Selbstvertrauen, Angst, Kampf, Siege, Niederlagen - Fotos Ayadi/privat
Trainingslehre – Nachwuchsleistungssport: Weniger Angst und pädagogisch-psychologische Maßnahmen helfen auf dem Weg zu Bestleistungen – Lothar Pöhlitz
© Lothar Pöhlitz – Die wieder einmal entscheidenden Trainings-Wochen auf eine möglichst erfolgreiche Sommer-Saison sind schon im Gange. Jetzt kommt es darauf an die hoffentlich geschaffenen Grundlagen in die individuellen Bestleistungen zu transferieren.
Das erfordert zunehmend schnellere Trainingsinvestitionen, wenn mög-lich auf immer längeren Teil-Strecken der angepeilten Spezial-strecke. Wenn man aber in einer Trainingseinheit Geschwindigkeiten zwischen 95-105% des Renntempos möglichst oft realisieren will, müssen Körper und Geist, die mentale Stärke, programmiert, bereit sein.
Besonders das nicht so seltene Problem der Versagensängste gilt es jetzt, in den Wochen vor der Wettkampfperiode, anzugehen. Für gar nicht so wenige ist jetzt die Zeit daran kräftig zu arbeiten.
Die individuelle mentale Stärke zeigt sich für Läufer aller Disziplinen in der Fähigkeit im entscheidenden Moment eines wichtigen Rennens mit entsprechenden Willenseinsatz die bestmögliche Leistung abzurufen. Auch wichtige Rennen werden im Kopf entschieden, vorausgesetzt auch das Gehirn wurde im Training programmiert und die Taktik besprochen. Große Träume, persönliche Bestleistungen oder Medaillen bei Meister-schaften sind immer mit besonderen Herausforderungen verbunden, nicht nur die Gegner, auch die klimatischen Bedingungen oder der Wind können Deine Ziele verhindern, über Sieg oder Niederlage entscheiden.
„Eine psychische Wettkampfvorbereitung beinhaltet einen komplex pädagogisch-psychologischer Maßnahmen der die Sportler befähigt, die erworbenen psychophysischen Voraussetzungen in wichtigen Wettkämpfen in Höchstleistungen um-zusetzen“ .(Schnabel u.a. 2008 S.548)
Selbstvertrauen, Angst, Kampf, Siege, Niederlagen – Fotos: Ayadi / privat
Kommt der Mann mit dem Hammer musst du entscheiden: ob „er“ oder Du gewinnst, ob sich die negativen Gedanken im Kopf „jetzt“ durchsetzen oder ob Dich die im Training erarbeitete Härte, auch wenn es wehtut, Dich der innere Schweinehund, die mentale Stärke zum Sieger oder Verlierer macht. Konzentriere Dich auf Dich selbst, gut ist aber immer auch, wenn man seine Gegner kennt.
Denke an die Aufgaben, die Du vor dem Rennen mit Deinem Trainer besprochen hast, den langen 300 m Spurt oder die letzten 120 m auf der 3.Bahn spurten, die schnellere Frequenz von Armen und Beinen in den Endphasen das das Ziel erst 1m hinter dem Strich ist, an die mögliche Leistung oder an den Jubel Deiner Fans im Ziel.
Vor allem hartes Training überzeugt Dich vom eigenen Können – Angst ist, wenn man blass am Start steht, in sich gekehrt, die Zuschauer nicht wahrnimmt und nicht an seine Aufgaben denkt. Gefühl von Angst, flaues Gefühl in der Magengegend, negative Gedanken, Unsicherheit, die Beine zittern, Anspannung, schlimme Befürchtungen die Erwartungen nicht erfüllen zu können, Angst zu enttäuschen
Angst entwickelt sich auf der Grundlage negativer Erfahrungen, auch durch Trainerdruck, Umfeldeinflüsse oder Bewältigungsprobleme grenzwertiger Belastungen.
Angst kann psychische oder physische Ursachen haben, resultiert im Sport nicht selten aus Zweifeln, ob man gut genug auf die Aufgabe vorbereitet ist.
