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23
12
2013

Weniger Wettbewerb führt zu leichteren Siegen und abnehmenden Anstrengungen im Training - Lothar Pöhlitz ©Athletics Australia

Weniger Wettbewerb führt zu leichteren Siegen und abnehmenden Anstrengungen im Training – Lothar Pöhlitz

By GRR 0

Das sich unsere Teilnehmer an den jährlichen großen Events EM, WM oder OS in einer eigenen Periodisierung befinden ist terminabhängig selbstverständlich und tangiert den Nachwuchs bis zur U23 – von Ausnahmen abgesehen – nicht.

Trotzdem tut sich jährlich immer wieder das Problem einer unzureichend organisierten leistungsfördernden Bahn-Wettkampfstruktur für die zweite Reihe, den zweiten, dritten oder zehnten der Disziplin-Bestenlisten auf die sich von Juni bis August den Lohn für neun Monate Training abholen und sich für den Kader im neuen Jahr mit möglichst hoher Qualität anbieten wollen.

Wenn immer mehr Traditionsveranstaltungen gecancelt werden oder Wettkampfreisen ins nahe Ausland mangels Geld nicht wahrgenommen werden führt das auch dazu dass wöchentlich immer weniger „Sondermeldungen“ von jungen Talenten aus den Landesverbänden transportiert werden. Im Ferien-Trainingslager waren sie auch nicht sonst hätte man bei leichtathletik.de ja mehr Kartengrüße lesen können.

Das im Winter Gelehrte müsste aber öfter phasenweise auf den Prüfstand, die Besten gegeneinander die Rekord- oder Siegtaktik in der Praxis auf den Straßen unseres Landes, in der Hallen- oder Cross-Saison erfolgreich oder weniger erfolgreich üben und die Stärken verstärkt oder die Schwachpunkte dabei erkennbar werden.

Für mehr persönliche Bestleistungen bzw. Individuellen Leistungsfortschritt von Juni – August müssten am besten schon jetzt für 2014 Reserven in der Or-ganisation der Wettkampfleistung erschlossen werden
 

               Über die Wettkampfstruktur noch einmal nachdenken.

 

Die Ergebnislisten der meisten Landesmeisterschaften entschärfen die Problematik auch nicht, vielmehr legen sie immer wieder offen dass da und dort ein/eine Hochbegabte(r) nicht besonders gefordert Landesmeister „unter Wert“ wurden. Immer noch zu selten gibt es steigerungsfähige Anschlußleistungen von Talenten näher an der Spitze.

Ein unterschätzter „Lehrauftrag“ für später ist im Sommer Wettkampferfahrungen zu sammeln und immer wieder zu überprüfen ob Läufer oder Läuferin wirklich schon auf hohem Niveau spurten kann, auf Tempowechsel auch in anspruchsvollen Rennen vorbereitet sind oder ob er/sie bereit sind einmal in weniger wichtigen Wettkämpfen nicht nur „vornwegzulaufen“ sondern offensiv Tempo zu machen. Der Vorteil für sie wäre dass sie auch noch sehr gut „trainiert“ hätten.

Man könnte in den Landesverbänden auch einmal darüber nachdenken dass sich der „Lehrauftrag der Landestrainer“ auch in organisierten Rennen des Nachwuchses widerspiegelt, die neuen persönlichen Bestleistungen die Leidenschaft für das mehr im kommenden Herbst-/Winter–Training stärker herausfordert.

Positive Erfahrungen haben einige wenige schon einmal bei einer U20 – EM oder U23-WM  gemacht, als er/sie im Finale grenzwertig gefordert plötzlich zu einer tollen persönlichen Bestleistung in der Lage war. Dies lässt doch den Schluß zu dass wir auch unseren Nachwuchs in Zukunft durch eine veränderte Wettkampfpraxis mehr gefordert schneller voran bringen könnten.

Möglichst früh im Herbst/Winter sollten Mittelstreckler und auch 5000 m Läufer darüber nachdenken was man in der nächsten Hallensaison oder im nächsten Sommer besser vorbereitet gegen Konkurrenz überprüfen kann damit die Bemühungen vor allem derjenigen die einen großen Schritt zugelegt haben im Sommer auch mit neuen schönen persönlichen Bestleistungen und Siegen belohnt werden.

