Prof. Dr. Ronald Wadsack ©LSB Berlin - Jaro Suffner
Sportvereine und Zukunft – Prof. Dr. Ronald Wadsack in ‚SPORT in BERLIN‘
„Wir alle sollten uns um unsere Zukunft kümmern, denn wir müssen den Rest unseres Lebens darin verbringen“, so ein Zitat des Ingenieurs und Erfinders Charles Kettering.
Recht hat er und als Vereinsführung müssen wir uns um die Zukunft des uns anvertrauten Vereins kümmern. Dies gilt für die aktuelle Amtszeit der amtierenden Vereinsführung und beinhaltet den Anspruch, keinen Schaden für künftige Amtszeiten auch von folgenden Vereinsvorständen anzurichten.
Diese Voraussicht ist jedoch nicht einfach. Schließlich gibt es viele Entwicklungen, die Einfluss auf Menschen und ihre Freizeitaktivitäten haben und wiederum in Sport- und Vereinsinteressen münden (können). Nehmen wir an dieser Stelle drei heraus: Demografie, Vereinsangebote und Digitalisierung.
Zunächst die Demografie mit der Schrumpfung und Alterung der Bevölkerung, wobei Berlin mit einem Bevölkerungswachstum zu rechnen hat. Die wichtigere Frage für die Vereinsarbeit ist jedoch, was kann für die Menschen an Sportvereinen interessant sein, welches Sportangebot und welches außersportliche Angebot? Das Spektrum dessen, was heute unter Sport verstanden werden kann ist riesig, von den traditionell vertretenen Sportarten über Gesundheits- und Fitnesssport bis hin zu Sporttrends mit kurzer Attraktivitätsdauer.
Und am Horizont blitzt vermehrt das Thema eSport als computer- oder internetbasierter Sport auf. Abseits des Sports sind vielfältige ergänzende Vereinsangebote denkbar, seien es Feste und Feiern, Fahrten oder einfach nur das Beisammensein in netter Runde.
Hier gilt es, sich als Sportverein weise zu positionieren und klar in seinem Sportverständnis und Vereinsangebot zu sein. Der Sportverein ist mit seiner Existenz ganz wesentlich durch seine Vereinskultur geprägt, u. a. symbolisiert durch das Vereinsangebot und getragen durch die Menschen als Mitglieder und Mitarbeiter.
Aber die Menschen haben sich über die Zeit verändert. Häufig nutzt man hier als Hilfestellung die grobe Einteilung von Generationen, die für Altersgruppen mit etwa gleichen Lebenseinstellungen stehen. Die Nachkriegsgeneration der Baby Boomer (ca. 1943-1960 geboren) mag heute in vielen Vereinen die Führung repräsentieren.
Selbst wenn die Vereinsführung der nachfolgend jüngeren Generation X angehören, es gibt mittlerweile drei weitere Generationen (Y, Z, K), die Zielgruppen der Vereinsarbeit sind.
Sowohl für die Sportangebote des Vereins als auch die Übernahme von Ämtern und Aufgaben. Damit gilt es sich auseinanderzusetzen und gute Ansatzpunkte für die Ansprache und Zusammenarbeit zu finden.
Die Mitarbeiter des Sportvereins sind seine zentrale Ressource und Lebensquelle, ihr Einsatz und ihre Kreativität prägt den Verein. Deshalb gilt es dringend, das Augenmerk auf die Zusammenarbeit im Verein zu lenken. Eine Befragung von ehrenamtlichen Vereinsmitarbeiterinnen und Vereinsmitarbeitern im Jahr 2015 in Niedersachsen erbrachte, das mehr als die Hälfte sich schon einmal ernsthaft mit der Beendigung der Mitarbeit befasst hatten.
Eine immer wichtigere Rolle spielt die „Digitalisierung“ als ein aus der Wirtschaft getriebenes Thema, welches sich schon im Alltagsleben andeutet, jedoch in seiner künftigen Tragweite im Sport noch wenig Beachtung findet. Auch die Bundeskanzlerin hat schon mehrfach darauf hingewiesen, dass eine Auseinandersetzung mit diesem Thema Not tut. Beispiele die wir heute schon aus dem täglichen Leben kennen: Bestellen per Internet und liefern per Post, bezahlen mit dem Handy, Apps für das Smartphone als Informations- und Entscheidungsassistenten für die Nutzer, Gesichtserkennung bei der Sicherung von Veranstaltungen, … und viele mehr.
Es geht darum die sich abzeichnenden Veränderungen in der Gestaltung der Lebenswelt frühzeitig zu erkennen und eine Position zu beziehen bzw. bei den eigenen Entscheidungen der Vereinsarbeit zu berücksichtigen.
Körperliche Aktivität wird vielleicht noch wichtiger, wenn tägliche Verrichtungen mit immer weniger Bewegung verbunden sind. Das "wirkliche" soziale Miteinander kann einen ganz anderen Stellenwert erlangen.
Eine vielleicht kommende Abschaffung des Bargeldes wird Einfluss auf viele Bereiche von Sportvereinen haben. Die Gewöhnung an die papierlose Abwicklung von Transaktionen wird auch vor dem Aufnahmeantrag für den Sportverein nicht halt machen. Vielleicht ist Online-Volunteering eine Chance, Vereinsaufgaben auch ohne Präsenz vor Ort zu erledigen. Dies nur als drei kleine Beispiele, wo sich entsprechende Wirkungen entfalten können.
Aber – und hier liegt auch eine echte Chance für die Sportvereinsarbeit – körperliche Aktivität wird dann vielleicht noch wichtiger, wenn verschiedene tägliche Verrichtungen mit immer weniger Bewegung verbunden sind und das „wirkliche“ und nicht durch Technik vermittelt soziale Miteinander kann dann ebenso einen ganz anderen Stellenwert erlangen.
Damit sind die Herausforderungen für die Vereinsführung grob umrissen. Sie gilt es auszunehmen und unter Einbeziehung interessierter Mitarbeiter und Mitglieder für den eigenen Sportverein aufzunehmen und den Verein zu gestalten.
Prof. Dr. Ronald Wadsack in 'SPORT in BERLIN' – Juli-August 2017
Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften Niedersachsen, Sportmanagement