Denn auch unter Freizeitläufern ist nicht derjenige der Beste, der am meisten trainiert, sondern der, der am effektivsten trainiert.
Trainingsstopp! Die Kolumne von Jeff Galloway in RUNNERS WORLD – Überraschung: Nicht wer die meisten Laufkilometer sammelt, ist am Schluss der beste Läufer. Die Erfahrung zeigt: Das gilt sogar für die Marathonvorbereitung
Anfang der 1970er jahre lief ich regelmäßig 230 Kilometer pro Woche, einmal sogar unglaubliche 336 Kilometer. Und was kam dabei raus? Ich war so oft verletzt wie selten zuvor. Trotzdem dauerte es noch Jahre, bis mir klar wurde, dass nicht die Kilometerumfänge der Schlüssel zum Lauferfolg sind. Dabei wurde ich schon zu jener Zeit von verschiedenen Laufkollegen darauf hingewiesen – zum Beispiel von Kenny Moore, der nach Platz vier im Marathon der Olympischen Spiele von 1972 tatsächlich behauptete, er sei nie mehr als 160 Kilometer pro Woche gelaufen.
„Nur 160 pro Woche?“ Er nickte. Das machte mich stutzig, mehr aber auch nicht. Doch mit der Zeit stellte ich fest, dass Kenny nicht der Einzige war, der mit sehr viel geringeren Umfängen als ich großen Erfolg hatte. Mein Schlüsselerlebnis war schließlich ein Trainingslauf mit Tony Sandoval nach dessen Sieg 1980 bei der Marathon-Olympiaausscheidung. Bei diesem Lauf schwor Tony Stein und Bein, dass er noch nie mehr als 190 Kilometer pro Woche gelaufen sei, und verhöhnte mich mit schlimmsten Kraftausdrücken, weil ich Woche für Woche im Schnitt 40 Kilometer mehr lief als er.
Angesichts solch enormer Laufumfänge wird Ihnen ganz schwindelig und Sie fragen sich, was das Jonglieren mit diesen Zahlen mit Ihnen zu tun hat? Sehr viel! Denn auch unter Freizeitläufern ist nicht derjenige der Beste, der am meisten trainiert, sondern der, der am effektivsten trainiert.
Nehmen Sie zum Beispiel meine Freundin Lori, 31, aus Chicago. Für ihre ersten drei Marathons trainierte sie sechsmal pro Woche und brachte es dabei auf rund 80 Laufkilometer. Sie kam bei jedem der Marathons gut durch, stöhnte aber, das Laufen sei für sie „fast wie ein Nebenjob“. Deshalb reduzierte sie ihren Aufwand auf 50 Kilometer verteilt auf vier Einheiten pro Woche. Ob Sie es glauben oder nicht – Ihre Marathonzeiten verbesserten sich um 20 Minuten. Mehr noch: Bei diesem Trainingsumfang fühlte sie sich in jedem Training blendend, und sie hatte wieder mehr Zeit für Freunde und Familie. Loris Erfolgsgeheimnis lautete also ganz einfach: Weniger Training. Ist das eventuell auch ein Rezept für Sie?
Marathonläufer sollten dazu wissen: Es sind nicht die „Hammerumfänge“, die Sie für einen Marathon richtig fit machen. Die zwei entscheidenden Zutaten, die dafür sorgen, dass ihr Marathonrezept aufgeht, heißen „Tempotraining“ und „langer Lauf“.
Ein ideales Marathontraining für Freizeitläufer, die einfach nur ankommen wollen – nicht mehr und nicht weniger –, sieht folgendermaßen aus: einmal pro Woche Schnelligkeitstraining, dazu ein langer Lauf und dann noch zwei 30-minütige lockere Dauerläufe zur Abrundung. Das Ganze sechs Monate lang auf kleiner Flamme garen lassen – und fertig ist der Marathonerfolg.
Wenn Sie es auch einmal mit weniger Training versuchen wollen, sollten Sie allerdings Folgendes beachten:
# Reduzieren Sie Ihre Laufumfänge nur dann, wenn Sie oft verletzt sind oder häufig gar keine Lust zum Laufen haben.
# Reduzieren Sie Ihren Trainingsumfang zwei Wochen lang um 50 Prozent und tasten Sie sich danach allmählich an ein Maß heran, das für Sie eine spürbare Herausforderung ist, Sie aber weder zeitlich noch körperlich überfordert.
# Achten Sie darauf, dass Sie vor allem die überflüssigen Kilometer reduzieren, also die, die keinem konkreten Trainingsziel dienen. Tempoläufe und lange Läufe sind bei der Reduktion tabu.
# Steigern Sie im Zuge der Reduktion des Laufumfangs ein wenig die Intensität der Laufeinheiten – nach dem Motto: Weniger, aber dafür schneller. Aber achten Sie unbedingt darauf, dass Sie sich mit der Trainingsqualität nicht so überfordern, wie Sie es zuvor mit der Quantität getan haben.
Der Haken an der Sache
Eine Trainingsreduktion hat viele Vorteile, aber auch zwei Nachteile
1. Weniger Lauftage bedeuten auch weniger Möglichkeiten, Stress abzubauen.
Nutzen Sie die lauffreien Tage ab sofort für Yoga oder andere Entspannungsübungen.
2. Weniger Lauftage bedeuten, dass auch weniger Kalorien verbrannt werden.
Daher müssen Sie an den lauffreien Tagen unbedingt auf eine reduzierte Kalorienzufuhr achten.
Sie wollen ja nicht zunehmen …
Jeff Galloway in RUNNERS WORLD
Jeff Galloway (63) ist einer der bakanntesten Trainingsexperten der Welt.Der Olympiateilnehmer von 1972 (10.000 m) wurde mit seiner Run-Walk-Methode populär, dem Laufen mit Gehpausen (siehe auch jeffgalloway.com)