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30
10
2008

Frakturen dieser Art treten äußerst häufig auf und zählen zum Alltag in orthopädisch-unfallchirurgischen Praxen. Mit rund 27% aller Verletzungen liegen Sprunggelenke an der Spitze der meistbetroffenen Körperstellen.

Stolperfalle Sprunggelenk – Weite Verbreitung von Brüchen durch Dauerbelastung – Dr. Matthias Reick in der Fachzeitschrift „Senioren Leichtathletik“

By GRR 0

Wettkampferprobt und fit, so beschreibt sich Ulrike K. (54). Für die aktuellen Meisterschaften hoffte die ambitionierte Leichtathletin auf zahlreiche Siege. Besonders über 100 Meter Hürden galt sie als heimliche Favoritin. Doch ein schwerer Sturz im Rennen beendet die Saison frühzeitig. Ulrike K. knickt beim Aufsetzen nach einem Hürdensprung um und fällt.

Ein sofort einschießender Schmerz im Knöchel und eine starke Schwellung folgen. Untersuchungen im Krankenhaus ergeben: Sprunggelenkbruch, operative Versorgung erforderlich.

Frakturen dieser Art treten äußerst häufig auf und zählen zum Alltag in orthopädisch-unfallchirurgischen Praxen. Mit rund 27% aller Verletzungen liegen Sprunggelenke an der Spitze der meistbetroffenen Körperstellen. Oft handelt es sich allerdings eher um Verstauchungen oder Zerrungen als um Brüche. Aber warum kommt es gerade bei Sportlern immer wieder zu solchen Vorfällen?

Zur genauen Erklärung lohnt sich ein Blick auf die Anatomie des Sprunggelenks. Als solches bezeichnet man die Verbindung zwischen Unterschenkel und Fußwurzel, unterteilt in oberes und unteres Sprunggelenk. Für Auf- und Abwärtsbewegungen des Fußes sorgt das obere Sprunggelenk, gleich einem Scharnier. Kräftige Bänder und Sehnen umschließen die aus Schien- und Wadenbein gebildete Knöchelgabel. Dadurch erhält der Unterschenkel wichtige Stabilität, da er bereits beim Stehen unser gesamtes Körpergewicht trägt. Beim einfachen Gehen erhöht sich die Belastung auf die kleine Gelenkfläche sogar schon um das Siebenfache. Ein- und Ausdrehen des Fußes ermöglicht hingegen das untere Sprunggelenk.

An dessen Unterseite befinden sich zwei Gelenkflächen, wobei die größere am Fersenbein und die kleinere am Kahnbein aufliegt. Auch hier geben stärkende Bänder neben den Gelenkkapseln nötigen Halt, um das untere Sprunggelenk zu stabilisieren. In diesem Zusammenhang ist auch die sogenannte Syndesmose (unechtes Gelenk), ein breites Band aus Kollagenfasern zwischen Waden- und Schienbein, zu nennen. Es erlaubt elastische Minibewegungen zwischen diesen beiden Knochen, ohne ein Gelenk zu sein, und ist damit anfällig für Verletzungen.

Eine Vielzahl wichtiger Funktionen bewirkt das Zusammenspiel des oberen und unteren Sprunggelenkes, wobei die Gelenke einerseits Mobilität zulassen müssen, um Schritt-, Lauf- und Sprungbewegungen zu ermöglichen, andererseits müssen sie jedoch auch stabilisieren, um den sicheren Gang, aufrechte Haltung oder Gleichge-wichtssinn steuern zu können. Somit gilt das Sprunggelenk als ausgesprochen intensiv belasteter Körperteil und macht Abnutzungserscheinungen im Laufe des Lebens wahrscheinlich.

Diese schränken in der Regel mit der Zeit die Beweglichkeit und Flexibilität ein, was Knochenbrüche und Bänderdehnungen begünstigt, überwiegend durch Unfälle und Sportverletzungen. Ursachen sind oft plötzliches Umknicken, Stolpern oder Ausrutschen. Luxationen, traumatische Verrenkungen der Knöchelgabel, kommen besonders in Geschwindigkeit und Sprungkraft erfordernden Sportarten wie der Leichtathletik vor. Hier bergen vor allem Disziplinen wie Weit- oder Hochsprung, Kurzstrecken- sowie Hürden- und Hindernislauf Risiken, da Tempo und kraftvolles Abspringen über Wettkämpfe entscheiden.