Bei auftretender Angst am Start auf die Atmung konzentrieren (einatmen bis 4 zählen, danach langsam ausatmen bis 6 zählen), sich lockernd bewegen und an die Aufgaben denken, die Dir dein Trainer „mitgegeben“ hat, konzentrieren auf den zu erwartenden Start“schuß“, an das letzte gute erfolgreiche Training denken
Mit Angst kommt bis 30 % der Leistungsfähigkeit nicht auf die Bahn
Die mentale Stärke kann/muß man trainieren: Mentale Stärke ermöglicht Dir Dein erarbeitetes Leistungspotenzial auszuschöpfen und mit Rückschlägen besser umzugehen –
- Glauben, Überzeugungen, Sicher sein
- Du hast gut trainiert, vertraue auf Dein Können
- Nichts darf Dich von Deinem Ziel ablenken
- Rückschläge erfordern zwei, besser 3 Schritte nach vorn, vor allem Training, das auch reizwirksam ist, hilft
- Motivation, neue Ziele erfordern die richtigen Maßnahmen und ihre konsequente Umsetzung
- Höher, schneller, weiter und stärker sein wollen sind die Motive im Leistungssport
„Freude am Leistungsfortschritt“ vermitteln und mentale Stärke aufbauen
Wer von Angst im Hochleistungssport spricht meint nicht zuerst die Angst, sich bei der Ausführung einer neuen, schwierigen Übung weh zu tun oder sich zu blamieren, wenn die gestellte Aufgabe auf Anhieb nicht gleich wie gewünscht zu lösen ist. Vielmehr ist es die Angst vor dem Wettkampf die Erwartungen der Trainer oder des familiären Umfeldes oder eine Kadernorm nicht erfüllen zu können, nicht vor den Anderen im Ziel zu sein. Oder auch die mögliche Angst vor den Schmerzen in der Endphase von Rennen (egal ob durch grenzwertige Laktatanstiege im 800 m Lauf oder durch grenzwertige Ermüdung ab Kilometer 37 im Marathonlauf), die den möglichen Einbruch auslösen könnten.
Es ist auch die Angst zu versagen, den Erwartungen der vielen Zuschauer oder des Bundestrainers bei einem großen Event nicht zu entsprechen, vor allem, wenn die Medaille schon eingeplant ist. Schließlich hat man in dieser Richtung schon ein- oder mehrmals negative Erfahrungen gemacht.
Aufgabe ist den individuell unterschiedlichen Druck zu erkennen und in „Freude, Spaß und mentale Stärke“ umzusetzen, hier und heute mit Freude zeigen zu wollen, zu welcher sehr guten Leistung man fähig ist. Auch wenn man die Erwartungen zeitweilig erst einmal eine Stufe zurückschrauben muss, weil die gestellte Aufgabe eher einem Wunder gleichkäme, als realistisch zu erfüllen wäre. Besser ist sich auf sich selbst, als auf die Gegner zu konzentrieren.
Schmerzen und das Erleben von Stress unter grenzwertigen Belastungen sind aber im Hochleistungssport Teil zur Zielerfüllung. In Abhängigkeit von der Qualität der angestrebten Leistung und der aktuellen physischen Leistungsfähigkeit sind deshalb erlebter Stress, Schmerzen oder die letzte, nicht erwartete Niederlage – die irgendwann diese Angstgefühle ausgelöst haben – weniger oder mehr spürbar.
Sie sind mit Erfahrungen mit ähnlichen Belastungsanforderungen aus früheren Zeiten und dem aktuellen Erleben verbunden, weniger oder mehr ausgeprägt, aber immer Teil des Wettkampfes oder auch entsprechender Anforderungen im Training. Deshalb dürfen Angstgefühle nicht nur negativ besetzt sein, nicht ein Sportlerleben lang ständiger, leistungsmindernder Begleiter sein. Vielmehr muss ein leistungsorientierter Läufer lernen sich mit seinen Problemen auseinanderzusetzen, einen bestimmten Stress als normal, vielleicht sogar hilfreich für seine Wettkampfleistung anzunehmen. Eine objektive, sachliche Analyse nach der unerwarteten Niederlage ist wichtig, um keine Versagensängste aufkommen zu lassen.
Wer erfolgreich sein will hat das Recht auch zu verlieren
Treffen sie bei einem Wettkampf nicht auf die besten äußeren Bedingungen oder sind die erwarteten Gegner nicht da, motivieren sie ihren Athleten trotzdem das „beste Training“ daraus zu machen. So besteht die Möglichkeit bestimmte Aufgaben mit dieser immer wettkampfspezifischen Belastung zu testen, den Stand der psycho-physischen Ausbildung zu überprüfen oder den Wettkampf als Verhaltenstraining für demnächst zu nutzen. Die gegebenen Wettkampfbedingungen können sie im Training nie ersetzen.
