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16
02
2011

Ruhetage sind nach langen Läufen der wichtigste Bestandteil einer Marathonvorbereitung

Und wie weit kommen Sie? Das Quiz für Marathonexperten und alle, die es werden wollen. Martin Grüning in RUNNERS WORLD

By GRR 0

 

Ein Marathon ist 42,195 Kilometer lang. Das ist nicht wenig. Wer an die Startlinie geht, sollte sich darüber im Klaren sein, worauf er sich einlässt. Sie haben sich schon für einen Start im Jahr 2011 entschieden? Sie glauben zu wissen, worauf es in der Vor-bereitung ankommt?

Dann sollte es für Sie ein Leichtes sein, die folgenden Fragen richtig zu beantworten. Und wer schon jetzt ganz sokratisch weiß, dass er zum Thema Marathon-Training längst nicht alles weiß, der findet auf den folgenden Seiten komprimiert alles Wichtige dazu. 

1. Richtig oder falsch?

„Ich bin die schnellsten Marathons immer dann gelaufen, wenn ich in der Vorbereitung auf lange, ermüdende Läufe verzichtet habe."

 

Falsch!

 

Der lange Lauf ist die einzige Möglichkeit, sich physisch und psychisch auf die 42-Kilometer-Distanz vorzubereiten. Natürlich laufen Sie in Ihrer ersten Vorbereitungswoche nicht gleich 30 Trainingskilometer am Stück, sondern müssen den langen Lauf vorsichtig ausbauen. Das heißt, dass Sie Woche für Woche einige Kilometer draufpacken.

90 Minuten sollte der lange Lauf mindestens dauern, richtig effektiv ist er laut Expertenmeinung aber erst bei einer -Länge von mehr als 20 Kilometern. Das bedeutet, dass Sie, je nach Leistungsvermögen, bei den längsten langen Läufen zwischen zwei und drei Stunden auf den Beinen sind. Für wenig erfahrene Läufer gilt: Basis für die Festlegung der Strecke beim ersten langen Lauf ist die Dauer des bisher längsten Laufs. Mehr als 15 Prozent länger sollte der erste „Long Jog" nicht sein. Und mehr sollten Sie auch von Mal zu Mal nicht draufpacken.

Beim längsten dieser langen Läufe sollten Sie keinesfalls so lange wie beim Marathon auf den Beinen sein. Ausnahme sind Weltklasseläufer: Wer den Marathon in 2:10 Stunden schafft, ist auch im Training schon mal bis zu drei Stunden unterwegs.

Man braucht übrigens nicht mehr als sieben lange Läufe in der direkten Vorbereitung auf den Marathon, weniger sollten es aber auch nicht sein. Wer behauptet, dass er ohne lange Läufe in der Vorbereitung seine schnellsten Marathons lief, der lügt oder hat in den Marathonvorbereitungen, in denen er lange Läufe gemacht hat, alles andere total verkehrt gemacht.

 

2. Richtig oder falsch?

„In einer Marathonvorbereitung muss man den Kilometerwochenumfang erhöhen, da machen Ruhetage keinen Sinn."

 

Falsch!

 

Ruhetage sind nach langen Läufen der wichtigste Bestandteil einer Marathonvorbereitung. Das betrifft alle Läufer, die langsamer als 2:30 Stunden, und alle Läuferinnen, die den Marathon langsamer als 2:50 Stunden laufen, und das sind schließlich 99 Prozent aller Marathonteilnehmer.

Mehr Training bedeutet nämlich nicht unbedingt auch mehr Leistung. Wenn die Regeneration ständig zu kurz kommt, steigt nicht nur die Verletzungsgefahr, sondern die Vorbereitung endet schnell im unangenehmen und wenig leistungsförderlichen Zustand des „Übertrainings". Stellt man im Training fest, dass man sich ständig müde und schlapp fühlt und schon für ein normales Dauerlauftempo immer mehr Kraft aufbringen muss, dann ist es meist schon zu spät.

