In einem offenen Brief hatten die Leichtathleten daran erinnert, dass Fernsehbilder von der WM in ihrem und im Interesse des Publikums liegen. Die Sportpolitiker im Bundestag jedoch weigern sich, ihnen öffentlich beizuspringen.
Sportausschuss – Die Politik verschließt die Türen – Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung
Wer verhindern will, dass jemand für die Galerie spielt, der – schließt die Galerie. Auf diesen verblüffenden Schluss laufen die Argumente hinaus, mit denen der Sportausschuss des Deutschen Bundestages, der meist öffentlich tagt, am Mittwoch kurzfristig Besucher und Berichterstatter ausschloss.
Hinter verschlossenen Türen könne man konzentriert arbeiten, gewinne Zeit und vermeide, seine Gäste zu brüskieren, hieß es, denn politisches Schaulaufen sei überflüssig. Dabei wollten die Abgeordneten lediglich von öffentlich-rechtlichen Sendern und deutschen Leichtathleten wissen, warum die erste Weltmeisterschaft nach der von Berlin 2009 – einem Riesenerfolg für die deutschen Teilnehmer wie für das deutsche Fernsehen -, warum dieser Hit nicht fortgesetzt werden soll.
Den Blackout der Abgeordneten einen Blackout zu nennen, ist heikel. Denn just mit diesem Wort bestreitet die vom Welt-Leichtathletikverband IAAF beauftragte Agentur Burson-Marsteller eine Kampagne mit dem Anstrich einer Bürgerbewegung. Ihre Forderung „Kein WM-Blackout“ richtet sich an, besser: gegen ARD und ZDF. Der Versuch, sich Volkes Stimme zu bemächtigen, illustriert die verzweifelte Lage der IAAF. Sie hat die Fernsehrechte an den Weltmeisterschaften 2011 in Daegu und 2013 in Moskau an eine Agentur verkauft, die in Deutschland mit der Refinanzierung zu scheitern droht.
Die Athleten sind zwischen die Fronten geraten
Die öffentlich-rechtlichen Sender, von denen der erste gerade für 54 Millionen Euro Berufsboxabende gekauft hat und der zweite fast die gleiche Summe – jährlich – für die Übertragungsrechte der Champions League bereit hält, haben für drei Jahre Leichtathletik nur sechs Millionen geboten. Sie argumentieren, es sei frivol, Rechtehändlern aus Gebühren einen Profit zu finanzieren. Auf der anderen Seite drängen die WM- Sponsoren, die Millionen einsetzen und nun auf dem größten Markt Westeuropas unsichtbar zu bleiben drohen, auf neue Verhandlungen.
Die Athleten sind zwischen die Fronten geraten. In einem offenen Brief haben sie zwar daran erinnert, dass Fernsehbilder von der WM in ihrem und im Interesse des Publikums liegen. Die Sportpolitiker im Bundestag jedoch weigern sich, ihnen öffentlich beizuspringen. Dabei gibt es Grundsätzliches zu klären: Sind Bilder von olympischen Sportarten und Wettkämpfen ein kommerzielles Produkt?
Kann sich nicht der Steuerzahler, der für Training, Sportanlagen und schließlich sogar die Reise der Teilnehmer aufkommt, als größter Sponsor und damit als Teilhaber des olympischen Sports verstehen? Kern der Olympischen Sommerspiele ist immerhin die Leichtathletik. Ist die Übertragung ihrer WM nicht die Konsequenz all dieser Förderung?
Man erwartet gar keine Antwort von den Volksvertretern. Schon ihre Fragen wären ein schöner Beitrag zur Debatte gewesen. Diese wird nicht zuletzt auf der Galerie geführt.
Michael Reinsch, Frankfurter Allgemeine Zeitung, Donnerstag, dem 24. März 2011