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Von guten Managern und anderen – Ein Blick hinter die Kulissen der Leistungs-Laufszene – Von Jürg Wirz
Im Moment gibt es 239 vom internationalen Verband IAAF anerkannte Manager. Daneben tummeln sich die „Wilden“.
Nicht allen geht es dabei ums Wohl der Athleten.
Wer Athleten bei Veranstaltern und Sponsoren vertreten will, muss einen Antrag an den entsprechenden nationalen Verband stellen. Wenn dieser das Gesuch akzeptiert, folgt der nächste Schritt: eine Prüfung. Der Möchtegern-Manager muss 48 Fragen beantworten, die mit der Leichtathletik im Allgemeinen, mit den IAAF-Veranstaltungen, den Wettkampfregeln, den Doping- und Werbebestimmungen sowie dem Verhaltenskodex zu tun haben.
Ganz so schwierig ist die Sache allerdings nicht: Es stehen Mehrfachantworten zur Auswahl. Die Prüfung wird von der IAAF begutachtet und gilt als bestanden, wenn mindestens drei Viertel der Antworten richtig sind. Zudem muss eine Haftpflichtversicherung vorgelegt werden oder eine Bankgarantie über 30 000 Dollar, begleitet von einer Erklärung, dass damit im Streitfall Forderungen von Dritten beglichen würden.
Sobald alles erledigt ist, kann der „Athletes’ Representative“ damit beginnen, Athleten unter Vertrag zu nehmen. Und zwar für ein Kalenderjahr. Nach einem Jahr unterschreibt der Athlet für weitere zwölf Monate oder er sucht einen neuen Manager. Der Manager organisiert die Rennen, verhandelt mit den Veranstaltern die Startgagen und kassiert für seinen Aufwand in der Regel 15 Prozent aller Start- und Preisgelder, bei Werbeverträgen sind es bis zu 20 Prozent.
Dazu werden auch Reise- und Unterkunftsspesen verrechnet, sofern diese nicht vom Veranstalter übernommen werden. Die IAAF-Lizenz als autorisierter Athletenvertreter muss alle vier Jahr erneuert werden. Mit diesen Regeln will der internationale Verband verhindern, dass „wilde Manager“ ihr Unwesen treiben.
Das Geschäft ist härter geworden
Unter den 239 autorisierten Managern sind vielleicht zehn Prozent, welche die Topstars unter Vertrag haben und gutes Geld verdienen. Der Holländer Jos Hermens, der Russe Pavel Voronkov und die beiden Italiener Gianni Demadonna und Federico Rosa gehören dazu; sie arbeiten mit weit mehr als 100 Athleten. Demadonna begann vor 25 Jahren und schwärmt von dieser Zeit:
„Damals kümmerten sich vielleicht fünf oder sechs Manager um die Kenianer. Alles war viel überschaubarer und einfacher. Heute sind es fünf- oder sechsmal mehr, es ist ein knallhartes Geschäft geworden, in dem sich leider auch viele schwarze Schafe tummeln. Kommt hinzu, dass der Kuchen in den letzten Jahren kleiner geworden ist. Auf der Strasse, vor allem im Marathon, ist immer noch gutes Geld zu verdienen, aber in Europa sind in den letzten Jahren etwa 20 Veranstaltungen verschwunden, andere haben das Budget drastisch reduziert. Auf der Bahn kann zum Beispiel auch einer wie Hindernisläufer Jairus Birech, obwohl er die Diamond League-Serie gewonnen hat, nicht reich werden.“
Beklagen will sich der 61-jährige Italiener aber nicht. Er hat, wie in den besten Jahren, immer noch 150 Athleten unter Vertrag, und zwar in Kenia, Äthiopien, Uganda, Italien, Polen und der Ukraine. Fünf Leute arbeiten für ihn im Büro in Trento, dazu zwei für die Trainingsprogramme. In Kenia und Äthiopien sind Coaches und Physiotherapeuten angestellt, ein Koordinator und mehrere Scouts. In beiden Ländern hat „Demadonna Athletic Promotions“ eigene Trainingscamps und auch die neusten Tecar-Physiogeräte.
Trotz dieser finanziell aufwändigen Infrastruktur hat sich Demadonna schon vor Jahren einen Zweitwohnsitz in Nizza leisten können.
Bolt kommt auf 23 Millionen Dollar
Um in diesem Business Erfolg zu haben, braucht es auch keine 150 Athleten – wenn man die richtigen hat. Der 41-jährige, in Teddington bei London lebende Ricky Simms, ein Ire mit Mittelstrecken-Vergangenheit, begann im Jahre 2000 für KIM Sports Management zu arbeiten. Als der Gründer Kim McDonald ein Jahr später starb, startete Simms mit seiner eigenen Agentur „Pace Sports Management“ und übernahm Usain Bolt, der via Puma mit McDonald bereits einen Vorvertrag hatte.
Der Superstar aus Jamaika kam im letzten Jahr laut Forbes auf ein Einkommen von 23,2 Millionen Dollar. Auch wenn da einiges an Steuern abgeht, bleibt für den Manager ein fetter Betrag übrig. Dass Ricky Simms auch noch Mo Farah in seinem Stall hat, macht ihn in der Branche zum Topverdiener.
Der Schwede Ulf Saletti hat nur drei Athleten unter den Top 30, darunter mit Genzebe Dibaba aber die im Moment weltbeste und best verdienende Läuferin.
Seit 1987 ist der Deutsche Volker Wagner im Geschäft. Er wirbt seine Läufer ausschliesslich in Afrika an und bringt sie dann in ein paar Bungalows in einer ehemaligen Feriensiedlung in Detmold am Fusse des Teutoburger Walds unter. In seinen besten Jahren hatte der pensionierte Hauptschullehrer bis 40 Athleten unter Vertrag, darunter auch Tegla Loroupe, jetzt sind es noch 17.
