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27
06
2008

Der Kampf um die deutschen Tickets nach Peking hätte kaum dramatischer verlaufen können. Erst auf den letzten Metern des abschließenden 1.500-m-Rennens fiel die Entscheidung.

Trio mit Perspektive – Die Zehnkämpfer in Ratingen – „Ich denke, wir sind ein gutes Team, das da in Peking an den Start gehen wird“, erklärt André Niklaus – Jörg Wenig in leichtathletik

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Mit drei olympischen Novizen werden die deutschen Zehnkämpfer nach Peking reisen: Arthur Abele (SSV Ulm), André Niklaus (LG Nike Berlin) und Michael Schrader (Bayer Uerdingen) haben sich erstmals für die Spiele qualifiziert. Sie sind zwar Neulinge, doch das Trio hat beim dramatischen Kampf um die Peking-Tickets gezeigt, dass es bereit ist für die Herausforderung Olympische Spiele.

Beim entscheidenden Zehnkampf beim 12. Erdgas-Mehrkampf-Meeting in Ratingen erzielten sie hochklassige Leistungen, die in China sehr gute Platzierungen erwarten lassen. Im Zehnkampf der Männer erreichten hinter dem erst 20-jährigen kubanischen Sieger Leonel Suárez, der mit 8.451 Punkten die drittbeste Leistung des Jahres weltweit sowie einen kubanischen Rekord erzielte, Arthur Abele 8.372, André Niklaus 8.273 und Michael Schrader 8.248 Zähler. Für Abele und Schrader waren dies persönliche Bestleistungen, die sie bei speziell am Sonntag hohen Temperaturen, Schwüle und Wind erzielten.

Der Kampf um die deutschen Tickets nach Peking hätte kaum dramatischer verlaufen können. Erst auf den letzten Metern des abschließenden 1.500-m-Rennens fiel die Entscheidung. Und sie fiel gegen Pascal Behrenbruch (Eintracht Frankfurt), der als jahresbester deutscher Zehnkämpfer nach Ratingen gereist war, am Ende jedoch als Verlierer da stand. Behrenbruch hatte am Sonnabend nach vier Disziplinen aufgrund einer Fußverletzung aufgegeben und verfolgte das Geschehen von der Tribüne aus. Er wird sicher nicht davon ausgegangen sein, dass gleich drei Konkurrenten seine Jahresbestmarke von 8.242 Punkten übertreffen würden und ihn damit noch aus dem Olympiateam verdrängen würden.

Doch genau so kam es nach einem spannenden 1.500-m-Lauf, in dem Niklaus und Schrader unter Druck standen. Der Berliner musste unter 4:30 Minuten laufen, um die Qualifikation zu schaffen, von Schrader war gar eine Steigerung seiner Bestmarke um über fünf Sekunden auf 4:20 Minuten gefordert. Beide erreichten mit einer olympiareifen Willensleistung ihr Ziel. Als starker Läufer bekannt, hatte der 21-jährige Arthur Abele die Qualifikation schon vor dem finalen Wettbewerb praktisch sicher. Doch der Ulmer machte Tempo, sorgte von der Spitze laufend für ein schnelles Rennen und half so dem Newcomer Michael Schrader, der erst in dieser Saison erstmals die 8.000-Punkte-Marke übertroffen hatte. Während Abele nach 4:15,35 Minuten im Ziel war und damit einen Meeting-Rekord aufgestellt hatte, folgte Schrader nach einem sehenswerten Schlussspurt auf den letzten 200 Metern als Zweiter in 4:19,32.

