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12
02
2018

Sieg oder Niederlage - kurzer oder langer Spurt ©privat

Sieg oder Niederlage – kurzer oder langer Spurt – Lothar Pöhlitz

By GRR 0

Siege oder sehr gute Platzierungen sind im modernen Mittel- und Langstreckenlauf von einer möglichst optimalen Gestaltung der letzten Runde bzw. der letzten 400-500-800 m in der Halle abhängig.

Natürlich muss man zu Beginn der Endphasen erst einmal dort sein wo die Musik spielt, wenn man eine Siegchance haben will. Dafür sind das Niveau der disziplinspezifischen Ausdauer und die Laufökonomie zuständig.

Darüber hinaus wird der Erfolg von den erarbeiteten spezifischen Kraftfähigkeiten, der mentalen Stärke, der Schnelligkeit, der Beweglichkeit im Hüft-, Knie- und Fußgelenk und der Lauftechnik bestimmt. Besonders Letztere ist für eine optimale Ausschöpfung der individuellen Leistungsfähigkeit in Wettkämpfen von größerer Bedeutung als Vielen in der Praxis möglich ist.

Immer wieder verdeutlichten große Sieger das vorbildhafte Gestaltung der Endphasen durch eine deutliche, scheinbar leichte, sichtbare Schrittfrequenz-erhöhung wohl am besten.

Wer aber nicht schon darauf vorbereitet ist das, nicht nur im Weltniveau, die Mehrzahl der Rennen über 800 – 10000 m mit einer Überhöhung gegenüber dem durchschnittlichen Renntempo beginnen und Siege durch kurze (80-120 m) oder lange (300-500 m) Spurts erzielt werden, hat dringenden Nacharbeitungsbedarf. Üben schafft Abhilfe, immer.

Lauftechnik, spezielle Kraft und die Schrittstruktur optimieren

Wettkampfergebnisse werden besser, wenn die Grundlagenausdauer, disziplinspezifische Ausdauer, die spezifischen Kraftvoraussetzungen und die Lauftechnik optimal aufeinander abgestimmt, dies zulassen. Die Weltspitze hat uns zuletzt, nicht nur bei den Olympischen Spielen, vorgeführt, dass eine variable Schrittgestaltung ein wesentliches Instrument zur Umsetzung der konditionellen Fähigkeiten in Siege oder sehr gute Platzierungen bei sportlichen Höhepunkten ist.

Auf der einen Seite hat man das Gefühl, dass die Großen bei taktisch geführten langsamen Rennen ganz entspannt und locker, wie bei einem Dauerlauf so dahinrollen, dass bei mittlerer Geschwindigkeit eine individuell optimale Schrittlänge die beste Laufökonomie sichert und dass in den Endphasen, vor allem innerhalb der letzten Runde(n) eine plötzlich veränderte, aber weiter entspannte Schrittgestaltung zunächst in Richtung Abdruckverstärkung, später aber durch Schrittfrequenz-erhöhung  immer mit Armunterstützung zum Vorsprung gegenüber den Gegnern und zu Siegen führt.

Wer sich solche Fähigkeiten zum Vorbild nimmt, muss zuerst einschätzen, ob seine allgemeinen und speziellen konditionellen- und Kraftvoraussetzungen ausreichen, um seine Lauftechnik in Richtung Vorfußtechnik zu optimieren und welche trainingsmethodischen Konsequenzen aus „seiner" Lauf-Analyse abzuleiten sind. Dabei ist zu prüfen, ob die Ausbildung „des Zentrums" schnellere Bewegungen von Armen und Beinen überhaupt zulässt.

Ein optimales, situationsabhängiges Verhältnis von Schrittlänge und Schritt-frequenz wird vor allem von der angestrebten Geschwindigkeit, von der Wett-kampfsituation, von der Körperkonstitution (Körpergröße und Beinlänge), der Kraft im Zentrum, von der Beweglichkeit im Fuß-, Knie- und Hüftgelenk und von der individuellen Kondition (Ermüdungsgrad) bestimmt.

Schrittlänge im Mittelabschnitt – höhere Schrittfrequenz in den Endphasen

Bei tempoorientierten Rennen ist die Aufrechterhaltung der Geschwindigkeit umso schwieriger, je länger der Wettkampf dauert. In vielen Rennen fällt die Geschwindigkeitskurve, nicht nur ermüdungsbedingt, im Mittelabschnitt ab. Dies ist in der Regel auch mit einem Schrittlängenverlust verbunden.

Eine Möglichkeit dem entgegenzuwirken besteht in der Regulierung durch Schrittfrequenzveränderungen. Der Zeitpunkt einer solchen Maßnahme hängt von der eigenen Leistungsfähigkeit, aber auch von der Stärke der Gegner ab. Optimal wäre, wenn sich dabei der Schrittlängenverlust in Grenzen hält.

Zu große Schrittlängen behindern in den Endphasen eine variable Schrittfrequenzgestaltung. Dies hängt auch damit zusammen das sich mit zunehmender Schrittlänge auch die Stützzeiten verlängern. Auf dem Wege zu einer optimalen Lauftechnik, in der auch mögliche Schrittfrequenz-steigerungen integriert sind, müssen deshalb möglichst kürzere, schnellere Stütz-zeiten mit geringen Bremswirkungen als Voraussetzung für Geschwindigkeits-steigerungen unter Ermüdung Ausbildungsziel sein.

