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Sport und Menschenrechte: Fragen an den DOSB – Ein Kommentar von Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung
Russlands Krieg zeigt: Menschenrechte im Sport betreffen mehr als die Vergabe von Megaevents. Der DOSB hat endlich einen Menschenrechtsrat installiert – schuldet aber eine Antwort.
Zehn Jahre Rückstand aufgeholt in sieben Monaten? Die Branche hänge in Menschenrechtsfragen zehn Jahre hinterher, konstatierte im Mai vergangenen Jahres Mary Harvey, als der Menschenrechtsausschuss des Bundestages sich mit dem Sport beschäftigte.
Am Mittwoch präsentierte Thomas Weikert, der Präsident des damals abwesenden Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), dem Gremium einen angesehenen und ambitionierten Geschäftsführer des neuen DOSB-Menschenrechtsrates: Joachim Rücker, den ehemaligen Präsidenten des Menschenrechtsrates der Vereinten Nationen. Erst im Dezember ist er den Verbänden vorgestellt worden. Mit Mary Harvey, der Vorstandsvorsitzenden des Centre For Sport And Human Rights, arbeitet Rücker selbstverständlich zusammen.
Hält Infantino sein Versprechen?
Schließlich gibt es viel zu tun. Etwa Gianni Infantino auf die Finger zu schauen, dem Präsidenten des Fußball-Weltverbandes FIFA. In Sachen Menschenrechte ist die Fußballweltmeisterschaft von Qatar, wie Bernd Neuendorf, der Präsident des Deutschen Fußball-Bundes im Ausschuss ausführte, noch nicht vorbei. Hält Infantino sein Versprechen, Geschädigten des Stadionbaus und Hinterbliebenen von Todesopfern aus einem Fonds Entschädigung zu zahlen? Wie umgehen mit dem Ehrgeiz Saudi-Arabiens, beim Sportswashing Qatar zu überbieten?
Vor allem aber: Wie reagieren, falls das Internationale Olympische Komitee (IOC) Sportlerinnen und Sportler zur Teilnahme an den Olympischen Spielen von Paris 2024 einlädt, deren Heimatland in einem völkerrechtswidrigen Krieg Teile des Nachbarlands Ukraine besetzt hält, Zivilisten in ihren Wohnungen mit Artillerie- und Raketenbeschuss tötet, das seine Soldaten für Vergewaltigung, Mord und Folter zu Helden erklärt?
Gewalt und Missbrauch
Das Thema Menschenrechte betrifft nicht allein die Vergabe von Olympischen Spielen und Fußballweltmeisterschaften an ferne Regimes und als solche entlarvte Schurkenstaaten. Tobias Preuß und Maximilian Klein wiederholten für Athleten Deutschland, dass es auch bei Gewalt und Missbrauch aufscheint, bei der Einschränkung der Meinungsfreiheit, bei Fragen von Gleichstellung und Diskriminierung, sogar bei sozialer Unsicherheit, in der auch viele deutsche Olympiateilnehmer leben.
Die Athletenvertreter fordern eine Einrichtung, welche die Integrität von Personen, Organisationen und Wettbewerben schützt. Da gerade ein Gesetz zur Sportförderung entstehen soll, regen sie an, darin die Empfänger staatlicher Unterstützung auf die Leitprinzipien für Menschenrechte zu verpflichten.
Sollte am 26. Juli 2024 Russland immer noch Krieg führen in der Ukraine und sollte das IOC russischen Athleten – unter welchen Bedingungen auch immer – erlauben, bei der Eröffnungsfeier jenes Tages dabei zu sein: Wie reagieren Politik, Staat und Sport in Deutschland? Vermutlich wird niemand deutschen Sportlerinnen und Sportlern die Teilnahme verbieten.
Doch kann der Staat ihnen, wie sonst üblich, die Reise nach Paris mit Steuergeld bezahlen? Wäre nicht letztlich auch Russland Profiteur einer solchen Förderung? Für Entscheidungen mag es, wie der DOSB vielstimmig mitteilt, zu früh sein. Doch die Qualifikationswettkämpfe stehen vor der Tür, die Fragen zur Rückkehr der Russen im Raum.
Der DOSB schuldet jetzt eine Antwort.
Ein Kommentar von Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Donnerstag, dem 2. März 2023