Wer regelmäßig trainiert, wird leistungsfähiger. Aber nur wer optimal trainiert, erreicht auch seine persönlichen Ziele. Ein wichtiger Parameter in der Trainingssteuerung ist die Herzfrequenz Variabilität. Was es mit der für viele Läufer unbekannten Größe auf sich hat.
TRAINING – Mehr Leistung
Es ist fast 30 Jahre her, dass die ersten Ausdauersportler ihr Training mit einem kabellosen und EKG-genauen Herzfrequenz-Messgerät protokollierten. Zunächst fanden diese Herzfrequenz-Messgeräte des Pioniers Polar Electro Oy aus Finnland fast ausschließlich bei leistungsorientierten Ausdauerathleten Verwendung.
Die Sportler erkannten schnell die Vorteile einer kontinuierlichen Messung und Kontrolle der Herzfrequenz (HF) während des Trainings, die wichtige Rückschlüsse auf die Beanspruchung zuließ und so eine gezielte Belastungssteuerung erst ermöglichte.
Viele Läufer, die heute wie selbstverständlich mit Pulsuhren unterwegs sind, fragen sich manchmal: Was sagen mir diese Daten überhaupt? Die Messung der Herzfrequenz bietet die Chance, das gesamte Ausdauertraining effektiv zu gestalten und zu überwachen, unabhängig von den individuellen Zielen wie Verbesserung der Ausdauerfähigkeit, Gewichtsreduktion oder einfach mehr Wohlbefinden. Kurz gesagt bietet das Herzfrequenz-orientierte Training drei entscheidende Vorteile:
- Die Trainingszeit wird effektiver genutzt
- Leistungsfähigkeit und Fitness werden erhöht
- Gesundheitliche Störungen werden frühzeitiger erkannt
Der Herzschlag-Rhythmus ist sehr individuell – vergleichbar mit dem eigenen Fingerabdruck. Das betrifft den Ruhepuls genauso wie die maximal erreichbare Herzfrequenz (HFmax) unter Belastung. Die immer noch kursierende Formel „HFmax = 220 minus Lebensalter“ ist ohne fundierte wissenschaftliche Basis. Ein Beispiel: Bei einem 40 Jahre alten Sportler können die HFmax-Werte zwischen 160 bis über 200 Schläge/min liegen.
Nach der Altersformel müsste hier aber die HFmax 180 Schläge/min betragen. Keine der kursierenden altersbasierten Formeln zur Bestimmung der HFmax ist also geeignet. Gleiches gilt für die oftmals von Ärzten empfohlene Formel „180 minus Lebensalter“ zur allgemeinen Trainingsempfehlung im aeroben Bereich. Diese Referenzen sind unbewiesen und können daher allenfalls als grobe Orientierung gelten.
Eine falsche Bestimmung bleibt nicht ohne Folgen. „Ist der errechnete Trainingsherzfrequenzbereich zu hoch, kann das die Gefahr einer stoffwechselbezogenen Überforderung nach sich ziehen, ist die Herzfrequenz zu niedrig bemessen bleibt das Training ineffektiv“, sagt Prof. Dr. Kuno Hottenrott, Direktor des Instituts für Leistungsdiagnostik & Gesundheitsförderung an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg.
Kennt man seine maximale Herzfrequenz, lassen sich die individuellen Trainingszonen ableiten. Dieses einfache Verfahren wird im Sport gern genutzt, obwohl es mit Fehlern behaftet und nicht für jedermann geeignet ist. Zur exakten Bestimmung der individuellen maximalen Herzfrequenz ist eine Ausbelastung notwendig, z.B. im Rahmen einer leistungsdiagnostischen Untersuchung unter professionellen Bedingungen, die dann auch in regelmäßigen Abständen wiederholt werden sollte.
Einfacher und viel individueller lässt sich das Training heute mit Messung der Herzfrequenz-Variabilität (HRV) steuern. Im Vergleich zum Training nach der maximalen Herzfrequenz ermöglicht die Einbeziehung der sogenannten Herzfrequenz-Variabilität in den Trainingsablauf eine exaktere und einfachere Festlegung der persönlichen Herzfrequenz-Zielzonen.