Schnelleres Laufen durch kürzere Stützzeiten

Wichtige Kriterien für eine erfolgsorientierte Lauftechnik sind die Dauer der Stützphasen und geringe Bremskräfte im Vorderstütz. Ein Fußaufsatz zu weit vor dem Körperschwerpunkt verlängert die Stützzeiten, so dass davon auszugehen ist, dass eine höhere mittlere Wettkampfgeschwindigkeit durch eine aktive Arbeit zur Sicherung optimaler, möglichst kurzer Stützzeiten ökonomischer wird. Dafür kommt der Entwicklung der Kraft der ischiocruralen Muskulatur, für die Knie- und Fußstreck-kraft (Oberschenkelvorderseite, Oberschenkelrückseite) eine besondere Bedeutung zu.

Die verbesserten Voraussetzungen müssen in die Praxis überführt werden

Ein möglichst optimaler Umgang mit der Schrittstruktur ist für alle Mittel- und Langstrecken-disziplinen auch bei längeren, betonten Endphasen von Wettkämpfen siegentscheidend. Es gibt vielseitige Möglichkeiten einzugreifen, aber es ist immer auch von der Beherrschung der Sieg- oder Rekordtaktik abhängig.

Von einer solchen Zielstellung leiten sich notwendige Konsequenzen für die Ausbildung der speziellen Voraussetzungen von Läufern ab, z.B.:

·      eine ganzjährige Ausbildung einer variablen Schrittstruktur

·      eine Verbesserung der Beweglichkeit im Fuß-, Knie- und Hüftgelenk, eine zielgerichtete Vergrößerung des Bewegungsspielraumes

·      Übungen zur Verkürzung der Stützzeiten bei optimaler Schrittlänge (Bewusstheits-vermittlung)                         

·      Übungen zur Verbesserung eines bewussten Fußaufsatzes vorn (auch durch verbesserten Kniehub – aktiv-greifend) mit einer schnellen aktiven Rückführung des Beines unter den Körper bis zum bewussten aktiven Abstoß hinten (ohne Bremsverluste im vorderen Stütz schnell „ziehen")

·      Verbesserung der Kraftfähigkeiten durch Sprünge, Streck- und Beugeübungen

·      Entwicklung der disziplinspezifischen Schnellkraft

·      Entwicklung spezieller Kraftfähigkeiten durch frequenzorientiertes Bergan-, Zugwider-stands- oder Treppentraining (à Technik Doppelschrittzyklus)

·      Kraftübungen gegen den Widerstand eines Gummiseils, auch à kraftaus-dauerorientiert (Laufimitation, im Sitz auf einen Tisch, in Bauch- und Rückenlage, Muskulatur der Oberschenkelvorder- und Oberschenkelrückseite)

·      Frequenzorientiertes Schnelligkeits-TW-Training, Beschleunigungsläufe

·      Frequenzübungen wie z.B. Skipping oder Knieheblauf zunehmend schneller bei aktiver Armarbeit – auch bergan

·      Umsetzung des Kraftgewinns bei TL-Läufen unter Ermüdung mit plötzlicher Schrittfrequenzerhöhung auf Zuruf / Kommando in Endphasen, à der Übergang aus einer normalen Schrittlänge erfolgt durch eine Frequenzüberhöhung „locker" bei gleichzeitiger, möglichst geringer, Schrittlängenverkürzung

Ein spezifisches Kraft- und Beweglichkeitstraining ist als Voraussetzung zur Verbesserung der Lauftechnik, sowie variablen Möglichkeiten, komplex auf die Fuß-, Knie- und Hüftgelenksstreckung zu orientieren, ohne dabei auf die aktiv – unterstützende Wirkung einer auch intensiv – variablen Armarbeit zu verzichten.

Die Praxis lehrt, dass eine zuerst höhere Geschwindigkeit in der Armarbeit sich direkt auf eine leichtere Geschwindigkeitserhöhung der Beine übertragen lässt.

Fazit: 

Leistungsorientierte Läufer beherrschen in Wettkämpfen sowohl „ihre optimale Schrittlänge" als auch die Möglichkeit in unterschiedlich langen Phasen ihre variablen Technikmöglichkeiten zu nutzen und in Endphasen die Schrittfre-quenz spürbar zu erhöhen.

Wer zu Beginn der letzten Runde im Wettkampf noch „bei den Leuten ist", im Ziel aber zu den Verlierern gehört muß sein Training überdenken.

Aufgabe des Jugend-Aufbautrainings ist es, auch diese leistungsbestimmenden Fähigkeiten ganzjährig auszubilden. Ein Geschwindigkeitsanstieg im Spurt wird durch eine bewusste Schrittfrequenzerhöhung bei geringer Abnahme der mittleren Schrittlänge erreicht.

Die Ausprägung dieser Fähigkeit erfordert ein möglichst oftmaliges bewusstes „erleben, üben, Spurttraining" aus unterschiedlichen mittleren Wettkampfgeschwindigkeiten (im Mittel- oder Langstreckentempo) bei kurzen, mittleren und langen Endbeschleunigungen (Geschwindigkeitsüberhöhungen), auch unter Ermüdung.

Entwickle Deine Muskulatur, so dass Du sie später zum schnellen Laufen nutzen kannst.

Lothar Pöhlitz 

                                                                              

  

 

 

author: GRR

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