AIMS (Association of International Marathons and Distances Races) acquires original kilometre marker of the London Olympic Marathon 1908 - Photo: Distance Running - AIMS
Sporthistorische Sensation: Originale Kilometermarkierung des Olympischen Marathons von London 1908 für das Marathoneum Berlin
AIMS (Association of International Marathons and Distances Races) erwirbt originale Kilometermarkierung des Olympischen Marathons von London 1908
In einem kurzen Beitrag in der AIMS Zeitschrift „Distance Running“ Nr. 4, 2021 auf Seite 7 konnte man unter der Überschrift „AIMS erwirbt ein Originalkilometerschild des Olympischen Marathon von London 1908“ lesen, dass die AIMS ein museales Laufkonvolut und ein Kilometerschild entdeckt hat. Das ist wahres britisches Understatement, denn der Erwerb dieses Streckenschildes ist schon eine sporthistorische „Sensation“.
Im Text des Beitrags von „Distance Running“ heißt es:
„In einer Folge der BBC-Serie „Antiques Fernsehshow“, die im März 2021 aus Enfield in London ausgestrahlt wurde, stelle man ein 113 Jahre altes gusseisernes Wegweiserschild zur Begutachtung.
Es handelte sich um das „18-Meilen“-Schild vom Londoner Olympia-Marathon 1908, der von Windsor Castle zum White City Stadium im Westen Londons führte.
Das Schild war von Graham Webster, einem Laufenthusiasten und Sammler olympischer Erinnerungsstücke, bei einem „car boot sale“ im Nordwesten Englands entdeckt worden. Es war nicht einmal vollständig zu sehen, da Webster den Ladenbesitzer dazu bringen musste, es aus den auf dem Boden gestapelter Gegenstände herauszuholen.
Während der Sendung äußerte Webster die Meinung, dass das Schild in ein Museum gehöre.
Daraufhin trat AIMS an ihn heran (das war Frank Baillie, Herausgeber von Distance Running) um zu erfahren, ob er zum Verkauf bereit wäre, und das Schild wurde für das AIMS Marathon-Museum of Running (= Marathoneum) in Berlin erworben, wo es ausgestellt werden soll.
Frank Baillie hat durch seine Initiative und wahrscheinlich auch seine Überredungskunst ein wahres „Schätzchen“ für das Marathoneum im Berliner Sportmuseum erworben. Denn man kann sich denken, daß nun gerade in London ganz andere schwergewichtige Bewerber sich für dieses sporthistorische Unikat interessierten.
Jetzt wird das „olympische“ Londoner Kilometerschild seinen Weg in das Sportmuseum Berlin finden, das am 7. Dezember 1994 beim „9. AIMS World Congress“ in Macau zum offiziellen Museum der AIMS Organisation berufen wurde und das sich die Aufgabe stellt, die Entwicklung des weltweiten Laufsports, der weltumfassend ist, zu sammeln, aufzuzeichnen und zu dokumentieren – und auch zu präsentieren.
Das Schild wurde 8,2 Meilen vor dem Ziel aufgestellt und trägt das „5-Diamanten“-Emblem der Polytechnic Harriers, des mit der Organisation des Rennens betrauten Vereins. Solche Schilder wurden an der gesamten Strecke errichtet, aber das einzige Schild, von dem bisher bekannt ist, dass es noch existiert, ist das Schild „25 Meilen“ [to go] an der Eton Bridge.
Zeitgenössische Bilder zeigen einige der Schilder, die an hohen Holzmasten befestigt waren. Das 18-Meilen-Schild war eines davon, und der Mast war an einer Brücke über den Fluss Colne an diesem Ort befestigt. Diese Brücke wurde während des Zweiten Weltkriegs zerstört und danach wiederaufgebaut
Die Länge dieses besonderen Rennens, die sowohl in Meilen als auch in Kilometern ausgeschildert war, ist deshalb so wichtig, weil sie 13 Jahre später als Marathon-Standardstrecke bestimmt wurde.
