Diejenigen, die schon seit einiger Zeit den Kopf hängen lassen, sollten sich diese Tatsachen in Erinnerung rufen da sie unter anderem ein klarer Beweis dafür sind, dass afrikanische Läufer genetisch nicht bevorteilt sind.
White men can’t run? Teil I – Trainer Dieter Hogen glaubt, dass auch heute noch deutsche Lauftalente die Weltspitze erreichen können.
Dieter Hogen setzt sich in diesem Beitrag mit der Situation im Laufbereich auseinander, der international von Kenianern und Äthiopierin dominiert wird. Der Trainer, der sowohl mit deutschen als auch mit kenianischen Athleten große Erfolge hatte und nach wie vor Athleten aus Ostafrika betreut, glaubt, dass auch heute noch deutsche Lauftalente die Weltspitze erreichen können. Nachfolgend beschreibt Dieter Hogen, der in den 90er Jahren Uta Pippig zu Marathonsiegen in Boston, New York und Berlin geführt hatte, die Situation in Kenia und vergleicht sie mit der in Deutschland.
White men can’t run – Weiße können nicht laufen? Wer sich im August 2009 in Berlin die Weltmeisterschaften in der Leichtathletik angesehen hat, könnte einmal mehr diese Frage stellen – und hinzufügen „und nicht sprinten?”.
Das ist alles nichts Neues und bereits oft kommentiert worden. Die dominierende Hautfarbe war Schwarz. Wieder einmal kamen die meisten Medaillengewinner aus Kenia und Äthiopien. Was die Kenianer betrifft, so sind viele von ihnen, wie inzwischen jeder weiß, in den Höhenlagen des Rift Valley beheimatet, wo sich auch unser Trainings-Camp befindet. Es ist natürlich sehr interessant diese Athleten auf den Laufstrecken oder der Aschenbahn (ein fast vergessenes Wort) leichtfüßig, freudig aber auch intensiv und konzentriert laufen zu sehen. Man kann durchaus den Eindruck gewinnen, dass es sich hier um Athleten handelt wie man sie in dieser Qualität, mit dieser Begabung, sonst nirgendwo auf der Welt findet, außer noch in Äthiopien. „Die sind einfach genetisch bevorteilt“, sagen viele.
Ist dem wirklich so? Um es vorweg zu sagen, ich glaube, dem ist nicht so. Solche Talente gibt es auch in Deutschland und vielen anderen Plätzen dieser Welt, es hat sie schon immer gegeben. Allerdings gibt es ganz spezifische Bedingungen die den „großen Unterschied” machen. Wer sich in der Laufszene auskennt, viel Zeit in Kenia verbracht hat und vielleicht sogar afrikanische Läufer betreut, so wie ich es seit mehr als 15 Jahren tue (2009 verweilte ich vier Monate im viel zitierten Rift Valley), dem fällt es nicht schwer, die echten Gründe für ihre Erfolge zusammen zu tragen.
Bevor ich aber zum Aufzählen einiger Fakten komme – so wie sie sich aus meiner Sicht darstellen und mit der Folgerung, nicht zu früh zu resignieren was die Zukunft der weißen Läuferschar angeht, möchte ich folgendes voranstellen, zur Stärkung des Selbstbewusstseins sozusagen: Die schnellste Marathonläuferin der Gegenwart und gleichzeitig Weltrekordlerin mit der sensationellen Zeit von 2:15:25 ist Paula Radcliffe – sie ist eine Weiße. Die Gewinnerin der letzten World Marathon Majors-Serien, Irina Mikitenko, ist eine Weiße. Selbst bei den drei schnellsten jemals gelaufenen 800-m-Zeiten der Männer, alle im 1:41-Minuten-Bereich, ist ein Weißer dabei. Viele Läufer und Läuferinnen von 800 m bis Marathon haben nicht nur in sehr weit zurückliegenden Jahren sondern auch in jüngster Vergangenheit, sagen wir in den letzten zehn Jahren, große Rennen gewonnen und auch Medaillen bei internationalen Meisterschaften geholt, manche sogar Gold. So schlimm, wie es in Berlin mal wieder aussah, ist es also nicht.
Diejenigen, die schon seit einiger Zeit den Kopf hängen lassen, sollten sich diese Tatsachen in Erinnerung rufen da sie unter anderem ein klarer Beweis dafür sind, dass afrikanische Läufer genetisch nicht bevorteilt sind. „Ja, aber es gibt prozentual viel mehr Talente als anderswo”, sagen die nächsten.
Das ist schwer nachzuweisen – vielleicht ist es so, vielleicht auch nicht. Die Prozente, auf die es wirklich ankommt, liegen meiner Meinung nach ganz wo anders:
Die Situation in Kenia im Vergleich zu Deutschland:
1. Das Wichtigste – höhere Ausschöpfung des Talente Pools.
Viele Kinder in Kenia, in den ländlichen Gegenden viel öfter als in Städten, kommen automatisch mit dem Laufen in Berührung, früher oder später. Erstens, weil sie sich natürlicher- oder gezwungener Weise viel zu Fuß bewegen. Dabei rennen sie schnell mal ein Stück. Zweitens, weil bestimmte Rahmenbedingungen, mit denen sich die nächsten, folgenden Punkte beschäftigen, stimmen und drittens, weil es eine ununterbrochene Folge von Crossläufen gibt, beginnend im Herbst, derzeit schon im Oktober, und natürlich in der Cross-Hauptsaison zwischen Januar und März.
