SwissCityMarathon Luzern: Innovativ, kreativ und akribisch - Bei läuferfreundlichen Bedingungen gibt es mit 11.093 Einschreibungen einen neuen Melderekord - Wilfried Raatz blickt auf die Straße und hinter die Kulissen ©wus-media - Wilfried Raatz
SwissCityMarathon Luzern: Innovativ, kreativ und akribisch – Bei läuferfreundlichen Bedingungen gibt es mit 11.093 Einschreibungen einen neuen Melderekord – Wilfried Raatz blickt auf die Straße und hinter die Kulissen
Drei Jahre hintereinander wenig bis ganz wenig Wetterglück, das mag schon den einen oder anderen nerven, egal ob diese der Rubrik Läufer, Organisation und Helfer, Zuschauer oder Journalisten zuzuordnen ist.
Aber halten wir dies unter dem Strich einmal fest: Die Marathonveranstaltung am Vierwaldstätter See und der nach inzwischen acht Auflagen mit einher gegangenen Namensänderung vom Lucerne Marathon zum SwissCityMarathon ist ungebremst im Aufwind. Egal, wie das Wetter nun einmal sein mag.
Schneeschauer vor zwei Jahren, Regen im Vorjahr und heuer zwar trocken, aber regennasse Straßen – und zur Belohnung für die Läufer mit der etwas längeren Verweildauer auf der Straße etwas Sonne am frühen Nachmittag. Auch wenn der erhoffte Panoramablick auf die schon früh schneebedeckten Berge unerfüllt blieb.
Die Bedeutung der attraktiven, weil dem Läufer zugewandten Laufveranstaltung in der Zentralschweiz nimmt stetig zu. Einschließlich der Spätentschlossenen am Samstag oder Sonntagfrüh konnte mit 11.093 die 11.000 Anmeldemarke elegant übersprungen werden.
Mit 9.638 LäuferInnen, darunter 1.595 im Marathon und 6.397 auf der halb so langen Distanz, gab es so viele Klassierte wie nie zuvor in der jungen Geschichte des stimmungsvollen Breitensportereignisses am Vierwaldstätter See.
Egal, ob am Schwanenplatz, am Europaplatz oder am finalen Knotenpunkt Verkehrshaus, es war schon erstaunlich, wie reibungslos das Nebeneinander (oder besser Miteinander) von Läufern, Zuschauern und Passanten funktionierte. Dies gilt natürlich auch für das Verkehrshaus mit den vielfältigen Zeitzeugen der Verkehrsgeschichte, das als das meistbesuchte Museum der Schweiz gilt.
Das Areal mit den zahlreichen Gebäuden und Exponaten platzte schier aus allen Nähten, zumal für die Läufer ein Catwalk für die Finisher, eine Bühne für die Siegerehrung sowie eine Brückenkonstruktion für die Fußgängerströme zusätzlich aufgebaut werden mussten. Wohl selten gibt es einen Zieleinlauf, der eindrucksvoll die Entwicklung von Technik und körperlicher Leistungsfähigkeit demonstriert.
Hier die Moderne, dort die mondäne, stilvolle Atmosphäre des 5-Sterne-Hauses Schweizerhof, das am Samstag ganz im Zeichen des Marathons stand mit "normalem" Hotelbetrieb und den zu einer Massenveranstaltung gehörenden Abläufen wie die mit Kronleuchter illuminierten Marathonmesse, Startnummern-Ausgabe und Pasta-Party.
Und mittendrin die neuen GRR-Magazine „road races“, die dank der Mithilfe des München-Marathon-Chefs Gernot Weigl reißenden Absatz fanden.
Der Breitensportcharakter ist in Luzern vorrangig, auch wenn wie im vergangenen Jahr mit der zweifachen Berglauf-Europameisterin Martina Strähl eine für die Europameisterschaften in Zürich in Frage kommenden Langstrecklerin mit dem neuen Streckenrekord von 2:39:14 ein Ausrufezeichen setzen konnte. Dem gegenüber stehen zum Beispiel die 78 Läufer aus Karlsruhe und dem nahen Umland, die LSG-Chef Norbert Wein unter tatkräftiger Mithilfe von PSD-Bank-Vorstand und Selbststarter Volker Deck auf die Beine und damit nach Luzern chauffierten.
Noch am ehesten ist beim Halbmarathon-Wettbewerb das Interesse bei namhaften Spitzenkönnern vorhanden. So auch bei der achten Auflage, als mit den beiden EM-Starterinnen Fabienne Schlumpf und Patricia Morceli und der Duathlon-WM- und EM-Vierten und aktuellen deutschen Berglaufmeisterin Julia Viellehner starke Namen an der Startlinie standen.
Am Ende triumphierte in diesem reizvollen Duell das Schweizer Hindernis-Ass Fabienne Schlumpf mit 1:14:52 Stunden und ihrer bislang besten Zeit bei den seltenen Ausflügen auf die Straße gegenüber der Marathonfrau Patricia Morceli (1:15:25).