„Die HRV eines gesunden Menschen ist in körperlicher Ruhe am höchsten, also am variabelsten. Körperliche Aktivität und Stress führen zum Herzfrequenzanstieg und automatisch auch zu einer Abnahme der HRV. Bei der Analyse spezieller Parameter der Kurzzeitvariabilität während ansteigender Belastungsintensität konnten finnische Wissenschaftler ein sogenanntes ‚HRV-Minimum‘ ermitteln, bei dem die Variation des Herzschlags kaum noch nachweisbar ist. Die Herzfrequenz an diesem Punkt korreliert mit dem Beginn eines reizwirksamen Trainings“, erklärt Prof. Hottenrott.
Die finnische Firma Polar machte diese wissenschaftlichen Zusammenhänge für den Sport nutzbar und entwickelte daraus die Bestimmung der sogenannten OwnZone (OZ), aus der sich die Intensitätsbereiche für das Ausdauertraining leicht ermitteln lassen. Wichtig für die Praxis: Es müssen hierfür keine komplizierten mathematischen Analysen durchgeführt werden, vielmehr genügt die Umsetzung der HRV-basierten Vorgabe für wenige Minuten. Der Trainingscomputer leitet den Sportler bei seiner OwnZone-Ermittlung durch die einzelnen Phasen, ein anstrengender sportartspezifischer Praxistest mit maximaler Ausbelastung entfällt.
Die Berechnung der individuellen und Tagesform-abhängigen OwnZone erfolgt automatisch und wird anschließend auf dem Display des Armbandempfängers angezeigt. Es lassen sich vier Intensitätsbereiche unterscheiden:
- OZ Basis > Grundlagenausdauertraining
- OZ 1 > Regenerations-, Gesundheits- und Fettstoffwechseltraining
- OZ 2 > Fitness- und Herzkreislauftraining
- OZ 3 > Leistungstraining im Bereich der individuellen aerob-anaeroben Schwelle
„In zwei wissenschaftlichen Studien haben wir die Herzfrequenz-Zielzonen des OwnZone-Tests überprüft“, sagt der Experte. In der ersten Studie mussten 22 Studentinnen und 22 Studenten 40 Minuten im Bereich ihrer OZ 3 laufen. Die Geschwindigkeit des Laufbandes wurde nach der Belastungsherzfrequenz gesteuert, so dass die Sportler exakt in ihrer Herzfrequenz-Zielzone laufen konnten. Alle 10 Minuten wurde die Laktat-Konzentration bestimmt. Gemäß Auswertung konnte bei allen Sportlern die OZ nach den Vorgaben des Herstellers ermittelt werden und alle 44 Sportler absolvierten die Dauerbelastung tatsächlich in ihrer OZ 3. Die mittlere Laktat- Konzentration über alle Laktat-Werte (192 Messungen) lag bei 3,12 mmol/l.
Nach 10 Minuten betrug die Konzentration 3,72 mmol/l, nach 40 min 2,74 mmol/l. Der Abfall der Laktat-Konzentration erklärt sich aus der Geschwindigkeitsabnahme um 1,3 km/h von der zehnten bis zur vierzigsten Minute des Dauertests. Im gewählten Trainingsbereich kam es also nicht zur Übersäuerung der Muskulatur. Die Belastungsintensität entspricht folglich einem Training etwa im GA 2-Bereich bzw. im Bereich der aerob-anaeroben Schwelle.
Auch die zweite Studie bestätigte diese Ergebnisse. „Die OwnZone-Methode ist nach dem Stand neuester wissenschaftlicher Erkenntnisse sehr gut geeignet, ein individuelles und auch differenziertes Herzfrequenz-gesteuertes Training durchzuführen“, sagt Prof. Kuno Hottenrott.
Entnommen dem GRR Sonderheft 2011 in Kooperation mit "aktiv laufen".