Angst, Schmerz und Stress
Angstbewältigung verlangt eine aktive Auseinandersetzung mit den die Angst auslösenden Ereignissen. Dies sind für den Sportler scheinbar überhöhte Erwartungen und Anforderungen die vor dem Wettkampf vom Trainer, aber auch vom privaten Umfeld oder den Medien an ihn herangetragen wurden. Es sind aber auch Minderwertigkeitskomplexe oder Schuldgefühle, die sich im Ergebnis nicht erfüllter Erwartungen im Training und damit verbundenen Schuldzuweisungen entwickeln.
Sie führen zu Hemmungen, Nervosität, Verspannungen, zu defensiver Trainingsge-staltung, erneuter Nichterfüllung der Aufgaben und schließlich zu Versagensängsten für den nächsten Wettkampf. Kopf- und Magenschmerzen, auch die „Körpersprache“ kündigen oft schon frühzeitig an, dass es wohl nicht zum ersehnten Erfolg kommen wird.
Die Grenzen sind nicht immer leicht zu ziehen, vor allem wenn zwischen Trainer und privatem Umfeld keine einheitliche Erwartungshaltung aufgebaut wird. Zwischen positivem Ansporn, Stimulierung, Ermutigung und Druck bzw. überhöhten Erwartun-gen ist oft ein schmaler Grad der auch von der Persönlichkeitsentwicklung junger Athleten und ihrem Charakter wesentlich beeinflusst wird.
Talente sind oft einzigartig, etwas Besonderes in einer Gruppe. Dies ist in jungen Jahren für sie nicht immer hilfreich. Hilfreich ist sie in eine Trainingsgruppe schon als derzeit Beste einzuordnen, aber nicht jede(r) verträgt die Rolle deshalb immer „Vorbild sein zu müssen“. Wichtig ist, dass sie im normalen Leben, wenn das Training vorbei ist, Eine / Einer von Vielen bleiben. Die aktuellen Aufgaben müssen stets so „schwer“ sein, dass ein Abheben nicht möglich ist.
Man muß wissen, dass zwischen Angst, Schmerz und Stress ein sich gegenseitig beeinflussendes Wechselverhältnis besteht (nach Hecht 1994), das durch Hormone im Nervensystem sogar negativ auf die Muskelspannung wirken kann. Die Tatsache, dass in lebensbedrohlichen Situationen die Angst dem Menschen außerordentliche Kräfte und ungeahnte Willensstärke verleihen kann, zeigt das die erlebte Situation, ihre Bewertung und ein gewisser Zwang sie zu bewältigen auch wichtige Voraus-setzungen zur Angstbewältigung sind.
An der Spitze aller Aufgaben zu einer wirksamen Bekämpfung von Ängsten ist ein systematischer, langsamer Wiederaufbau eines „abgestürzten Selbstvertrauens“. Trainer müssen sich darauf einrichten, dass dies auch längere Zeit in Anspruch nehmen kann und wesentlich auch von ihrem Geschick abhängt, das notwendige Vertrauen evtl. auch zum Trainer wieder aufzubauen. Die wichtigste Aufgabe aber ist, die aufgetretenen Schwächen im Training durch vielfache Wiederholungen der angestrebten Bewegung bis zur „Perfektion“ aufzuarbeiten.
Die in die Kategorie „Draufgänger“ einzuordnenden kennen in der Regel „Angstgegner“ nicht, überziehen, ohne zu überlegen im Training und sind hin und wieder auch zu unerwarteten Leistungen fähig. Dabei gibt es eigentlich nicht viele gegen Schmerz unempfindliche Menschen. Nicht blamieren, glänzen, zeigen dass Du der Größte bist, durchziehen ist ihre Devise, auch wenn dann im Wettkampf nicht selten die Reserven aufgebraucht sind. Der Trainer hatte oft ohne Erfolg im Training zur Zurückhaltung, zur Disziplin bei der Einhaltung der Trainingsaufgaben gemahnt. Nicht selten wird das Trainingsprogramm dadurch auch in den Sand gesetzt oder der Trainingsweltmeister geboren.
