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10
01
2010

Haben Sie schon mal ans Aufhören gedacht, weil das Missverhältnis zwischen Aufwand und Ertrag Ihnen zu groß vorkam? Friedhard Teuffel im Tagesspiegel

Thomas Lurz – „In anderen Sportarten reicht ein Weltmeistertitel für das große Geld“ – Schwimm-Weltmeister Thomas Lurz über seinen Trainingsaufwand, Vorbilder und gesunde 90-Jährige. – Friedhard Teuffel im Tagesspiegel

By GRR 0

Herr Lurz, was macht Ihre Chlorakne?

Ich gehöre zum Glück zu denjenigen Schwimmern, die davon verschont geblieben sind. Aber viele meiner Kollegen leiden darunter.

Die Sporthilfe nennt Chlorakne in ihren ironischen Stellenanzeigen jedenfalls als Einschränkung, mit der ein Schwimmer leben muss. Mit welchen Belastungen haben Sie zu kämpfen?

Ich muss in der Woche schon 100 Kilometer im Wasser zurücklegen. Die reine Schwimmzeit in der Woche macht 30 Stunden aus, Kraft- und Trockentraining kommen also noch dazu. Mit dem Geld, das ich bekomme, gerade über regionale Sponsoren, kann ich gut leben. Aber trotzdem stehen Aufwand und Ertrag in keinem Verhältnis zueinander. Ich bin acht Mal Weltmeister geworden. In anderen Sportarten reicht schon ein Weltmeistertitel für das große Geld.

Wie lange könnten Sie von Ihren Einkünften aus dem Sport leben, wenn Sie heute Ihre Karriere beenden würden?

Vielleicht ein- bis eineinhalb Jahre. Im Moment habe ich ja durch mein Training einen relativ einfachen Lebensstandard. Ich fange morgens um sechs an zu trainieren. Mit Weggehen unter der Woche ist da nichts. Ich habe also gar keine Zeit, viel Geld auszugeben.

Wenn Sie sich nicht für den Leistungssport entschieden hätten, könnten Sie möglicherweise ein besseres Leben führen.

Seitdem ich denke, schwimme ich. Ich lebe fürs Schwimmen. Und der Breitensport braucht doch auch den Leistungssport als Vorbild. Ich gebe Schwimmstunden für Kinder und Jugendliche. Man muss manche Jungs und Mädels nur mal einen Sprung vom Startblock machen lassen – die wissen nicht, wo oben und unten ist. Schwimmen hält auch gesund. Ich treffe morgens im Schwimmbad 90-Jährige, die noch richtig fit sind.

Sind denn die vielen Emotionen, Reisen und Begegnungen mit interessanten Leuten für Sie ausreichende Entschädigung für Ihre Trainings und Ihre Disziplin?

Durch die Wettkämpfe habe ich die Welt schon kennengelernt, das ist richtig. Aber wenn ich zu Olympia nach Peking fahre, will ich dort gegen die Besten der Welt antreten, da fahre ich nicht hin, um mir die Chinesische Mauer anzuschauen. Ich habe 2007 mein Studium als Sozialpädagoge abgeschlossen. Seitdem habe ich keine Berufserfahrung sammeln können, weil ich mich ganz auf den Sport konzentriert habe. Das rechnet mir auch niemand an.

Weil es ja Ihre bewusste Entscheidung für den Leistungssport war.

Stimmt, aber man schwimmt ja nicht nur für sich, sondern auch für Deutschland. Ich fiebere jedenfalls mit, wenn Sportler aus anderen Disziplinen bei großen internationalen Wettkämpfen am Start sind. Und beim Sport ist man so abhängig vom Glück, warum kann man den Athleten nicht auch eine entsprechende Entlohnung gönnen?

Haben Sie schon mal ans Aufhören gedacht, weil das Missverhältnis zwischen Aufwand und Ertrag Ihnen zu groß vorkam?

Einmal? Zigmal! Bis zum Ende der Schulzeit ging es ja noch. Aber die Doppelbelastung Sport und Studium war schon sehr hoch. Ich bin auch einer der ganz wenigen, die sich dank regionaler Sponsoren ganz auf den Sport konzentrieren können. Außerdem bin ich jetzt bei der Sportfördergruppe der Bundeswehr und hoffe, dass ich dort noch bis zu den Olympischen Spielen in London 2012 bleiben kann.

Finden Sie, dass der Staat Sie gut behandelt, weil er Sie bei der Bundeswehr absichert?

Teilweise. Es müsste noch mehr Plätze bei der Bundeswehr für Sportler geben. Wer wie ich ein abgeschlossenes Studium hat, müsste eigentlich auch die Chance bekommen, Offizier zu sein. Ich bin nun aber bei den Mannschaftsdienstgraden. Als Hauptgefreiter bekomme ich derzeit etwa 1900 Euro brutto raus. Ich will aber nicht klagen. Und mit anderen Sportarten wie Fußball will ich mich auch lieber nicht vergleichen. Für mich ist es sowieso ein Rätsel, wie man mit einer solchen Bezahlung wie im Fußball nicht jedem Ball hinterherrennt.

Das Gespräch führte Friedhard Teuffel. Der Tagespiegel, Sonntag, dem 10. Januar 2009

Thomas Lurz, 30, erreichte bislang acht WM-Titel im Langstreckenschwimmen über 5 und 10 Kilometer. Außerdem gewann der Würzburger bei Olympia 2008 Bronze über 10 Kilometer.

 

Siehe auch unseren Beitrag:

600 Euro netto im Monat für 60-Stunden-Woche – Die Stiftung Deutsche Sporthilfe startet Kampagne

author: GRR

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