Mit der offiziellen Gründung der IAAF in Berlin im Jahr 1913 wurde eine Regelkommission eingesetzt, die einen Entwurf für das Leichtathletikprogramm für die IOC-Session in Lyon 1914 erstellen sollte. In diesem Entwurf wurde der Marathon auf 40.200 Meter oder 25 Meilen festgelegt. Das IOC beschloss jedoch auf dem Olympischen Kongress 1914 in Lyon, die Distanz auf 42 km festzulegen. Nach Ansicht des griechischen IOC-Mitglieds Alexander Merkati war dies die richtige Streckenlänge – wahrscheinlich, weil dies die bei den Olympischen „Zwischenspielen“ 1906 in Athen gelaufene Distanz war.
Aufgrund der örtlichen Gegebenheiten bei den Olympischen Spielen 1920 in Antwerpen wurde die Marathondistanz auf 42,750 km verlängert. Diese geänderte Streckenlänge führte zu einer erneuten Diskussion über die Streckendistanz, die 1921 beim IAAF-Kongress in Genf auf den Tisch kam.
Am 27./28. Mai 1921 beschloss das zuständige IAAF-Organ, das World Records Committee, die Distanz des olympischen Marathons nach dem Londoner Modell festzulegen: 42,195 km = 26 Meilen, 385 Yards!
Der originale Streckenplan des Olympischen Marathon London 1908 – Foto: Bildarchiv Forum für Sportgeschichte
Eine weitere weltweite Bedeutung dieses olympischen Marathons in London lag in dem dramatischen Finale, das sich auf den letzten Metern im olympischen White-City-Stadion abspielte.
Der Italiener Dorando Pietri, der das Rennen seit der 24-Meilen-Marke angeführt hatte, brach wiederholt zusammen und wurde vom Kampfrichter Jack Andrew wieder auf die Beine geholfen, bevor er in einem letzten Spurt die Ziellinie erreichte. Er erreichte das Ziel 32 Sekunden vor dem Amerikaner Johnny Hayes, doch die Amerikaner legten Protest ein und Hayes wurde der Sieg zuerkannt.
Die Sympathie der Öffentlichkeit galt Pietro, und Königin Alexandra, die Zeuge von Pietris verzweifeltem Kampf in der letzten Phase des Rennens geworden war, verlieh ihm einen besonderen Gedenkpokal.
Das Rennen löste einen wahren Marathonrausch aus, und die Wiederholungsläufe zogen ein enormes Wettinteresse auf sich. Pietri und Hayes trafen in den folgenden Jahren an vielen verschiedenen Schauplätzen aufeinander, sowohl in der Halle als auch im Freien, wobei die einzige Konstante die Distanz war, die sie zu laufen hatten.
AIMS fühlt sich auch der Geschichte und der Historie des Laufsports verpflichtet. So setzte sich AIMS (zusammen mit der IAAF) schon 2012 für die Erhaltung des Grabes von Michel Bréal finanziell ein, dem Initiator für die Aufnahme des Marathon in das olympische Programm 1896.
Das Grab von Michel Bréal, das auf dem berühmten Friedhof „Montparnasse“ in Paris liegt, war in den letzten Jahren stark beschädigt und sollte von der Friedhofsverwaltung planiert werden.
Nachkommen von Bréal suchten nach Mitteln, um das Grab restaurieren zu lassen. Kurz vor Ablauf der Frist stellten AIMS und die IAAF die entsprechenden Mittel zur Verfügung. Die Arbeiten zur Restaurierung wurden im Juni 2012 aufgenommen und im November abgeschlossen.
Die Grabstätte von Michel Bréal auf dem Friedhof Montparnasse in Paris, restauriert durch Gelder von AIMS und IAAF
AIMS initiierte auch die Etablierung des AIMS Symposium in der Stadt Marathon in Kooperation mit SEGAS dem Griechischen LA-Verband, dem Athen–Marathon und der Stadt Marathon.