Oft finden mehrere Veranstaltungen in verschiedenen Orten an einem Wochenende statt. Dazu kommen Schul-Crossläufe die im März beginnen. Zunächst wird gelaufen, um in den Schulen ein Team zu bilden, das dann zu den Orts- und anschließenden Regional-Wettkämpfen antritt. Dann folgen die Distrikt-Meisterschaften für alle Altersklassen sowie die Provinz- und Landesmeisterschaften. Die Besten können bei den Afrika- und Welttitelkämpfen starten, auch die Junioren. Die Weltmeisterschaften der Junioren sind aber ein sehr kontroverses Thema. Neben den nationalen Crossläufen gibt es ganzjährig Straßenlauf-Veranstaltungen über verschiedene Streckenlängen.
Ein bestimmter Prozentsatz des vorhandenen Talente-Pools steht also über diese Wettkämpfe der Sichtung zur Verfügung. Aber wie hoch ist dieser Prozentsatz, gemessen an der Gesamtzahl der Kinder, die für das Laufen veranlagt wären? Um eine klare Aussage zu diesem Punkt zu bekommen habe ich jemanden befragt, der seit über 30 Jahren im Rift Valley lebt und arbeitet und mit dem ich gut befreundet bin – Bruder Colm. Sein voller Name ist Colm O'Connell, er stammt aus Irland, war viele Jahre hier in Kenia als Lehrer am St. Patrick's Gymnasium tätig, anschließend auch als Direktor und fing an in seiner Freizeit Läufer zu trainieren. Die Namen derjenigen Läufer, die Weltklasseniveau erreichten, sind ausreichend bekannt. Im Moment betreut er hauptsächlich Isaac Songok, Augustine Choge und den neuen 800-m-Star David Rudisha.
Wir haben unzählige Male zusammen gesessen, oft 3 bis 4 Mal pro Woche und uns über alles mögliche ausgetauscht. Es ist immer interessant, ihm zuzuhören, wegen seiner Lauf- und Kenia-Erfahrung, aber auch weil er viele Geschichten erzählt über die man lachen muss. Zur oben gestellten Frage gab er mir eine klare Antwort, eine die mich überrascht hat: 10 Prozent. Wow, 10 Prozent, nicht mehr? Er sagt, dass die meisten Kinder nicht zum eigentlichen Laufen kommen weil zum Beispiel viele Schulen keinerlei Interesse zeigen.
Auch die guten Zeiten des St. Patrick's Gymnasiums sind seit einigen Jahren vorbei (Das komische ist, dass es seitdem auch akademisch steil bergab geht – sieht jemand einen Zusammenhang? Die Schule war mal in den Top drei in Kenia. Davon ist sie jetzt weit entfernt.). Außerdem sei es für viele Kinder nicht möglich zu den Wettkämpfen zu kommen, weil die Anreise nicht gewährleistet werden kann, die familiären Verhältnisse extrem schlecht sind und so weiter
Wie hoch ist der Prozentsatz der erkannten und evtl. geförderten Talente dann in Deutschland – 1 Prozent? Über den hiesigen Schulsport und von der Schule gelenkte Veranstaltungen zu reden, bringt an dieser Stelle nicht viel – Sie kennen die Situation sicher besser als ich. Wo also kann man Talente sichten? Gute Frage. Während der WM in Berlin habe ich Dieter Baumann getroffen, in der S-Bahn auf dem Weg ins Stadion. Auf meine profane Frage: „Wie steht’s um die deutschen Läufer?“ hat er ebenso profan geantwortet: „Glaub’ mir, es ist nicht leicht.“ Ich hab's ihm geglaubt.
Natürlich kann niemand die genauen Zahlen wissen, weder in Deutschland noch in Kenia, was den Vergleich von vorhandenen und gesichteten Talenten angeht. Aber darauf kommt es auch nicht an; das existierende Missverhältnis ist hier entscheidend. Genau dieses Missverhältnis ist der Ursprung allen Übels und die Hauptursache für die fehlende Breite und zum Teil auch Spitze bei den weißen Läufern. Deutschland steht hier natürlich nicht allein. Man braucht nur zu den ehemals den Ton angebenden Nachbarn nach England oder Irland schauen. Alle haben die gleichen sozialen Probleme.
Trotz alles anderer als ideale Bedingungen sind die Kenianer also deutlich im Vorteil. Nun weiß jeder, dass es in Afrika und speziell auch Kenia eine Bevölkerungsexplosion gegeben hat. Was genau bedeutet das? Doppelt so viele Kinder, doppelt so viele Talente die in ein paar Jahren den gesamten Lauf noch mehr beherrschen werden?
Eines steht für mich fest, um diesen Punkt erst einmal abzuschließen – unser Problem liegt keinesfalls in für die Entwicklung von Weltklasseläufern fehlenden Bedingungen wie Hőhe, Klima, Ernährung oder Laufstrecken. Ein Talent kann die absolute Weltspitze erreichen ohne Deutschland jemals verlassen zu haben. Damit sage ich nicht, dass man zum Training nicht auch in andere Länder fahren kann oder soll, aber man darf das Pferd nicht von hinten aufzäumen nur weil man diese Zwangsvorstellungen im Kopf hat. Ein Grund könnte zum Beispiel sein, eine starke Gruppe zu suchen und sich dieser anzuschließen. Ich hoffe, ich kann mit einigen weiteren Erklärungen überzeugen und werde auch Beispiele aus Amerika nennen.
race-news-service.com/Dieter Hogen