Ruhetage beugen diesem Phänomen vor. Durch einen Trainingsreiz wird nämlich das biochemische Gleichgewicht des Körpers gestört, was zu einer kurzfristigen Verringerung der Leistungsfähigkeit führt. In der nachfolgenden Erholungsphase (= Ruhetage) werden die entleerten Energiespeicher aber wieder aufgefüllt. Als Anpassung an den Belastungsreiz reagiert der Organismus mit einer Überreaktion, einer Art Schutzmechanismus vor einer neuerlichen Ermüdung. So wird kurzfristig ein höheres Leistungsniveau erreicht: ein kleiner Leistungssprung. Diesen Vorgang, bei dem die für die Ausdauerleistung wichtigen Energiespeicher (Kohlenhydrate und Fette) wieder aufgefüllt werden, bezeichnet man als „Superkompensation". Die Regenerationsphasen der Energiespeicher dauern etwa 48 Stunden, eine Trainingsbelastung ist also nur an jedem dritten Tag zu empfehlen.

 

3. Richtig oder falsch?

„Auf den ersten Kilometern des Marathons werde ich mir ein Zeitpolster für die zweite Hälfte erlaufen, sonst kann ich niemals das -Optimum herausholen."

 

Falsch!

 

Die goldene Regel für eine ideale Marathon-Renneinteilung lautet: Starte langsam und laufe gleichmäßig. Denn je gleichmäßiger das Lauftempo, desto ökonomischer ist der Energieumsatz und desto geringer der Leistungsabfall zum Streckenende.

Glauben Sie niemals Läufern, die Ihnen weiszumachen versuchen, dass man auf der ersten Streckenhälfte präventiv Zeit gutmachen könnte, die man auf der zweiten Hälfte aufgrund nachlassender Kräfte verliert. Je schneller Sie auf dem ersten Streckenteil laufen, desto mehr Energie verbrauchen Sie natürlich. Und die Energie, die Sie auf der ersten Streckenhälfte verpulvern, gibt Ihnen niemand zurück. Dazu muss man wissen, dass bei einem hohen Lauftempo zuerst und hauptsächlich Kohlenhydrate verbrannt werden. Nur diese lassen eine intensive Belastung überhaupt zu.
Sie stehen dem Körper aber in sehr viel geringerem Umfang zur Verfügung als der zweite Energieträger, das Fett, das bei langsamerem Tempo zur Leistungsgewinnung dient.

Ein gut trainierter, 70 Kilo schwerer Läufer kann rund 1800 Kilokalorien in Form von Glukose beziehungsweise Glykogen (als solche gelangen Kohlenhydrate in Blut und Muskeln) speichern, dagegen sind die Reserven an gespeichertem Fett riesig: bis zu 100 000 Kilokalorien. Für Marathonläufer heißt das: Aufgepasst, das Reservoir an Kohlenhydraten ist stark limitiert, damit sollte man pfleglich umgehen und die Kohlenhydratdepots nicht schon durch ein stark überzogenes Anfangstempo zu frühzeitig angreifen.

 

4. Richtig oder falsch?

„Beim Marathon laufe ich zwar nicht annähernd im maximalen Tempo, aber mit Tempotraining kann ich meine Marathonform trotzdem gewaltig steigern."

 

Richtig!

 

Wenn Sie ein wenig Lauferfahrung haben und kein Marathoneinsteiger sind, der bei seinem ersten Rennen lediglich durchkommen will, können schnelle Einheiten in einem Lauftempo, das dem des Marathons entspricht oder sogar schneller ist, der Marathonform gewaltig auf die Sprünge helfen. Tempodauerlauf und Schwellentraining lauten die wichtigsten Trainingskonzepte, die es in diesem Zusammenhang zu erklären gilt.

Als Tempodauerlauf bezeichnet man einen Trainingslauf, der im Marathon-Renntempo absolviert wird. Sein Zweck besteht darin, die Fähigkeit zu schulen, zunehmend längere Abschnitte genau in dem Tempo zu laufen, das man am Tag X 42 Kilometer lang durchhalten möchte. Letztlich geht es darum, die Widerstandsfähigkeit des Körpers gegen Ermüdung und Erschöpfung der Energiespeicher zu trainieren. Nicht zu verachten ist aber auch der psychologische Effekt, den ein Training im Marathon-Renntempo hat: Sie verlieren die Angst vor der Wettkampfgeschwindigkeit und merken, dass es gar nicht so schwierig ist, sich über eine längere Distanz in diesem Tempo vorwärtszubewegen.