1. AIMS Marathon Symposium in der Stadt Marathon – Foto: Horst Milde
Schon beim ersten AIMS-IAAF Symposium am 3. November 2007 in Marathon wurde dem Vizepräsidenten von AIMS Paco Borao eine seltene Kopie des Bréal-Pokals überreicht – eine Nachbildung des Ehrenpreises, den der erste Sieger des Olympischen Marathon von Athen Spyridon Louis 1896 als Siegespreis bekam.
Der originale Bréal-Cup im Museum in Athen – der Siegespreis für den Marathon-Olympiasieger von Athen 1896 Spyridon Louis – Foto: Gerd Steins
Die Kopie des Bréal-Cups in Berlin. – Foto: Gerd Steins
Die Kopie des Bréal Pokals wurde danach in der Interims-Ausstellung „Keep on Running“ des Sportmuseums Berlin ausgestellt.
Das Original des Bréal Pokals wurde am 18. April 2012 beim Auktionshaus Christie’s in London für 544.000 Euro von der Stavros Niarchos Foundation (SNF) erworben und ist jetzt als „Nationales Erbe“ in einer permanenten Ausstellung im Stavros Niarchos Foundation Cultural Center in Athen ausgestellt.
Die Geschichte des Laufsports festzuhalten und der Öffentlichkeit auch begreifbar zu machen, das sieht AIMS auch als seine ureigenste Aufgabe an. Deswegen ist der Erwerb des „historischen“ Kilometerschildes von London 1908 für das Marathoneum eine außerordentliche Bereicherung des Bestandes. Gerade der London-Marathon hat den Marathonlauf auf vielfältige Art- und Weise bis heute geprägt.
Paco Borao, Präsident von AIMS sagt zu der historisch wertvollen Erwerbung: „Das 40-jährige Bestehen von AIMS 2023 rückt näher und wir sind uns der Geschichte unseres Laufsports und unserer Verantwortung als Bewahrer dieser Geschichte sehr bewusst. Als internationale Organisation für den Langstreckenlauf und Laufsport sind wir stolz darauf, dieses einzigartige und seltene historisch wertvolle Kilometerschild des olympischen Marathons von London 1908 für die internationale Laufgemeinschaft erworben zu haben, und auch, weil es dieser besondere Lauf war, der schließlich zur Standardisierung der Marathondistanz (als 26 Meilen 385 Yards, umgerechnet 42,195 km) führte.“
Das AIMS Marathon – Museum of Running (Marathoneum) in Berlin ist auf seine Art einzigartig in der Welt. Es ist ein Unikat, da es ein internationales Museum ist und auch von AIMS finanziell unterstützt wird.
AIMS hat rd. 450 Mitglieder aus 120 Ländern, die Exponate ihrer Veranstaltungen dem Marathoneum zur Dokumentation überlassen.
Dabei können es Einzelstücke sein, wie Startnummern oder Medaillen bis zu umfangreichen Gesamt-Sammlungen von Sammlern, die damit ihr Lebenswerk dem Museum übereignen.
- Dazu gehören als „Prunkstück“ die Dr. David-Martin-Collection aus Atlanta/USA, die in 90 Umzugskisten über den Atlantik nach Berlin kam.
- Das Wim Verhoorn Konvolut aus den Niederlanden
- Das Henryk Paskal Konvolut (Polen) mit u.a. seltenen Materialien aus Japan
- Vorlass von Charlotte Teske – Boston Marathon Siegerin 1982 und Berlin-Marathon Siegerin 1986
- Nachlass von Liane Winter – Boston-Marathon Siegerin 1975
- Spyridon Zagaris, Bürgermeister der Stadt MARATHON – Bronze Olivenkranz
- Konvolut von Victah Sailer – New York City
- Konvolut von Chris Lehourities – London
- Konvolut von Allan Steinfeld – NYC und vom New York City Marathon
- Konvolut Alain Lunzenfichter – Paris
- Bodo Tümmler, Berlin – Konvolut OS Mexico 1968 und München 1972
- Katrin Doerre, Erbach – Konvolut OS Seoul 1988
- Waldemar Cierpinski, Halle- Konvolut OS Montreal 1976
- und viele, viele andere mehr.
