Lisa Marie Kwayie - 02.09.2018, Berliner Olympiastadion, - Foto: Juergen Engler
Sprinten allein reicht nicht – Wer alles mithilft auf Lisa Marie Kwayies Weg zu Olympia Tokio 2020
Zwölf Jahre war Lisa Marie alt, als sie die Leichtathletik für sich entdeckte. Oder vielmehr entdeckte ihr damaliger Grundschullehrer die Leichtathletik für sie.
Alter: 24 Jahre
Verein: Neuköllner Sportfreunde 1907 e.V.
Sportart: Leichtathletik, Spezialisierung Sprint
Studium: Soziale Arbeit an der Alice Salomon Hochschule Berlin
Er erkannte Lisas Talent, nachdem sie bei Schulwettkämpfen durch ihre Leistungen hervorstach. Zwei Jahre lang hat er seine Schülerin bearbeitet, ihr immer wieder nahegelegt, sich einem Verein anzuschließen. Schließlich gab Lisa nach und ging zu den Neuköllner Sportfreunden. Bis heute ist sie dem Verein treu geblieben – und auch ihr Trainer Frank Paul ist seitdem an ihrer Seite.
Lisas Lehrer sollte Recht behalten: Erfolge kamen schnell und es werden immer größere. 2018 holte die Sprinterin Bronze bei der Leichtathletik-EM in Berlin mit der deutschen 4×100-Meter-Staffel. Ihr persönliches Karrierehighlight folgte dann 2019 mit dem WM-Halbfinaleinzug in Doha. Nun will sie sich ihren Jugendtraum erfüllen und bei den Olympische Spielen in Tokio dabei sein.
2019 hatte die Neuköllnerin schon die 200-Meter-Norm für Olympia 2020 erfüllt. Wegen der coronabedingten Verschiebung der Spiele entschied der Deutsche Leichtathletik-Verband, dass alle Normerfüller diese noch einmal bestätigen müssen. Die (etwas langsamere) Bestätigungszeit ist Lisa Marie Mitte Juni in Regensburg gelaufen. Mit 22,96 Sekunden hat sie ihr Ticket für Tokio final gelöst.
Zwei Top-Sprinterinnen: Gina Lückenkemper (lks.) und Lisa Marie Kwayie – Foto: Jürgen Engler
Um so einen Olympia-Traum zu verwirklichen, sind allerdings nicht nur die sportlichen Werte ausschlaggebend. Ohne (finanzielle) Unterstützung funktioniert es nicht. Denn Lisa Marie ist als Einzelsportlerin nicht bei einem Verein angestellt, der ihr ein regelmäßiges Gehalt überweist. Anfangs hat Lisas Mutter alles Notwendige bezahlt, doch mittlerweile steht die 24-Jährige auf eigenen Beinen.
Kosten für Wohnung, Essen, Versicherung etc. trägt die Studentin selbst und auch Trainingslager und Wettkämpfe verursachen Ausgaben. Damit Lisa sich voll und ganz auf Sport (und Studium) konzentrieren kann, hat sich um sie herum ein komplexes Sponsoring-Netzwerk gebildet, das ihr zur Seite steht: das Team Lisa.
Eine Handvoll freiwilliger Helfer hat es sich 2020 zur Aufgabe gemacht, Lisas Weg nach Tokio zu begleiten und professionell zu vermarkten. Sie suchen Sponsoren für die Athletin und koordinieren Anfragen, bauten ihr eine Website auf – übernehmen sozusagen ehrenamtlich ihr Management.
Die Sprinterin erklärt: „Mein Verein ist sehr klein und kann mich nur teilweise unterstützen.
Lisa Marie Kwayie – Foto: Jürgen Engler
Große Vereine zahlen mehr, weshalb viele Sportler wechseln. Ich möchte gern in Neukölln belieben. Trotzdem muss ich von irgendetwas leben – ich studiere nebenbei, doch der Sport ist meine hauptsächliche Arbeit. Team Lisa will, dass ich mich darauf fokussieren kann und nicht noch einen Job brauche. Damit ich mein Leben finanzieren kann, helfen mir meine Sponsoren.“
Und von denen hat die Lisa Marie mittlerweile einige. Sie ist ADIDAS-Athletin, bekommt von ihrem Sportausrüster Schuhe, Kleidung und Taschen. Beim Training und bei Wettkämpfen trägt sie Produkte der Marke. Im Gegenzug macht Lisa Werbung bei Social Media oder modelt bei Fotoshootings für den deutschen Sportartikelhersteller.
Zum Team Lisa gehören auch QSG Verkehrstechnik, 4talents analytics, das Unternehmensnetzwerk Neukölln-Südring, AMPELMANN Berlin, Pinguin Druck und Marotzke Malerbetrieb.
Sie alle greifen der Berlinerin finanziell unter die Arme. Sie übernehmen Kosten für Hotels, Reisen, Trainingslager oder zahlen Prämien für Platzierungen bei Wettkämpfen. „Bei manchen Sponsoren reiche ich Rechnungen ein und diese werden dann beglichen. Andere schicken mir monatlich oder jährlich einen Betrag. Das hängt davon ab, was ausgehandelt wurde. Als Gegenleistung besuche ich Firmenfeiern und stelle mich dort vor, gebe Autogrammstunden oder mache zum Beispiel Werbung bei Instagram“, sagt Lisa Marie.
Aber nicht nur Sponsoren unterstützen die Laufbahn der Berliner Sprinterin. Die Deutsche Sporthilfe ist ein weiterer großer Förderer. „Ich bin so, so dankbar, dass es die gibt. Die greifen mir wirklich unter die Arme und geben dem Sport auch eine professionelle Note. Weil man als junger Kaderathlet merkt, dass man damit wirklich Geld verdienen kann.“
Beim LSB Berlin hat Lisa einen Beratervertrag und bekommt finanzielle Hilfe. Und auch die Deutsche Leichtathletik Marketing schickt ihr alle drei Monate eine Summe.
Die meisten Einkünfte, die Lisa hat, sind leistungsabhängig. So ist es auch bei Wettkämpfen. „Je nach Wettkampf bekommen gewöhnlich die Plätze eins bis sieben eine Prämie. Hinzu kommt das Startgeld. Wie hoch das ist, hängt davon ab, wie ich gerade stehe – also wie gut mein Saisonverlauf oder meine Bestzeit sind“, berichtet sie.
Im Gegensatz zu vielen anderen Sportlern ist die Leichtathletin keine Sportsoldatin oder Bundespolizistin. Sie studiert Soziale Arbeit an der Alice Salomon Hochschule Berlin, denn: „Mir war immer bewusst, dass das mit dem Sport irgendwann vorbei ist. Danach muss es weiter gehen. Deshalb ist mir das Studium unheimlich wichtig. Auch wenn die Doppelbelastung echt hart ist, muss ich an meine Zukunft denken.“ Die Deutsche Sporthilfe steht der Berlinerin auch hier bei, mit dem Deutsche Bank Sport-Stipendium.
Lisa Marie ist glücklich über so viel Engagement: „Gott sei Dank kann ich von dem gut leben, was ich mache. Das ist genau das Ziel all meiner Unterstützer: Dass ich mich auf den Sport konzentrieren und nebenbei mein Studium machen kann.“
Franziska Staupendahl in SPORT BERLIN 04/2021