Nicht nur Profis tappen in die „Stolperfalle“. Auch Hobbysportler sollten nach Möglichkeit auf eine gute Bewegungskoordination achten, um ihre Sprunggelenke nicht zu strapazieren.

Im Fall von Ulrike K. halten deren Gelenkknochen den einwirkenden Kräften nicht stand und brechen. Bereits im Krankenwagen stellen Sanitäter das Bein durch eine Schiene ruhig, anschließend erfolgt in der Klinik eine gründliche Diagnostik. In der Regel erheben Ärzte Unfallhergang und Krankengeschichte, untersuchen die betroffene Stelle auf Sensibilität und Durchblutung und erstellen Röntgenaufnahmen. Durch ergänzende Computertomografie lassen sich darüber hinaus komplizierte Brüche optimal diagnostizieren. Erhärtet sich der Verdacht auf Sprunggelenkfraktur, gilt es, genauere Klassifikationen des Bruchs vorzunehmen.

Da mannigfaltige Kombinationen von Brüchen der Innen- und Außenknöchel existieren, oftmals mit Bänderverletzungen als Begleiterscheinung, erweist sich eine sinnvolle Einteilung als entscheidend für das weitere Vorgehen. Je nach Schwere und Ausmaß der Verletzung entscheiden Ärzte, ob konservative Behandlungen infrage kommen oder ein operativer Eingriff sinnvoll erscheint.

Richtige Behandlung für optimale Heilung

Schnell steht fest, dass Ulrike K. unter einer komplizierten Fraktur mit Bänderriss leidet und eine Operation benötigt. Hierbei fügen die Chirurgen gebrochene Stellen aneinander und fixieren sie mit kleinen Schrauben und Platten. Bis zur vollständigen Heilung ersetzen sie die beeinträchtigte Stützfunktion der Knochen und machen einen Gips häufig überflüssig. Bereits kurze Zeit später erfolgen schrittweise gesteigerte Belastungen.

Erweisen sich bei einfachen Brüchen konservative Therapiemethoden ohne Operation als durchführbar, erhalten Patienten einen Gipsverband, sobald das Sprunggelenk abschwillt. Wenn aus medizinischer Sicht möglich, handelt es sich hierbei um einen Unterschenkelgehgips oder sogar einen Spezialschuh, welcher Teilbelastungen zulässt. Vier bis sechs Wochen dauern Behandlungen dieser Art üblicherweise. Als unbedingt empfehlenswert beurteilen Experten anschließende Krankengymnastik zur Beweglichkeitswiederherstellung, Muskelstärkung und, besonders wichtig, der Wiederherstellung der sogenannten Propriozeption (Tiefensensibilität; Lage-, Kraft- und  Bewegungssinn). Die Propriozeption ist vor allem grundlegend, um zukünftige Verletzungen zu verhindern.

Therapieziel: völlige Heilung des Sprunggelenks inklusive aller Funktionen und kompletter Einsatzfähigkeit.

Keine Bagatellverletzungen

Mit frühen Komplikationen müssen Patienten bei Sprunggelenkfrakturen nur in seltenen Fällen rechnen. Zwar lassen sich Thrombosen, Wundheilungsstörungen sowie Infektionen nicht sicher ausschließen, doch bestehen hier lediglich die bei chirurgischen Eingriffen üblichen Risiken. Als wesentlich problematischer erweist sich die Bildung von Arthrosen im Laufe der Zeit. Hierfür verantwortlich sind häufig aufgrund der Schwere der Verletzung verbleibende Fehlstellungen oder sogenannte Gelenkstufen. Nach Sprunggelenkbrüchen liegt die Wahrscheinlichkeit hierfür bei 50%. Umso wichtiger ist nach einem Unfall die genaue zeitnahe Diagnostik bei einem spezialisierten Arzt – noch wichtiger ist jedoch die Unfallprävention durch spezialisierte, sportartbezogene Übungen zur Kräftigung der Bein- und Fußmuskulatur und der Koordination (Propriozeption).

Doch nicht nur Brüche erfordern konsequente Behandlung. Selbst bei leichten Sprunggelenkverletzungen nach schmerzhaftem Umknicken besteht Handlungsbedarf in Form von speziellem Training zur motorischen Kontrolle. Hierbei bewährt sich die propriozeptive neuromuskuläre Fascilitation, eine Methode für verbessertes Zusammenspiel von Nerven und Muskulatur, zum Beispiel auf einem Wackelbrett. Seilspringen, Minitrampolinspringen oder Radfahren wirken sich ebenfalls günstig aus.

