fit sind. „Wir können die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass das gewünschte Ergebnis eintrifft.“

In Osaka funktionieren die beiden Gehirnhälften gerade der Werfer bestens – mit ihnen hat sich Kugler besonders intensiv beschäftigt. Sechs Medaillen haben sie bislang gewonnen. Kuglers Anteil daran ist zwar nicht messbar, aber die meisten Werfer konnten in entscheidenden Momenten ihre Fähigkeiten abrufen. Das kann Psychologie sein. Etwa bei Nadine Kleinert, die sich mit Bronze im Kugelstoßen zurückmeldete. Über Kleinert fand Kugler auch den Weg in die Leichtathletik, mit ihr arbeitet sie seit 1999 zusammen, beide kommen aus Magdeburg. Seit 2005 kümmert sich Kugler um die ganze Nationalmannschaft der Leichtathleten.

Die Psychologin macht nun das, was sie schon als Neunjährige getan hat. „Damals bin ich mit meinem Vater zu den Magdeburger Handballern gegangen, habe auf der Tribüne eine Liste gemacht, was ich an jedem einzelnen Spieler gut fand und was nicht, ob sie sich zu viel gestritten haben. In der Pause bin ich runter und habe es den Spielern gezeigt.“ Heute berät die 44-Jährige die Magdeburger Bundesligahandballer professionell. Auf die Leichtathleten muss sie sich anders einstellen, „sie sind viel selbstreflektierter als Mannschaftssportler“, sagt Kugler.

Die Leichtathleten haben keine Berührungsängste zu ihr. Statt in der Psychoecke zu stehen, gehört Kugler zum Team wie Trainer und Ärzte. Sie kommt auch nicht aus der klinischen Psychologie, sondern hilft Managern, Ärzten oder Piloten, im Berufsleben ihre Möglichkeiten auszuschöpfen. „Meine Arbeit hat keinen therapeutischen Ansatz, es geht um die Nutzung von Ressourcen. Die meisten kommen nicht und sagen: Ich habe ein Problem. Sondern: Ich habe ein Ziel.“ Wenn sie mit den Athleten arbeitet, kann es sein, dass die gar nicht mitbekommen, dass es gerade um Psychologie geht. Kugler setzt sich gerne mit ihnen ins Café des Mannschaftshotels, in dem ein großer Wasserfall rauscht. „Die Athleten sollen es schön und attraktiv haben“, sagt Kugler.

Für die Psychologin gibt es nur individuelle Ansätze. Manche Athleten wie der Berliner Diskuswerfer Robert Harting haben im Wettkampf eher körperliche Probleme wie Übelkeit. Da können Entspannungstechniken helfen. Andere, die eher im Kopf verkrampfen, will Kugler dazu bringen, im Wettkampf das richtige Gespräch mit sich selbst zu führen. „Selbstgesprächsregulation“, nennt sie das.

Im Wettkampf einen Tunnel vor sich aufzubauen, reiche jedenfalls nicht. „Athleten sollten sich mit bestimmten Ritualen auf ihre Abläufe konzentrieren, aber auch wach sein, um handlungsfähig zu bleiben.“ Mit der Hammerwerferin Betty Heidler hatte Kugler besprochen, was sie in welcher Situation tun kann. Dazu gehörte, sich zur Mobilisierung auf die Brust zu klopfen. Heidler gewann Gold. Der größte Gewinn für Heike Kugler ist es, wenn die Athleten dank ihrer Arbeit den „Flow“ erreichen, „den Moment, in dem du die Anstrengung nicht mehr spürst und nur noch das Gefühl hast:
Es funktioniert alles.“

Friedhard Teuffel
Der Tagesspiegel
Sonntag, dem 2. September 2007

author: GRR

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