"Ich wollte heute eine gute Zeit laufen", gestand die hoch aufgeschossene Schweizer Hindernis-Rekordlerin (9:37,81) von der TG Hütten. "Nach 15 km habe ich gefühlt, dass es mir noch sehr gut geht, deshalb habe ich weiter forciert!" Die EM-Dreizehnte plant im Gegensatz zu den bisherigen Jahren keinen Start bei der Cross-EM ("Da die Strecke in Bulgarien über 1300 m hoch liegt und ich keine Erfahrung mit der Höhe habe, verzichte ich lieber!"), sondern wird vielmehr bei den attraktiven Weihnachtsläufen in der Schweiz zu sehen sein.
Die Niederlage gegen ihre Schweizer EM-Teamkollegin wurmt hingegen Patricia Morceli mächtig. "Wenn ich starte, dann möchte ich auch gut laufen! Die 1:15er Zeit stimmt mich natürlich nicht zufrieden, denn ich kann schon 90 Sekunden schneller laufen!" gestand die 38jährige Marathonspezialistin, die in Zürich als 26. und 2:38:41 Stunden ins Ziel einlaufen konnte.
Wesentlich lockerer sieht hingegen Julia Viellehner ihr Abschneiden. In der "Off-Saison" sei alles erlaubt. "Spaß haben" wollte die im September am Hochfelln überraschend Deutsche Berglaufmeisterin gewordene polysportive Athletin "Die laufen derzeit nicht in meiner Liga", musste sie unumwunden zugeben. "Aber die Zuschauer sind super. Da können sich andere eine Scheibe abschneiden…!"
Und war zudem mit 1:18:20 Stunden einverstanden, auch wenn ihr Hausrekord gleich vier Minuten darunter liegt. "Die Saison war doch sehr lange für mich!" Triathlon und Duathlon werden auch künftig im Leben der 29jährigen die gewichtige Rolle spielen, nachdem sie als Nur-Läuferin (zu) oft verletzt war. Doch das Laufen kann und wird sie nicht lassen, denn das ist ein Schwergewicht bei ihrem Ausdauer-Zwei- und Dreikampf.
Zehn Jahre nach dem Gewinn des Deutschen Meistertitels im Crosslauf hat sich die Winhöringerin zumindest schon wieder einmal beim DLV mit dem Gewinn der Berglaufmeisterschaft in "Erinnerung" gebracht.
Bei den Männern setzte sich nach einem interessanten Zweikampf mit Gian Andrea Camathias der Baseler Nicolas Collas durch. Mit 1:11:22 war die Siegerzeit für den gebürtigen Franzosen dabei eine Minute langsamer als im Vorjahr, als Daniel Lustenberger in 1:10:28 Stunden erfolgreich war.
Einen schweren Stand haben die Marathonläufer zweifellos auf dem Zwei-Runden-Kurs, der durch die hügeligen Passagen in und um Horw mit zunehmender Streckenlänge auch "anspruchsvoller" wird. Dies musste auch Reto Dietiker am eigenen Leib verspüren, denn nach einer Runde war er alleine auf weiter Flur.
"Die erste Runde konnte ich wenigstens noch mit einer Gruppe Halbmarathonläufer mitgehen, dann wurde es schon hart. Aber der Sieg fühlt sich schon super an, zumal es meine Marathonpremiere ist!" freute sich der 31jährige, der als U23-Junior schon mehrfach Schweizer Meister auf unterschiedlichen Distanzen wurde. Wie im Vorjahr wurde Daniel Bolt Zweiter (2:32:53), knappe zwei Minuten vor Jérôme Chiquet.
Auch bei den Marathonfrauen wurde die Luzerner Karte gespielt. Im Vorjahr Dritte, heuer die strahlende Siegerin: Das ist Franziska Inauen, die als Ergo-Therapeutin bei der Stiftung für Schwerbehinderte Luzern e.V. arbeitet, im Ziel nach 2:55:50 Stunden begeistert im Verkehrshaus empfangen wurde.
"Ein Heimspiel war dies auf jeden Fall für mich!" freute sich die 28jährige. Für Simone Hegne gab es mit 3:06:05 Stunden und Platz zwei nach eigenem Bekenntnis einen "versöhnlichen Abschluss unter eine schlechte Saison" mit einer Steigerung ihrer Bestzeit um gleich neun Minuten. Ihre Namenscousine Simone Hertenstein war vorrangig in ihrem Job als Bewegungscoach unterwegs, feuerte ihre zum Mitlaufen animierte Laufgruppe an – und überholte am Ende bis auf zwei alle Läuferinnen (3:06:34).
Ambitioniert breitensportlich orientiert dürfte es im kommenden Jahr nicht unbedingt so weiter gehen, schließlich haben die rührigen Macher am Vierwaldstätter See den Zuschlag für die Schweizer Marathon-Meisterschaften bekommen.
Anerkennung und Verpflichtung zugleich!
Wilfried Raatz