Auch Ulrike K. achtet intensiv auf ihr Bein, obwohl die Verletzung problemlos verheilt. Acht Wochen nach ihrem Unfall startet die ehrgeizige Leichtathletin wieder sportlich durch. Vorerst mit schonendem Schwimmen, später kommt Laufen auf flexiblem Untergrund hinzu. Bald stellen sich Erfolge ein und einer Rückkehr in ihre alte Sportart steht – wie bei den meisten Patienten – nichts mehr im Wege.

Zwar schließt sie eine Teilnahme an der aktuellen Saison aus, freut sich aber bereits auf kommendes Jahr – mit intaktem Sprunggelenk.

Erste Hilfe bei Sprunggelenkverletzungen
Rund 8000 Verletzungen am Sprunggelenk ereignen sich täglich in Deutschland. Allein im Alltag lauert eine Fülle an Stolperfallen. Treppenstufen, Bodenunebenheiten oder Bordsteinkanten stellen mögliche Unfallrisiken dar. Schnell knickt man bei Unachtsamkeit um oder stolpert. Auch etwa 20% aller Sportverletzungen lokalisieren sich im Sprunggelenk.

Einige nützliche Tipps zur ersten Hilfe:

–    Betroffenes Bein sofort hochlegen und elastischen Kompressionsverband anbringen – wirkt Entstehung von heilungsverzögernden Hämatomen entgegen
–    Entsprechende Stellen gut kühlen, jedoch nicht vereisen – lindert Schmerzen und dient der Abschwellung
–    Einige Zeit lang Bandagen tragen – gibt Halt und schützt das Gelenk
–    Gezielte Übungen zur Verbesserung der Motorik – wirkt erneuten Unfällen präventiv entgegen

Bei Unfähigkeit, das Bein zu belasten, oder bei Anzeichen ausgeprägter Blutergüsse empfiehlt sich dringend fachärztliche Behandlung.

Endoprothese

Starke Lasten hält das Sprunggelenk permanent aus – gerade beim Sport. Im Laufe des Lebens kommt es daher häufig zu Verschleiß. Bei Abnutzungserscheinungen wie fortgeschrittener Arthrose wählen Orthopäden meist zwischen zwei Behandlungsmöglichkeiten. Versteifung des Gelenks führt in der Regel zu Schmerzfreiheit, aber auch zum Verlust von Beweglichkeit. Inzwischen lassen sich Sprunggelenke (oberes Sprunggelenk) aber auch durch Prothesen ersetzen.

Vorteil: Eine für die Gangabwicklung wichtige Beweglichkeit des oberen Sprunggelenkes, wie Heben, Senken und Kreisen des Fußes, sind nach einer Sprungelenksprothese nach wie vor, wenn auch eingeschränkt, möglich. Geeignet für den Gelenkersatz sind in erster Linie Patienten über 50 Jahre, deren Fuß schnell wieder einsatzbereit sein soll, wobei eine sportliche Belastung damit nicht gemeint ist. Starke Fehlstellungen des Gelenks schließen die Endoprothese hingegen aus. Als Standardverfahren gilt die Implantation allerdings noch nicht. Rund 1000 Patienten pro Jahr in Deutschland lassen sich das künstliche Gelenk einsetzen. Wenig im Vergleich etwa zur Hüftprothese. Hier liegt die Zahl bei über 200.000.

Weiterführende Informationen unter www.paracelsus-kliniken.de/bremen.

Dr. Matthias Reick – Der Orthopäde & Unfallchirurg Dr. Matthias Reick ist auf die Bereiche Sportmedizin, Chirotherapie und Leistungsdiagnostik/Laufberatung spezialisiert.

Als ambulanter Operateur arbeitet  er an der Paracelsus-Kurfürstenklinik Bremen. Die private Klinik gehört zur Klinik-Gruppe Paracelsus-Kliniken Deutschland GmbH. In der Bremer Klinik sorgen über 30 belegärztliche Fachmediziner und 150 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dafür, dass Patienten zu ihrer Zufriedenheit versorgt werden.

Dr. Reick ist zudem im Vorstand des Bremer Sportärztebundes und Präsident des Bremer Leichtathletik-Verbandes.

Quelle: "Senioren Leichtathletik" im Meyer & Meyer Sportverlag

 

author: GRR

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