 

In der Organisation der Wettkampfleistung gibt es weiter Handlungsbedarf

 

Trotz der Fortschritte mit denen vor allem unsere jungen Mittelstrecklerinnen und Homiyu Tesfaye oder Arne Gabius in den beiden letzten Jahren allen wieder Mut gemacht haben dass sich harte Arbeit lohnt, hat sich in den „Prüfungen der Wahrheit“, bei den Internationalen Jahreshöhepunkten gegen die „Ausgebufften“ gezeigt, das in der Ausbildung noch Taktik-Aufgaben offen geblieben sind, die sportliche Form oder die Zeit davor oder die Leistung oder die Wettkampferfahrung nicht ausreichten um vom Podium nach Hause zu winken.

Da haben sie sich selbst oder wurden im Vorfeld schon leichtfertig dem Bereich der Besten zugeordnet obwohl es an Wunder gegrenzt hätte, wenn sie die bereits 1-2 Klassen besseren, die schon in IAAF-Challenge-Wettbewerben oder in Champions-League-Rennen auch mit Niederlagen leben mussten, besiegt hätten. Die Ergebnisse zeigen dass das Wissen um nötige Vorleistungen um in solchen Rennen nur erst einmal einen Startplatz zu bekommen immer noch nicht ausreichend ist.

 

                         Auch etwas mehr Demut könnte voran helfen


Von Veranstaltern wird nicht selten beklagt dass die ersten Fragen die mit einer Wettkampfmeldung verbunden werden die nach dem Startgeld und dem „pacemaker“ sind, mit den gemeldeten persönlichen Bestleistungen „geschummelt“ wird und wenn es nicht für einen Platz im 20er-Feld des besten 1500 m Rennens passte bleibt man eben einfach weg.

Es ist wohl Zeit auch einmal das individuelle Anspruchsniveau zu überdenken – das angedachte Preis-Leistungsverhältnis entspricht nicht mehr den Maßstäben der internationalen Entwicklung in den letzten Jahren. Inzwischen gilt auch schon in den Jugendklassen das Hauptziel zuerst der „Kadernormerfüllung“.

Die Bundestrainer interessiert aber auch wie oft er/sie in dieser Saison gewonnen haben, ob er/sie täglich trainieren, ob die angepeilten Fortschritte auf der Unterdistanz, der Überdistanz oder der Spezialstrecke erfüllt sind und ob sie das ganze überhaupt richtig wollen neben den vielfältigen Anforderungen außerhalb des Trainings.

Für die Olympische Leichtathletik werden die Harrers, Sujews, Krauses oder Gabius gebraucht deren Vorzüge darin bestehen bei einer EM, WM oder OS erfolgreich sein zu  w o l l e n! Für die C-Kaderathleten – unseren besten Nachwuchs – sollte das Streben weitergehen als nur um einen vorderen Platz in der Deutschen Bestenliste.

Viele talentierte Athleten die den Sprung in die internationale Spitze geschafft haben wurden schon in der Jugend – auf Grund ihrer Anlagen – Ausdauer-Typ oder Schnellkraft-Typ – ihrer späteren Spezialstrecke zugeordnet und entsprechend ausgebildet. Die Unterdistanzleistungsfähigkeit entscheidet dabei über die Zuordnung. Sie übertrafen schon früh das Niveau der gleichaltrigen Jugendlichen auffällig.
      
„Weniger Wettbewerb führt zu leichteren Siegen oder guten Platzierungen auf einem niedrigeren Niveau. Leichtere Siege führen zu abnehmenden Anstrengungen im Training. Deshalb ist es an der Zeit, den Überlegungen zu  mehr Anstrengungen im Training neue Überlegungen zu einem wirksameren Nachwuchswettkampfsystem für alle anzufügen.

Dabei muss mit dem Wort System systematisch im Sinne der Unterstützung des Leistungsfortschritts und Aus-bildung aller Altersklassen verbunden sein. Der Aufbau von umfassenden Leistungsvoraussetzungen muss sehr früh beginnen. Dafür ist keineswegs der DLV allein, sondern sind auch die Landesverbände zuständig“ (Pöhlitz 2009)

„Wenn Spitzenverbände die Richtlinienkompetenz für die Trainingskonzepte haben, fällt ihnen auch die konzeptionelle Verantwortung für die Ausgestaltung von Wettkampfsystemen zu. Jedoch kann das nur im Zusammenspiel mit den Landesfachverbänden geschehen“ (ROST 1993)

Es macht Hoffnung das sich DLV-Präsident Clemens Prokop auf dem DLV-Verbandstag 2013 auch dieser Problematik annahm und seinen Mitarbeitern diese Aufgaben so mit auf den Weg gab:
 „Aus diesem Grund setzte ich mich auch dafür ein, dass wir den Verlust an Meetings bekämpfen. Wir müssen die vorhandenen Meetings stärken und auch inhaltlich stützen. Auch mit Blick auf Athleten, die nicht bei den ganz großen Sportfesten starten können, denn ohne Wettkämpfe ist die Gefahr groß, dass sie die Lust an der Leichtathletik verlieren“.

