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Wissenschaft im Maschinenraum der Olympischen Bewegung – Deutsche Sporthochschule Köln
Professor Dr. Stephan Wassong, der Leiter des Instituts für Sportgeschichte und Direktor des Olympischen Studienzentrums an der Deutschen Sporthochschule Köln, pflegt als frisch gewählter Präsident des „Internationalen Pierre de Coubertin Komitees" und Mitglied der „Olympic Education Commission" enge Kontakte zur einer wichtigen Machtzentrale des Weltsports:
Zum Internationalen Olympischen Komitee, das er wissenschaftlich berät. Voller Vorfreude blickt er den Winterspielen in Pyeonchang entgegen und glaubt trotz Doping und Korruption noch an die pädagogische Basis und Ausstrahlung der Olympischen Bewegung.
Stephan Wassong gehört nicht zu der Sorte Wissenschaftler, die laute, leidenschaftliche oder gar selbstverliebte Reden schwingen. Nur wenn der 48-Jährige über den Zauber der Olympischen Spiele spricht, wird seine Stimme doch ein wenig emotional, seine Augen leuchten. Wassong schwärmt „von diesem besonderen Flair, das in den Sportarenen herrscht", und er beschwört den alten Charme dieser Erfindung:
„Es ist faszinierend, wenn Menschen aus ganz unterschiedlichen Teilen der Welt hier einander begegnen, wenn man plötzlich von Sportarten begeistert ist, die in einem anderen Kontext kaum wahrgenommen werden." Seit den Spielen von Los Angeles 1984 ist der Leiter des Instituts für Sportgeschichte und Direktor des Olympischen Studienzentrums an der Deutschen Sporthochschule Köln gefesselt vom Erbe des Pierre de Coubertin.
14 Jahre war er alt, als er den globalen sportlichen Wettbewerb zum ersten Mal bewusst wahrgenommen hat, nun gehört er zu den privilegierten Menschen, die ihre Leidenschaft zum Beruf gemacht haben. Seit wenigen Tagen ist Wassong sogar Präsident des renommierten „Internationalen Pierre de Coubertin-Komitees", dessen Aufgabe darin besteht, die Ideale von Güte, Fairness, Partizipation, Erziehung und internationaler Verständigung als Teil der Olympischen Spiele zu wahren und angesichts der rasanten Veränderungen der vergangenen Jahrzehnte zu modernisieren.
Schließlich bewege sich das Internationale Olympische Komitee (IOC) „nicht in einer Blase", sagt er, „globale Veränderungsprozesse, die sich in der Weltwirtschaft, in der Weltpolitik und in den Gesellschaften abspielen", blieben nicht ohne Einfluss auf die olympischen Ideale.
Seit Jahren forscht Wassong zur olympischen Idee. In seiner Diplomarbeit, für die er mit dem Toyota-Preis der Deutschen Sporthochschule Köln und dem Willi-Daume-Stipendium der Deutschen Olympischen Akademie ausgezeichnet wurde, hat er sich mit dem olympischen Amateurgedanken befasst. In seiner Doktorarbeit untersuchte er den US-amerikanischen Einfluss auf die Gründungsphase der Olympischen Bewegung; im Rahmen seiner Habilitation weitete er diese Forschung aus. An der Sporthochschule hat er den Olympic Master eingeführt, bei dem MitarbeiterInnen von Verbänden oder Sponsoren oder Medienunternehmen mit den Hintergründen der Olympischen Idee vertraut gemacht werden. Außerdem rief er gemeinsam mit Professor Jürgen Mittag vom Institut für Europäische Sportentwicklung und Freizeitforschung den Master International Sport Development and Politics ins Leben. Und nicht zuletzt ist er einer jener Wissenschaftler, die Gehör finden im Kreis der Funktionäre, die die Olympische Idee bewahren, pflegen und idealerweise weiterentwickeln sollen.
Wissenschaftlich fundierte Kritik ist dabei sehr wohl erwünscht, sagt Wassong, was nicht selbstverständlich ist. Kritische Journalisten werden im Umfeld der großen internationalen Verbände schließlich oft als Störenfriede empfunden. Aber Wassong erzählt, dass man im höchsten Gremium des Olympischen Sports durchaus offen ist für Anregungen und Verbesserungsvorschläge.
„Man wird dort nicht eingeladen, wenn man einfach nur die Bestätigung von hausinternen Handlungsabläufen absegnet. Es wird schon erwartet, dass Experten wie ich, Fehler benennen und dann auch entsprechende Lösungen vorstellen."
Aber das erfordert natürlich viel diplomatisches Geschick in Zeiten, in denen Doping, Korruption und Manipulation als feste Bestandteile des Spitzensports wahrgenommen werden und selbst Staatsoberhäupter versuchen, Einfluss auf den Verband zu nehmen. „Durch solche Fehlentwicklungen ist der Eindruck entstanden, es habe eine Aushöhlung stattgefunden, das muss sich in jedem Fall zurückregulieren", sagt Wassong und hat auch einen Plan, der das möglich machen könnte: „Der Weg könnte sein, dass der Athlet wieder als Hauptakteur der Olympischen Bewegung in den Mittelpunkt rückt."
Genau hier liegt ein aktueller Forschungsschwerpunkt Wassongs. Seit 1981 gibt es eine Athletenkommission, die allerdings bis heute sehr stark vom IOC-Präsidenten kontrolliert wird. Seit dem Jahr 2000 werden die Mitglieder dieser Kommission zwar nicht mehr alleine vom Präsidenten bestimmt, sie können sich von den Sportlern wählen lassen, der Einfluss des Verbandchefs auf das Gremium ist aber immer noch groß. Wassong untersucht derzeit, welche Bedeutung die Impulse von den Athleten wirklich hatten und ob ihr Einfluss sich über die Jahre geändert hat.
Das ist aber nur ein Teil seiner olympischen Arbeit. Neben solchen Forschungsprojekten, der Lehre und der Arbeit im Coubertin-Komitee gehört er auch der „Olympic Education Commission" an, die jenseits des Spitzensports an der Wahrung und Verbreitung der pädagogischen Ideale mitwirkt. Dabei gehe es „um die Entwicklung von Konzepten für den Schulbereich, für die internationale Sportjugend, das Verbandswesen und auf Trainerebene", sagt er. In all diesen Bereichen leistet der Olympismus eine wertvolle Arbeit an der Basis, und gerade hier stören die Negativschlagzeilen, die die kommerzialisierte Hochleistungssportveranstaltung produziert, besonders. Aber die Versuche, die Olympischen Spiele politisch zu instrumentalisieren, sind nun mal fester Bestandteil der Geschichte.
Die Suspendierung des Nationalen Olympischen Komitees Russlands von den Spielen in Pyeonchang bezeichnet Wassong dennoch als „historisch". Es gab schon Ausschlüsse anderer Nationen wegen zu großer politischer Einmischung in die Belange des Sports oder weil ein Land von einem Apartheits-Regime regiert wurde. „Dass eine Nation ausgeschlossen wurde, weil sie Doping gefördert hat, gab es aber noch nie", sagt Wassong.
Für einen Historiker nehmen die Spiele von Pyeonchang damit schon vor dem ersten Wettkampf einen besonderen Platz in der Geschichte ein.
Text: Daniel Theweleit
Deutsche Sporthochschule Köln,
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