„Ich habe hier mein Ding gemacht. Mein Ziel war es, meine Leistung aus Götzis (8.220 Punkte, d. Red.) zu toppen. Und das habe ich ganz gut erreicht“ erzählte Arthur Abele, dessen Krankheitsgeschichte noch viel umfangreicher ist als die seiner Zehnkämpfe. Als Elfjähriger fiel er von einem Heuboden. „Meine Kniescheibe war vierfach gebrochen, mein Oberschenkel sowie ein Halswirbel waren ebenfalls gebrochen. Um ein Haar wäre ich gelähmt gewesen.“ Inzwischen über Turnen und Handball zur Leichtathletik gekommen, erlitt er als 16-Jähriger einen Bandscheibenvorfall. Die Leichtathletik wollte er aber trotzdem nicht aufgeben. „Die 400 Meter Hürden wurden zu meiner Ausweichdisziplin.“ Und auch da war er so erfolgreich, dass er sich für die Junioren-WM 2004 qualifizierte. Doch in der Zwischenzeit konnte Arthur Abele auch wieder Zehnkampf betreiben und qualifizierte sich hier ebenfalls für diese WM.

Im Mehrkampf wurde er schließlich Siebenter – und damit stand diese Disziplin wieder im Mittelpunkt. Im November 2006 musste er sich einer Ellbogenoperation unterziehen. Trotzdem gewann er dann vor einem Jahr schon in Ratingen und schaffte die WM-Qualifikation. In Osaka wurde er Neunter. „Ich bin gut durch das Wintertraining gekommen, es gab keine Verletzungsprobleme“, erzählt Arthur Abele, der bewusst auf die Hallensaison verzichtet hatte, um sich auf die Olympiaqualifikation zu konzentrieren. „Vier Wochen vor Götzis zog ich mir eine Sprunggelenkverletzung zu, so dass ich keine Sprünge mehr trainieren konnte.“ Doch verglichen zu früheren Problemen war dies wohl eher eine harmlose Sache.

Optimistisch blickt Arthur Abele nun in Richtung Olympia, nachdem er mit der Qualifikation das bisher größte Ziel seiner Karriere erreicht hatte: „Peking wird aufgrund der klimatischen Bedingungen sicherlich schwerer, aber ich möchte unter die ersten acht kommen und möglichst eine weitere Bestleistung erzielen.“ 10,85 Sekunden (100 m), 7,35 m (Weit), 12,90 m (Kugel), 2,02 m (Hoch), 47,98 Sekunden (400 m), 13,90 Sekunden (110 m Hürden), 41,75 m (Diskus), 4,80 m (Stabhoch), 64,56 m (Speer) und 4:15,35 Minuten (1.500 m) waren seine Leistungen in Ratingen.

War Abele im vergangenen Jahr der Newcomer, so war Michael Schrader in diesem Frühjahr das Überraschungs-Paket des deutschen Zehnkampfes. „Es ist ein tolles Gefühl, aber es war eine brutale Quälerei“, sagte der 20-Jährige, der von Torsten Voss betreut wird. „Mein Ziel in Peking wird es sein, die 8.200 Punkte zu bestätigen.“

„Ich denke, wir sind ein gutes Team, das da in Peking an den Start gehen wird“, erklärt André Niklaus, nachdem er sich im Ziel des 1.500-m-Rennens einen Eimer Wasser über den Kopf geschüttet hatte. „Es war eine Zitterpartie für mich, die so nicht geplant war. Aber jetzt sind sieben Wochen Zeit. In Peking kann ich stärker sein“, sagt der Siebenkampf-Hallen-Weltmeister von 2006, der im Hochsprung mit einer persönlichen Bestleistung von 2,08 m glänzte, dann im Hürdensprint fast gestürzt wäre (14,60 Sekunden) und sich im Stabhochsprung mit 5,00 m zufrieden geben musste. Bei Niklaus hat mit Blick auf Peking sicher das größte Steigerungspotenzial.

Das Durchschnittsalter der deutschen Zehnkämpfer wird bei Olympia übrigens genau bei 23 Jahren liegen – dieses Team ist nicht nur stark sondern hat auch eine große Zukunft.

Jörg Wenig in leichtathletik vom 25. Juni 2008 – Nr. 26

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