 

Gemischte Rennen haben die Frauen vorangebracht – Besser als in Wettkämpfen kann man nicht trainieren.

 

Ein Beitrag zum Leistungsfortschritt wurde dadurch erreicht dass den Frauen und der weiblichen Jugend die Möglichkeit eingeräumt wurde in Männer- bzw. Rennen der männlichen Jugend zu laufen die ihrem Leistungsniveau entsprechen. Frauen die sich für EM, WM oder Olympische Spiele qualifizieren sollen oder auch junge Talente, die bei den U-18 oder U-20 EM/WM in den Finals bestehen sollen sind die Ausnahmen, haben in ihren Klassen in der Regel keine Gegner und finden derzeit in Deutschland kaum Rennen in denen sie grenzwertig gefordert werden, in denen sie Geschwindigkeiten laufen müssen die auch den Zielen des Verbandes nahe sind.

Dabei kann es nicht immer nur um Qualifikationen gehen, sondern auch um Ausbildung, um Erfahrungen mit wichtigen Belastungen, notwendige grenzwertige Reize als Voraussetzungen für ihre Weiterentwicklung, für neue Anpassungen die im Training kaum möglich sind. Besser als in anspruchsvollen Wettkämpfen kann man nicht trainieren. Dabei ist wichtig nicht zu übersehen dass bei EM, WM und OS keine gemischten Rennen stattfinden.

Die positiven Erfahrungen der Frauen sollten auch zu Überlegungen zur Beschleunigung des Leistungsfortschritts durch höhere Wettkampfanforderungen für den männ-lichen Nachwuchs, vor allem auch auf den Langstrecken führen, die in ihren Altersklassen dominieren, in ihrer Entwicklung anderen in der Regel um 2 Jahre voraus sind.

Talente sollten ihrem Leistungsniveau entsprechend früher in höheren Alterklassen bzw. bei den Erwachsenen starten oder die Läufe bei den Landesmeisterschaften zukünftig nach dem Leistungsprinzip (z.B. Jugend B, Jugend A, Junioren gemischt) zusammengestellt werden.

               

Reserven in der Organisation der Wettkampfleistungen erschließen

 

Durch eine veränderte Organisation der Wettkampfleistung könnten Reserven zur Unterstützung der Leistungsentwicklung erschlossen werden. Neben verlässlichen pacemakern im Erwachsenenbereich, die die Aufgabe auch gut erfüllen können, würden auch die gegenseitigen Hilfen und Teamwork den individuellen Leistungs-fortschritt des Nachwuchses unterstützen, die Wirkung von Wettkämpfen zur schnel-leren Entwicklung der wettkampfspezifischen Leistungsfähigkeit verstärken. Jeder Lauf – auch die 2./3./4. einer Veranstaltung –  könnte besser „organisiert“ werden ohne dem Nachwuchs immer gleich durch einen pacemaker die Arbeit abzunehmen.

Die Kaderathleten wären dem DLV-Management für mehr Hilfen in dieser Richtung bestimmt sehr dankbar. Wenn unsere Besten gerade zur EM, WM oder OS unterwegs sind muß der organisierte Wettkampfbetrieb für alle anderen Mit-tel- und Langstreckler zumindest bis Mitte August gut organisiert weitergehen, auch weil sich allmählich durchsetzt dass das neue Trainings- und Wettkampfjahr – wenn Talente Leistungsrückstände minimieren wollen –  bereits wieder in der ersten Sep-temberwoche beginnt.

„Die Nachwuchsleistungsaufgaben eines Verbandes sind nur dann zu erfüllen, wenn für alle Leistungsbereiche des Nachwuchses ausreichende, und in den Altersklassen qualitativ gute Wettkämpfe sinnvoll platziert und gut organisiert angeboten werden“ (Pöhlitz 1986)

 

Lothar Pöhlitz

 

Leichtathletik Coaching-Academy

 

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author: GRR

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