Das AIMS Marathon-Museum of Running (= Marathoneum) in Berlin „ist das „Gedächtnis und die Dokumentationszentrale“ für die weltweite Laufkultur, um späteren Generationen die Geschichte und die Entwicklung dieser globalen Sportdisziplin – die nicht stillstehen wird – ständig zu bewahren.
Diese Sammlung beinhaltet einzigartige Zeitzeugnisse und Memorabilia der nationalen und internationalen Leichtathletik- und Laufsportgeschichte.
Der Sammlungsbestand ist im Sportmuseum Berlin auf insgesamt 307 lfd. Regalmetern in zwei gesicherten Depoträumen deponiert. Darauf entfallen auf Laufzeitschriften 35 lfd. Regalmeter, auf Plakate und Großbilder 68 lfd. Meter in Grafikschränken, die dreidimensionalen Objekte (Kleidung, Preise, Medaillen, Startnummern usw.) umfassen 170 lfd. Regalmeter und die David-Martin-Collection allein belegt 34 lfd. Regalmeter.
Ein kleiner Querschnitt der Sammlung ist in den „Marathoneum-Documents Nr. 4“ zusammengestellt.
Basierend auf der Ausstellung „Keep on Running“ des Marathoneums in Berlin soll die Kultur des Laufens in seiner historischen Entwicklung und in seinen bedeutenden Aspekten beispielhaft, bildend und sinnhaft erlebbar werden. Diese Internetpräsenz (Marathoneum.eu) wird im Sommer 2022 in Englisch und Deutsch starten. Sie soll zum 50. Berlin-Marathon im September/Oktober 2024 vollständig ans Netz gehen.
Das Marathoneum entwickelt sich durch die kontinuierlichen Zustiftungen nationaler und internationaler Provenienz zu einem herausragendem Kompetenzzentrum mit internationaler Ausstrahlung, das für die Sportmetropole Berlin ein wichtiges Aushängeschild der Sport- und Alltagskultur ist und daher ständiger politischer und administrativer Unterstützung bedarf.
Wir sind stolz und glücklich, was bisher uns übergeben und gestiftet wurde. Dafür bedanken wir uns ausdrücklich.
Wie bei jedem Marathon der Slogan „keep on running“ zielführend ist, so gilt auch für ein Museum: „Keep on collecting“!
Horst Milde Gerd Steins
AIMS Museum Koordinator Präsident Forum für Sportgeschichte
Dokumente und Fotos des olympischen Marathon in London 1908:
Titelblatt des Tagesprogramms zum Marathonlauf London 1908 – Foto: Bildarchiv Forum für Sportgeschichte
Tabelle mit den Aufstellorten der Marker an der olympischen Strecke in London 1 – 17 miles – Foto: Bildarchiv Forum für Sportgeschichte
Tabelle mit den Aufstellorten der Marker an der olympischen Strecke in London 18 – 26 miles – Foto: Bildarchiv Forum für Sportgeschichte
Die Teilnehmer des Marathonlaufes begeben sich zum Start – Illustrierter Sport 1910, S. 102, – Bildarchiv Forum für Sportgeschichte
Der Sieger John Hayes (USA). – Illustrierter Sport 1910, S. 102, – Bildarchiv Forum für Sportgeschichte
Zieleinlauf von Dorando Pietri (Italien), der unerlaubte Anschubhilfe von Jack Andrew erhält. – Illustrierter Sport 1910, S. 103, – Bildarchiv Forum für Sportgeschichte
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