Der Schritt vom Tempodauerlauf zum sogenannten Schwellentraining ist dann nicht mehr allzu groß. Das Schwellentraining gilt bei vielen ambitionierten Läufern sogar als das Nonplusultra der Vorbereitung. Zur Erklärung: Als aerob-anaerobe Schwelle bezeichnet man jenen Belastungsbereich, in dem Sauerstoffaufnahme und -verbrauch in den Körperzellen gerade noch ausgeglichen sind. Überschreitet man diese Schwelle, trainiert man im sogenannten anaeroben Bereich. Dabei wird die Muskulatur nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff versorgt. Folge: Der Körper muss verstärkt auf Glukose als Quelle für die zum Laufen benötigte Energie zurückgreifen. Die wird dabei in Milchsäure (Laktat) umgewandelt und schließlich in der Muskulatur abgelagert. Das hemmt auf Dauer die Leistungsfähigkeit der Muskeln.

Je besser man nun trainiert ist, desto schneller kann man laufen, ohne die aerob-anaerobe Schwelle zu erreichen. Da man dieses Tempo, bei dem die Muskeln gerade noch ausreichend mit Sauerstoff versorgt werden, lange durchhalten kann, ist es auch das optimale Renntempo für den Marathon. Die beste Methode, um seinen Schwellenwert zu verbessern, sind Fahrtspiele oder Tempolaufprogramme etwa im 10-Kilometer-Renntempo oder am Berg. In einer sinnvollen Marathonvorbereitung sind Verbesserungen der Schwelle um fünf Prozent keine Seltenheit, was eine um etwa zehn Minuten bessere Marathonzeit bewirkt.

 

5. Richtig oder falsch?

„Man darf nur dann einen Marathon laufen, wenn man in den drei Monaten davor wöchentlich mindestens 42 Kilometer gelaufen ist."

  

Richtig!

 

Folgende Grundvoraussetzungen sollten Sie erfüllen, wenn Sie sich auf das Abenteuer Marathon einlassen wollen:

1) Sie sind nicht übergewichtig.

2) Sie sind vollkommen gesund (lassen Sie sich zu Beginn des Marathontrainings noch einmal gründlich von einem Arzt durchchecken.

3) Sie laufen seit mindestens anderthalb Jahren regelmäßig.

4) Sie sind in den letzten zwölf Monaten mindestens 30 Kilometer pro Woche gelaufen.

5) Sie werden in den letzten zwölf Wochen vor dem Marathon in der Lage sein, mindestens die Distanz des Marathons (42 Kilometer) als durchschnittliches Wochenpensum zu bewältigen.

Spätestens jetzt muss Ihnen klar sein: Es gibt gesundheitliche Faktoren, die eine Teilnahme an einem Marathon zu einem Risiko werden lassen. Für Läufer, die auch nur eins der obigen Kriterien nicht erfüllen, ist es ratsam, sich nur gemeinsam mit einem erfahrenen Trainer und unter ärztlicher Aufsicht auf einen Marathon vorzubereiten oder – noch besser – das Marathonprojekt noch einmal zu verschieben.

Wenn Sie in den letzten zwei Jahren schon einmal einen Marathon gelaufen sind, dann analysieren Sie rückblickend, ob Sie bei dem Lauf ausreichend vorbereitet an den Start gegangen sind oder sich noch besser hätten vorbereiten sollen. Wenn Sie mit der erreichten Leistung zufrieden waren, dann versuchen Sie, den alten Trainingsstand wiederherzustellen und überlegen Sie dann, ob Sie Ihr Training noch steigern können oder wollen.

  

6. Richtig oder falsch?

„Nach einer optimalen Marathonvorbereitung entspricht mein Marathonrenntempo genau meinem 10-Kilometer-Wettkampftempo."

 

Falsch!

 

Richtig ist zwar, dass sich ein realistisches Marathon-Zeitziel anhand der Ergebnisse errechnen lässt, die Sie auf anderen Distanzen erzielt haben. Dass das Marathon-Renntempo dem 10-Kilometer-Wettkampftempo entspricht, ist jedoch falsch.