Und das hat seinen Grund, wie Wagner ziemlich verbittert erklärt: „Es gibt zu viele Manager, und ausgerechnet jene, die am meisten Dopingfälle haben, dominieren die Szene. Ich habe schon oft mittelmässige Läufer nach Deutschland geholt. Wenn sie dann ein gewisses Niveau haben, werden sie von den sogenannt Grossen mit einer entsprechendem Geldbetrag geködert und abgeworben. So macht das Ganze keinen Spass.“
Weltklasse Zürich: Guter, persönlicher Kontakt
Alle IAAF-Bahnmeetings und die grossen Strassenläufe und Marathons arbeiten ausschliesslich mit autorisierten Managern zusammen. Und fahren sehr gut damit. Das beste Beispiel: Weltklasse Zürich. Andreas Hediger, als Nachfolger von Patrick Magyar seit diesem Jahr für die Athletenverpflichtung verantwortlich, allerdings schon seit 1991 im OK, sagt:
„Wie in jedem Business gibt es auch unter den Managern sehr unterschiedliche Charaktere und Typen. Nicht alle gehen beispielsweise mit der gleichen Strategie in die Startgeldverhandlungen. Grundsätzlich kann man aber sagen: Wir pflegen einen sehr guten und persönlichen Kontakt zu den Managern. Wir bieten den Athleten bei Bedarf auch medizinische Betreuung an oder helfen bei der Organisation von Trainingslagern. In der Manager- und Athletenumfrage, die bei allen Diamond League-Meetings durchgeführt wird, nimmt Weltklasse Zürich seit Jahren den Spitzenplatz ein.“
Mit allen Managern, die Athleten schicken, werden Rahmenverträge abgeschlossen. Für jeden Athleten gibt es dann ein sogenanntes Term Sheet, in dem Startgelder, allfällige Prämien und vom Athleten erwartete Gegenleistungen (z.B. Präsenz an Events im Zusammenhang mit dem Meeting) geregelt werden. Weltklasse Zürich ist weltweit auch das einzige Meeting, das jedem Athleten, der im Hauptprogramm startet, ein Startgeld von mindestens 1000 Dollar bezahlt.
Auch die grossen Strassenläufe setzen in der Regel auf autorisierte Manager.
Der Schweizer Markus Ryffel, bei den Top-Veranstaltungen Grand Prix von Bern, Greifenseelauf und Schweizer Frauenlauf für die Verpflichtung der Athleten verantwortlich, ging einem Manager aber trotzdem einmal fast auf den Leim. „Es war anfangs der Neunzigerjahre“, erinnert sich der Olympiazweite von 1984. „Da wurde mir in einem Telefonat aus Marokko Said Aouita angeboten. Ich gab dann zur Antwort, ich möchte selbst mit ihm reden, schliesslich kannte ich ihn noch von meiner Aktivzeit. Das gehe nicht, wurde mir gesagt, Aouita könne weder Französisch noch Englisch. Irgendwie kam mir das Ganze spanisch vor, hatten wir früher doch hin und wieder ein paar Worte auf Französisch gewechselt. In der Not wandte ich mich an Res Brügger, damals Meeting-Direktor in Zürich. Und da stellte sich nun heraus, dass man mir einen unbekannten Läufer mit dem gleichen Namen unterjubeln wollte.“
Besonders clevere Möchtegern-Manager wählen oft auch einen anderen Weg: Sie melden die Athleten ganz normal an und bezahlen das Startgeld.
Die schwarzen Schafe
Es gibt in diesem Business auch skrupellose Figuren, die vor nichts zurückschrecken. Bekannt geworden ist der Fall des Franzosen Jean Conrad, selbst einmal nationaler Langstreckenmeister. Er hatte 15 kenianische Athleten in einer 55 Quadratmeter grossen Wohnung untergebracht. Es gab keine Dusche und – es war Winter – auch keine Heizung. Für die vier Läuferinnen und elf Läufer gab es nur vier Stühle und zwei Tische, die Küche war verschlossen.
Für die 200 Euro Monatsmiete, die er seinen Schützlingen abknöpfte, stellte er Matratzen zur Verfügung, die in zwei kleinen Zimmern verteilt waren. Evans Cheruiyot war der Beste im Team. Er hatte die 20 Kilometer von Paris gewonnen, von seinem Preisgeld aber nie einen Cent gesehen. Conrad wurde von einem Gericht in Strassburg schliesslich zu drei Monaten Gefängnis und einer Geldstrafe von 8000 Euro verurteilt.
Oder der Fall des 26-jährigen Evans Korir. Sein Manager, der in Vettelschoss bei Bonn lebende Marokkaner Brahim Chalgoum, liess Korir allein im April 2014 sechs Rennen laufen, meist über die Halbmarathondistanz. Dabei kann man auf der Webseite von „BC Running“ lesen: „Gemäss unserem Motto ‚Fair geht vor’ steht bei uns der Athlet im Mittelpunkt.“ Ein Hohn. Die Bezeichnung „moderne Sklaverei“ wäre wohl treffender.
Leider ist Chalgoum, insbesondere wenn es um kleinere Strassenläufe geht, keine Ausnahme. Gianni Demadonna sagt es so: „Es gibt in Ostafrika mehrere tausend Läufer, die nur darauf warten, nach Europa reisen zu können.
In vielen Fällen werden die Athleten verheizt und abgezockt. Die Veranstalter sollten diese schwarzen Schafe viel konsequenter boykottieren. Sie sind eine Beleidigung für alle seriös arbeitenden Manager.“
Jürg Wirz in LAUFZEIT&CONDITION – Nr. 12 / Dezember 2015
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