Dr. Dr. med. Lutz Aderhold - Warum Laufen? - Vom Wohlstandssyndrom zur Fitness ©privat
Warum Laufen? – Vom Wohlstandssyndrom zur Fitness – Dr. Dr. med. Lutz Aderhold
Unsere frühen Vorfahren mussten als Jäger und Sammler täglich laufen, um an Nahrung zu gelangen. So hat uns die Evolution mit dem Körper und der Physiologie eines Lauftiers ausgestattet (Heinrich 2010). Laufen ist grundsätzlich leicht und die natürliche Fortbewegung des Menschen. Unsere heutige Zeit aber ist gekennzeichnet von Bewegungsmangel und dessen Folgeerkrankungen der modernen Zivilisationsgesellschaft.
Neue Studien (Leyk et al. 2008) haben gezeigt, dass gesundheitlich ungünstige Lebensgewohnheiten sich zunehmend früher etablieren. Bei Kindern und Jugendlichen haben Übergewicht und Bewegungsmangel deutlich zugenommen. Besonders bei 20- bis 25-Jährigen verstärken sich diese gesundheitlich ungünstigen Merkmale.
Bei den 25-jährigen Männern sind 50% übergewichtig, 60% rauchen und rund ein Drittel ist sportabstinent. Von den 16- bis 25-jährigen Frauen sind zwar nur 25% übergewichtig, jedoch sind Frauen wesentlich seltener sportlich aktiv. Nur ein Viertel aller Frauen und Männer weist keine Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen auf. Den schleichenden Prozess zur Wohlstandskrankheit (metabolisches Syndrom) durchlaufen in diesem Land mittlerweile die Mehrheit der Menschen.
Laufen ist hervorragend geeignet zur Prävention und Behandlung von Bewegungsmangelkrankheiten wie Störungen des Herz-Kreislauf-Systems, des Stoffwechsels, des Bewegungsapparates und des vegetativen Nervensystems sowie zur Steigerung der Lebensqualität. Durch die Vernetzung der verschiedenen Funktionssysteme hat Laufen einen ganzheitlichen Heileffekt wie er vielen Regulationsverfahren zugeschrieben wird. Laufen bewegt und bringt Vieles in Bewegung, was durch Inaktivität blockiert wurde.
Entspanntes Laufen – im eigenen Rhythmus ohne außer Atem zu kommen – hat meditativen Charakter, bringt Energien zum fließen und verbindet Körper und Geist. Hier kann man durchaus eine Verbindung zu den fernöstlichen Bewegungsübungen des Yoga, Tai-Chi und Qi-Gong sehen (Aderhold und Weigelt 2012).
Es gilt als bewiesen, dass Langläufer weniger Bewegungsmangelkrankheiten haben, auch im Alter noch leistungsfähig sind, weniger zu Depressionen neigen und eine längere Lebenserwartung besitzen. Ausdauersport ist das wirksamste „Medikament" gegen die Hauptfeinde eines langen Lebens: Bluthochdruck, Zigarettenrauchen und Bewegungsmangel. Bei Ausdauersportlern ist auch weniger häufig ein Krankenhausaufenthalt erforderlich, sie werden nicht nur älter, sie sterben offensichtlich auch gesünder.
Nur mit ausreichend Bewegung, guter Ernährung und den richtigen Gedanken haben Sie Zugang zu mehr Gesundheit. Regelmäßige körperliche Aktivität durch Ausdauersport senkt die kardiovaskulären Risikofaktoren Bluthochdruck, Fettstoffwechselstörung, Diabetes mellitus, Übergewicht (in Kombination auch als metabolisches Syndrom – „Wohlstandssyndrom" bezeichnet) und stellt bei Erkrankung eine effektive, preisgünstige und nebenwirkungsarme Therapie dar (Berg und König 2005, von Stengel et al. 2009). Außerdem kommen als Nebeneffekt noch günstige Einflüsse hinsichtlich Osteoporose, Depressionen, Abfall der Gehirnleistung sowie Brust- und Dickdarmkrebs hinzu. Es konnte gezeigt werden, dass Ausdauertraining eine Zunahme der grauen und weißen Gehirnsubstanz bewirkt.
Unter gesundheitlichen Aspekten ist ein wöchentliches Ausdauertraining zu empfehlen, das einen Verbrauch von 2.000 kcal bewirkt, was ungefähr einer Strecke von 30 km entspricht (Gesundheitsläufer). Der erreichbare Fitnessgrad ist durch Lauftraining gegenüber Walking höher und auch mit weniger Zeitaufwand erzielbar. Walking verbraucht in gleicher Zeit nur ungefähr halb so viel Energie (Kilokalorien) wie Laufen. Zusätzlich sollte zwei Mal in der Woche ein Kraft- und Flexibilitätstraining durchgeführt werden, um neben der Ausdauer auch die Muskelkraft und Beweglichkeit zu verbessern. Damit wird ein Zustand erreicht, den man landläufig als Fitness bezeichnet, eine gute Leistungsbereitschaft im physischen und psychischen Bereich. Die Durchführung eines regelmäßigen Trainings jenseits des 40. Lebensjahres bedingt eine funktionelle Verlangsamung des Einflusses von Alterungsvorgängen und gestattet Ihnen gewissermaßen „20 Jahre lang 40 Jahre alt zu bleiben" (Hollman und Strüder 2009).