Die Berechnungen des Amerikaners Pete Riegel erlauben es aber, das eine Renntempo aus dem anderen abzuleiten. Er hat nämlich herausgefunden, dass die Weltrekordzeiten in einem proportionalen Verhältnis zu den jeweiligen Laufdistanzen stehen. Einerseits machen seine Formeln es möglich, anhand der Weltrekordzeit auf einer Distanz ziemlich genau die möglichen Weltrekorde auf anderen Distanzen auszurechnen. Vor allem lassen sich aber auch aus persönlichen Bestzeiten auf einer Distanz Bestzeiten auf anderen Distanzen vorhersagen.

Für uns Normalsterbliche heißt das beispielsweise: Spult eine Läuferin die zehn Kilometer in einem Tempo herunter, das 75 Prozent des Weltrekords über diese Distanz entspricht, dann ist sie auch im Marathon zu so einer Leistung in der Lage. (Natürlich gibt es Abweichungen, die vor allem etwas mit dem Alter zu tun haben.)

Riegel hat für die verschiedenen Wettkampfdistanzen Faktoren ermittelt, mit denen sich realistische Marathon-Zielzeiten errechnen lassen. Danach kann man aus der 5-Kilometer-Bestzeit eine leistungsgerechte Marathon-Zielzeit ableiten, indem man sie mit 9,798 malnimmt. Für die 10 Kilometer nennt Riegel den Faktor 4,667 und für den Halbmarathon den Faktor 2,099.

Beispiel: Ein Läufer mit einer 10-Kilometer-Bestzeit von 50 Minuten kann nach diesen Berechnungen mit einer Marathon-Endzeit von etwa 3:55 Stunden rechnen – vorausgesetzt natürlich, dass er sich mit dem entsprechenden Training auf den Marathon vorbereitet hat.

  

7. Richtig oder falsch?

„In der letzten Woche vor dem Marathon trainiere ich kaum. Das Einzige, was ich ausgiebig tue, ist schlafen und essen."

 

Richtig!

Eine sinnvolle Marathonvorbereitung gliedert sich in verschiedene Abschnitte. Den größten Teil nimmt eine acht- bis zehnwöchige Trainingsphase ein, in der der Trainingsumfang sehr hoch ist. Die letzten beiden
Wochen dieser Phase sind die härtesten in diesem Zyklus.

Dann bleiben noch zwei Wochen bis zum Tag X, an dem Sie am fittesten sein wollen. Das oberste Gebot für diese Zeit lautet: langsam die Trainingsbelastungen zurückschrauben, dem malträtierten Körper Zeit zur Erholung geben und Kräfte sammeln. Das Pensum der vorletzten Woche vor dem Marathon sollte etwa 20 bis 30 Prozent weniger umfangreich sein als das der Belastungswochen in der intensiven Phase, das Pensum
der letzten Woche nur noch etwa bei 50 Prozent liegen.

Je ambitionierter die Vorbereitung war, desto größer sollte die prozentuale Reduktion des Kilometerumfangs ausfallen. Das könnte für die vorletzte Woche einer zehnwöchigen Vorbereitung zum Beispiel bedeuten: Eliteläufer reduzieren ihren Umfang von 125 Kilometern in der achten Woche auf 85 Kilometer in der neunten, also um 30 Prozent. Ambitionierte Läufer reduzieren von 85 auf 65 Kilometer (25 Prozent) und Freizeitläufer von 45 auf 35 Kilometer (20 Prozent).

In den letzten zehn Tagen sollte dann auch die Intensität zurückgeschraubt werden: Es wird zwar ab und zu belastet (Tempoläufe), aber eben nur noch über kurze Abschnitte. Die letzte Belastung sollte drei bis vier Tage vor dem Marathon liegen und nur noch die Intensität des Marathon-Renntempos ansprechen (bewährt haben sich 3 bis 5 Kilometer in diesem Tempo).

Ansonsten gilt tatsächlich: essen (kohlenhydratreich), ausruhen, essen, ausruhen und so weiter.

Martin Grüning in RUNNERS WORLD in Januar 2011

 

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author: GRR

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