Vitamintabletten: Mehr Schaden als Nutzen – Dr. med. Dieter Kleinmann
Nahrungsergänzungsmittel, vor allem Vitaminpillen werden überall angepriesen. Der Glaube daran ist unerschütterlich. Sie sollen beispielsweise gegen Krebs und Herzinfarkt schützen. Die Verkaufszahlen sind enorm.
Der hohe Energieumsatz von Ausdauersportlern mit dem vermehrten Anfall von freien Radikalen soll krebsfördernd sein. Daher sei die zusätzliche Einnahme von antioxidativ wirkenden Vitaminen wie z. B. Vitamin E zur Neutralisierung der freien Radikale unabdingbar.
Herstellerfirmen von Vitaminpillen sponsern entsprechende Vorträge. Gezielt für Werbeveranstaltungen ausgewählte Referenten ziehen durch die Lande. Positive Presseartikel werden lanciert und Werbeanzeigen in den Medien veröffentlicht.
Renommierte wissenschaftliche Fachzeitschriften sind allerdings bereits dazu übergegangen, von den Autoren eine Offenlegung eventueller Interessenkonflikte zu verlangen, z. B. Sponsoring durch eine Pharmafirma.
Doch wie kann der einfache Breitensportler erkennen, ob die Aussagen seriös und vertrauenswürdig sind? Das ist für den Laien äußerst schwierig. Am 3.3.2010 kam zu dieser Thematik im SWR-Fernsehen unter „Vitaminfalle“ eine sehr aufschlussreiche Sendung:
https://www.swr.de/betrifft/vitamin-brausetablette-kuenstlich-krebs/-/id=98466/nid=98466/did=5894268/xp9gju/
Einen Tag vor dieser kritischen Fernsehsendung verbreitete der „Fitnesspapst“ Dr. Strunz in einem Newsletter (www.greif.de) einmal wieder seine mittlerweile widerlegte Behauptung, Vitamine können zu 75 Prozent den Dickdarmkrebs verhindern.
Ich bat den Herausgeber des Newsletters, ein Trainer und Sportartikelhändler, auf die Fernsehsendung mit Videoabruf und auf die aktuelle Studienlage mit einem Link hinzuweisen. Danach steigt das Krebsvorkommen durch zusätzliche Einnahme von Vitaminpillen:
https://www.aerzteblatt.de/v4/archiv
Meine Empfehlung, mit einem Link auf die anders lautenden international anerkannten Studien hinzuweisen, wurde energisch abgelehnt. Am 15.3.2010 benutzte Dr. Strunz wieder den Greif-Newsletter als Plattform, jetzt um gegen einen Professor und gegen die Medien in gewohnter Weise zu polemisieren. Der Professor hatte ihn auf eine im November 2009 in der angesehenen englischsprachigen Fachzeitschrift JAMA veröffentlichte Studie hingewiesen, wo eindeutig nachgewiesen wurde, dass eine Behandlung mit Vitamin B 12 und Folsäure das Krebsvorkommen und die allgemeine Sterblichkeit erhöht!
Dr. Strunz stellte nun den Professor und die über die Studie berichtenden Medien als Lügner dar. Er selbst habe sich die JAMA-Veröffentlichung besorgt. Darin sei gestanden, dass Vitamin B12 und Folsäure nicht Krebs und die Sterblichkeit fördern. Doch wer sich die Mühe macht und wenigstens die Original-Zusammenssung liest, der kann den Professor bestätigen. Dort heißt es eindeutig: “Treatment with folic acid plus vitamin B(12) was associated with increased cancer outcomes and all-cause mortality”.
Zu deutsch: “Behandlung mit Folsäure und Vitamin B 12 war mit erhöhtem Krebs-Vorkommen und erhöhter Sterblichkeit aller Ursachen verbunden”. Wer sich für die Studie interessiert, den englischen Titel bei Google eingeben und Click auf „suche“: Ebbing M et al.: Cancer incidence and mortality after treatment with folic acid and vitamin B12. JAMA. 2009 Nov 18;302(19):2119-26.
Was kann der Läufer aus dieser Schilderung lernen? Auch bei angesehenen Trainern oder anderen Persönlichkeiten ist nicht immer ein blindes Vertrauen angebracht, vor allem dann nicht, wenn gleichzeitig bestimmte Artikel verkauft werden. Möglicherweise liegt in unserem Fallbeispiel bei dem strikt abgelehnten Linkhinweis auf aktuelle Studien eine Meinungsmanipulation im Rahmen eines Interessenkonfliktes vor.
Besondere Vorsicht ist geboten, wenn in populistischer und polemischer Weise eine Meinung vertreten wird. Wie dem auch sei, Vitaminpillen schützen nicht vor Krebs, im Gegenteil, sie können sogar Krebs provozieren.
Unbestritten ist in der Schulmedizin, dass bei einem Vitaminmangel, z. B. Vitamin D-Mangel, die Einnahme eines solchen Vitamins notwendig ist.
Dr. Dieter Kleinmann
Internist/Sportmedizin
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