Vermeiden sie nur unter idealen Bedingungen zu trainieren und bei ungünstigen Witterungsbedingungen gleich Abstriche an ihren Forderungen zu machen. Es ist nicht ungewöhnlich, dass es sogar bei Meisterschaften regnet oder ein unangenehmer Wind bläst. Diese Bedingungen haben aber auch die Gegner.
Jugendtrainer müssen ausbilden, die Trainingslehre vermitteln, Aufgaben in die Wettkämpfe mitgeben, ihre Erwartungshaltung zügeln und nach den Rennen in Ruhe das Ergebnis besprechen
Versagensängste werden oft schon im frühen Jugendtraining aufgebaut. Deshalb stehen die Jugendtrainer in dieser Hinsicht in besonderer Verantwortung. Besonders behutsam sollten sie zunächst mit ihrer Erwartungshaltung gegenüber Wettbewerbssituationen sein. Machen lassen, Erfahrungen sammeln lassen, mäßige Anforderungen, keine Platzierungsvorgaben, übererfüllbare Erwartungen, verbunden mit positiven Einschätzungen des Verhaltens in den Wettkämpfen und viel Lob sind Erfahrungen, wie die jungen Sportler bei der Stange bleiben und sich in den nachfolgenden Wettkämpfen immer mehr zutrauen und so immer besser werden. Nicht jeder Wettkampf muss grenzwertig gestaltet werden, nicht jedes Mittelstreckenrennen muss wehtun. Verlierer sind keine schlechteren Sportler/Menschen. Trotzdem muss ihnen gesagt werden, was sie demnächst wie besser machen sollen.
Lassen Sie ihrem jungen Sportler ausreichend Zeit zur Leistungsdarstellung, erwarten sie keine schnellen Ergebnisse, üben sie keinen Druck aus, helfen sie ihm seine eigenen Schlussfolgerungen zu ziehen. Druck und Stress wirken auf die körperliche Belastung negativ. Dagegen schafft Offenheit Vertrauen, Vertrauen schafft die Möglichkeit fordernd zu führen. Erwartungsdruck baut Ängste auf, reale Einschätzungen, Sicherheit und Akzeptanz dagegen bauen Ängste ab.
Angst resultiert aus Druck, Überforderung und zu hoch gesteckter Ziele – Angst lässt sich abbauen durch Wissen – Glauben und Selbstvertrauen
Ein zufriedener, aktiver, lockerer, optimistisch – motivierender Trainer schafft die positiv – motivierende Trainings- und Wettkampfatmosphäre und im Endeffekt mit einer offensiven Renngestaltung seines Athleten auch die kleine Risikobereitschaft auf dem Weg zu einer neuen persönlichen Bestleistung.
Bedenken sie aber immer, dass ihr Sportler nur das im Wettkampf zeigen kann, was er/sie im Training auch ausreichend gut geübt hat.
Angst entwickelt sich auf der Grundlage negativer Erfahrungen, auch durch Trainer-verhalten, Umfelddruck oder Bewältigungsprobleme grenzwertiger Belastungen.
Lehren sie ihre Athleten mit Druck umzugehen und Druck in mentale Stärke umzusetzen. Suchen sie mit ihrem Athleten gemeinsam nach der individuell wirksamsten Form der Entspannung und lehren sie ihn im Training oder auch innerhalb seiner Einlaufvorbereitung für Wettkämpfe damit umzugehen.
Es ist besser mit einem Lächeln auf seine Gegner zuzugehen als mit einem blassen Gesicht. Man kann sich aber auch rechtzeitig durch den „Haus-Psychologen“ helfen lassen, aber bitte langfristig – frühzeitig.
Lothar Pöhlitz
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*Lothar Pöhlitz – Dipl.- Sportlehrer für Leistungssport/Sportwissenschaftler / 1959-1971 Trainer und Cheftrainer beim SC Chemie Halle / 1971 – 1979 Leiter des Wissenschaftlichen Zentrums Lauf – Trainingsmethodik des DVfL / 1979-1985 Sprint-Trainer beim TSV Bayer 04 / 18 Jahre DLV-Bundestrainer 1980 – 1998 Mittelstrecke, Langstrecke, Marathon / zuletzt Teamleiter Marathon-Straßenlauf / 3x Olympia-Trainer für Deutschland / Langjährig Dozent an der Trainerakademie und DLV-Trainerschule / seit 2006 Leichtathletik Coaching Academy