Laufen ist eine einfache, effektive und kostengünstige Methode, um sich fit zu halten.
Laufen ist eine grundlegende physiologische Handlung menschlichen Seins und dazu benötigen wir keine Anleitung, keinen Kurs und auch keine besondere Lifestyle-Ausrüstung. Laufen ist überall und jederzeit unabhängig von Sportanlagen in jedem Lebensalter möglich. Außerdem ist Laufen eine umweltverträgliche Sportart.
Laufen kann seine positiven Wirkungen besonders dann entfalten, wenn man es im persönlichen Rhythmus betreibt und die Bewegung bewusst genießt. Ausdauertraining durch Laufen soll nämlich nicht erschöpfen, sondern erfrischen, erholen und eine wohlige Müdigkeit erzeugen. Laufen ist ein einfaches Heilmittel, Krankheiten zu vermeiden sowie die Gesundheit und das Wohlbefinden zu verbessern.
„Gesundheit ist gewiss nicht alles, aber ohne Gesundheit ist alles nichts" (Arthur Schoppenhauer).
Motive für das Laufen
Neben Fitnessaspekten ist die Motivationslage für ein regelmäßiges Lauftraining aber auch durchaus vielschichtig. Die Gründe liegen natürlich zum einen im sportlichen und gesundheitlichen Bereich, zum anderen aber auch im Erlebnischarakter, der Freizeitgestaltung und auch soziale Aspekte werden häufig angegeben:
Gründe für ein regelmäßiges Lauftraining
Sport und Gesundheit
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Erlebnis und Freizeitgestaltung |
Soziale Gründe |
Gesundheit verbessern bzw. erhalten
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Ausgleich zum Alltag
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Kommunikation, soziale Kontakte
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Fitness verbessern
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Spaß an der Bewegung
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Geselligkeit, Freundschaft
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Übergewicht abbauen
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Entspannung und Aktivierung
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Gemeinsames Erlebnis
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Bewegungsmangel
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Seelisches Gleichgewicht |
Unter Gleichgesinnten sein
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Zielgerichtetes Training |
Naturverbundenheit
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Erfahrungsaustausch
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Eigene Grenzen erleben
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Den eigenen Körper spüren
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Familienausflüge |
Sportliche Ziele erreichen
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Die Einsamkeit und Ruhe genießen
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Neue Städte kennen lernen |
Sich im Wettkampf beweisen |
Nachdenken können, sich ablenken, meditieren
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Flexibilität und Unkompliziertheit |
Stress abbauen |
Selbstvergessenheit, tagtraumähnlicher Zustand
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Preiswerter Sport |
Rat des Arztes |
Stagnationen überwinden, Lösungen finden
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Umweltverträglichkeit |
„Je restriktiver unsere Arbeit und unsere Gesellschaft werden, desto größer wird die Notwendigkeit, ein Ventil für dieses Verlangen nach Freiheit zu finden" (Sir Roger Bannister – lief 1954 als erster Mensch die Meile unter 4 Minuten).
Eine Studie von ASICS ergab, dass Fitness der am häufigsten genannte Beweggrund für das Laufen darstellt, gefolgt von „Gewicht verlieren" und „zum Spaß".
Vielleicht haben Sie ja Ihre eigene ganz individuelle Motivation.
Dr. Dr. med. Lutz Aderhold
Literatur:
Aderhold L, Weigelt S. Laufen! … durchstarten und dabeibleiben – vom Einsteiger bis zum Ultraläufer. Stuttgart: Schattauer 2012.
Berg A, König D. Aspekte zur Pävention und Therapie von Fettstoffwechselstörungen unter besonderer Berücksichtigung des metabolischen Syndroms. Dtsch Z Sportmed 2005; 56:74-82.
Heinrich B. Laufen. Geschichte einer Leidenschaft. Berlin: List 2010.
Hollmann W, Strüder HK. Sportmedizin. Grundlagen von körperlicher Aktivität, Training und Präventivmedizin. Stuttgart: Schattauer 2009.
Leyk D, Rüther T, Wunderlich M, Heiß A, Küchmeister G, Piekarski C, Löllgen H. Sportaktivität, Übergewichtsprävalenz und Risikofaktoren. Querschnittsstudie mit mehr als 12500 Teilnehmern im Alter von 16 bis 25 Jahren. Dtsch Arztebl 2008; 105: 793-800.
Stengel von S, Löffler V, Kemmler W. Körperliches Training und das 10-Jahres-CHD-Risiko bei Frauen über 65 Jahren mit metabolischem Syndrom. Dtsch Z Sportmed 2009; 60: 281-7.
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Das Buch von Aderhold/Weigelt:
Aderhold/Weigelt: Laufen! Die Buchvorstellung aus dem Schattauer Verlag