Die genetischen Eigenheiten der Tumorzellen berücksichtigen: Professor Josef Jiricny © Lena Serck-Hanssen
Universität Zürich – UZH – Charles Rodolphe Brupbacher Symposium – Jeder Krebs hat sein eigenes Gesicht – Lena Serck-Hanssen
Jede Krebserkrankung hat ihre eigene genetische Prägung. Entsprechend zeigen individuelle Krebstherapien mehr und mehr Erfolg. Über diese «personalisierte Krebsmedizin» berichtete UZH-Professor Josef Jiricny am diesjährigen Charles Rodolphe Brupbacher Symposium.
In dessen Rahmen wurde gestern auch der Brupbacher Preis an Irving L. Weissman und Joan Massagué vergeben.
So wie wir alle verschieden sind, ist auch jede Krebserkrankung einzigartig, betonte Josef Jiricny, Professor am Institut für Molekulare Krebsforschung der UZH, in seinem Referat am Mittwochabend.
Gesunde Zellen und entartete Krebszellen eines einzelnen Menschen basieren auf demselben genetischen Material, derselben DNA, und unterscheiden sich deshalb von gesunden Zellen und Krebszellen anderer Individuen.
In Krebszellen ist die ursprüngliche DNA jedoch durch Mutationen derart verändert, dass sich die Zellen unkontrolliert vermehren.
Diese unkontrollierte Vermehrung ist die einzige wirkliche Gemeinsamkeit aller Krebserkrankungen. Normalerweise werden diese Amokläufer-Zellen vom körpereigenen Kontrollsystem kurzerhand eliminiert. Bei jeder Zellteilung besteht die Gefahr von Mutationen, die unser eigenes Tumorkontrollsystem ausser Gefecht setzen können. Je älter ein Mensch ist, desto mehr Zellteilungen haben in seinem Körper schon stattgefunden.
Entsprechend grösser ist auch das Risiko, dass eine Mutation einmal zu einer Krebserkrankung führt. Mit der Aussicht, dass wir immer älter werden, besteht gemäss Jiricny deshalb auch die Gefahr, dass die Zahl der Krebsfälle stark zunimmt.
Möglichkeiten der Prävention
Was also ist zu tun? Neben dem Verzicht auf schädliche Einflüsse wie übermässiges Rauchen oder Sonnenbaden bieten sich eine Reihe von Präventionsmassnahmen an wie zum Beispiel die HPV-Impfung gegen Gebärmutterhalskrebs. Da die meisten Krebserkrankungen sporadisch auftreten, kommt der Früherkennung etwa durch eine Darmspiegelung oder einen Gebärmutterhalsabstrich, eine bedeutende Rolle zu.
Daneben sind mehrere Gendispositionen bekannt, die familiär gehäuft vorkommen und mit einem erhöhten Risiko für eine bestimmte Krebsart verknüpft sind. Angelina Jolie ist ein Beispiel dafür: Sie liess sich als Trägerin eines Brustkrebsgens präventiv beide Brüste amputieren.
Schwierige Krebsbekämpfung
Mit den heute zur Verfügung stehenden bildgebenden Verfahren können die chirurgische Entfernung des Tumors und die Strahlentherapie sehr lokal und präzise durchgeführt werden. Bei der Chemotherapie hingegen stellt sich meist das Problem, dass diese mit erheblichen Nebenwirkungen für gesunde, aber ebenfalls schnell wachsende Zellen, einhergeht. Der Dosis-Bereich, in dem ein Medikament wirkt, aber noch nicht schadet, ist oft sehr eng.
Ausserdem kommt es oft vor, dass Krebszellen nur wenig oder gar nicht auf das Krebsmedikament reagieren. Erschwerend ist, dass Tumorzellen nicht in sich homogen sind, sondern sich im Laufe der Zeit weiter entwickeln und so ganze Tumorzellfamilien innerhalb desselben Tumors entstehen, die unterschiedlich auf die Bekämpfungsstrategien der Medizin reagieren können.
Genetische Merkmale erkennen
Hier kommt die personalisierte Krebsmedizin ins Spiel, die die genetischen Eigenheiten der Tumorzellen berücksichtigt. Je nach Individuum, Organ und Tumorzelltyp sind diese unterschiedlich. Mit Hilfe der molekularen Diagnostik können die Gene, die als Hauptakteure bei der Entstehung und Aufrechterhaltung der ganz spezifischen Krebserkrankung wirken, definiert werden.
Können diese Hauptakteure ausser Gefecht gesetzt werden, wird der Tumor geschwächt. Beispielsweise gibt es Brustzellen, die spezifische Rezeptoren auf der Zelloberfläche aufweisen. Bei gewissen Brustkrebsarten weisen Brustzellen sehr viele dieser Rezeptoren auf, die sich auch gegenseitig ohne äussere Einflüsse aktivieren können und dann der Zelle signalisieren, dass sie wachsen und sich vermehren darf. Gegen einen dieser Rezeptoren gibt es bereits Antikörper, die sich auf den Rezeptoren festsetzen und so die Signalübertragung blockieren.
Solche individuell abgestimmten Medikamente können auch verhindern, dass Patienten mit Therapien behandelt werden, die aufgrund der molekularen Voraussetzungen des Patienten gar nicht wirksam sind.
Wichtige Informatik
Wie Jiricny ausführte, braucht es die Zusammenarbeit vieler Spezialisten um die personalisierte Krebsmedizin voranzutreiben. Ihm schwebt deshalb schon lange die Idee eines Comprehensive Cancer Center in Zürich vor. Neben Medizinern, Biologen und Chemikern sind es vor allem auch Informatiker, die helfen, die grosse Menge an Gendaten zu verarbeiten.
Personalisierte Krebsmedizin heisst jedoch nicht nur, die Therapie präziser an Tumore anzupassen. Es geht auch darum, die Therapie an die Patienten anzupassen, die unterschiedlich auf Medikamente reagieren.
Die Charles Rodolphe Brupbacher Stiftung unterstützt die Krebsforschung. Seit 1993 findet alle zwei Jahre an der UZH das internationale Charles Rodolphe Brupbacher Symposium statt, dieses Jahr vom 28. bis 30. Januar 2015. Im Rahmen dieser Veranstaltung wird auch der mit je 100‘000 Franken dotierte Brupbacher-Preis an Wissenschaftler vergeben, die in der Krebsforschung herausragende Leistungen erbracht haben.
Dieses Jahr geht der Preis an Irving L. Weissman von der Stanford University für seine Arbeiten zum Verständnis von gesunden und kranken Stammzellen sowie an Joan Massagué vom Memorial Sloan Kettering Cancer Center in New York für seine Forschung über die Metastasierung. Zudem werden im Rahmen des Symposiums fünf Nachwuchsforschende je mit einem Young Investigator Award ausgezeichnet.
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