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26
06
2008

Am Ende hatte sie erstmals in ihrer Karriere die 6.500-Punkte-Marke übertroffen. Mit 6.536 Zählern schob sich Lilli Schwarzkopf in der Jahresweltbestenliste auf Rang vier nach vorne.

Siebenkampf – Lilly Schwarzkopf in Ratingen – Aufstieg in die Weltklasse – Jörg Wenig in leichtathletik

By GRR 0

Die aller Voraussicht nach besten Platzierungschancen der deutschen Mehrkämpfer bei den Olympischen Spielen hat eine Frau: Siebenkämpferin Lilli Schwarzkopf. Die 24-Jährige des LC Paderborn schaffte zum ersten Mal in ihrer Karriere, in der sie vor zwei Jahren Bronze bei den Europameisterschaften gewann und dann 2007 in Osaka WM-Fünfte wurde, die Qualifikation für die Olympischen Spiele.

Beim 12. Erdgas-Meeting in Ratingen wiederholte Lilli Schwarzkopf ihren Vorjahressieg und war dabei deutlich souveräner als noch vor einem Jahr.

Am Ende hatte sie erstmals in ihrer Karriere die 6.500-Punkte-Marke übertroffen. Mit 6.536 Zählern schob sich Lilli Schwarzkopf in der Jahresweltbestenliste auf Rang vier nach vorne. Und in der Liste der besten deutschen Siebenkämpferinnen aller Zeiten ist sie nun immerhin schon auf Rang zehn. Nebenbei hat Lilli Schwarzkopf in der IAAF World Combined Events Challenge, zu der das Ratinger Meeting als einziges deutsches gehört, mit 12.852 Punkten die Führung übernommen. Hier werden am Ende der Saison die drei besten Punktzahlen aus Meetings der Serie zusammengezählt. Insgesamt geht es um über 200.000 Dollar Preisgeld.

Vor einem Jahr hatte Lilli Schwarzkopf nach den ersten vier Disziplinen um 229 Punkte hinter der führenden Jennifer Oeser (Bayer Leverkusen) gelegen. Dieses Mal führte nach Tag eins wieder Oeser (3.771), doch Schwarzkopf folgte auf Rang drei mit nur 65 Punkten Rückstand. Der Sieggarant war dann am Sonntag einmal mehr der Speerwurf. Auf 54,81 m flog der Speer von Lilli Schwarzkopf. Das bedeutete nicht nur eine persönliche Bestleistung sondern zugleich auch ein Meeting-Rekord.

Und den hielt immerhin Sabine Braun, die 1997 in Ratingen 53,74 m geworfen hatte. Lilli Schwarzkopf hatte mit ihrer herausragenden Disziplin über 150 Punkte mehr gesammelt als ihre direkten Konkurrentinnen und vor dem abschließenden 800-m-Lauf erstmals in dem Wettbewerb die Führung übernommen.

„Erstmals 6.500 Punkte erreicht zu haben, das ist natürlich toll“, sagte Lilli Schwarzkopf, fügte aber auch hinzu: „Ob ich so richtig zufrieden bin, weiß ich noch nicht genau.“ Die 24-Jährige sieht durchaus noch Raum für Verbesserungen. „Vor allem der Sprint sollte besser sein.“ Lilli Schwarzkopf war am ersten Tag mit 13,51 Sekunden über 100 m Hürden in den Siebenkampf gestartet und hatte ihre Bestleistung dabei nur um eine Hundertstel verpasst. Dann folgten 1,82 m (Hochsprung), 13,89 m (Kugelstoßen), 25,22 Sekunden (200 m) sowie am Sonntag 6,30 m (Weitsprung), jene 54,81 m mit dem Speer und abschließende 2:12,11 Minuten (800 m). „Nur mit dem Speer habe ich eine persönliche Bestleistung erzielt. Ich denke, der eine oder andere persönliche Rekord ist schon noch drin.“

Und wenn alles zusammenpasst, hält Lilli Schwarzkopf auch eine weitere Steigerung auf über 6.600 Punkte in Peking für möglich. Damit hätte sie sogar Medaillenchancen. „Ich glaube, dass mit über 6.500 Punkten eine Medaille möglich ist“, sagte Siebenkampf-Bundestrainer Klaus Baarck. Doch auf Medaillen-Spekulationen lässt sich Lilli Schwarzkopf nicht ein. „Peking ist nicht Ratingen“, sagt die Paderbornerin.

Den besten Zehnkampf ihres Lebens zeigte Jennifer Oeser, die vor allen Dingen mit sehr ausgeglichen starken Leistungen überzeugte. Sie begann mit einer persönlichen Bestleistung von 13,50 Sekunden über 100 m Hürden und schloss mit einem weiteren persönlichen Rekord von 2:11,96 Minuten über 800 m ihren Wettkampf ab. Dazwischen erreichte sie 1,82 m (Hoch), 14,00 m (Kugel), 24,60 Sekunden (200 m), 6,28 m (Weit) sowie 46,48 m (Speer). Am Ende hatte sie erstmals über 6.400 Punkte (6.436) gesammelt. „Ich hatte im Gegensatz zu Götzis keine Probleme mehr mit der Beuger-Muskulatur und konnte im Vorfeld auch gut trainieren“, sagte die 24-jährige Jennifer Oeser, die ebenfalls erstmals an Olympischen Spielen teilnehmen wird.

Richtig dramatisch wurde es im Kampf um das dritte Peking-Ticket. Schon nach dem ersten Tag hatte es sich angedeutet, dass die Entscheidung zwischen den beiden Trainingspartnerinnen Sonja Kesselschläger und Julia Mächtig, die beim SC Neubrandenburg von Klaus Baarck betreut werden, fallen würde. Kesselschläger, die im Hochsprung ihren acht Jahre alten persönlichen Rekord von 1,85 m einstellte, war mit 3.744 Zählern Zweite, Mächtig lag auf Rang vier mit 3.702 Punkten.

Vor dem 800-m-Finale hatte dann die 22-jährige Mächtig auf Rang drei liegend einen Vorsprung von 18 Punkten auf die acht Jahre ältere Kesselschläger. Klaus Baarck tippte Minuten vor dem Startschuss auf Julia Mächtig, die sich nur an Sonja Kesselschläger anhängen brauchte und nicht viel mehr als eine Sekunde später das Ziel erreichen musste, um das Ticket nach Peking zu sichern. „Sie sind beide im Training auf gleichem Niveau“, erklärte Klaus Baarck.

Bis 60 Meter vor dem Ziel lief alles wie von Baarck vorhergesagt und allgemein erwartet. Doch während Kesselschläger mit unglaublichem Willen das Tempo verschärfte, brach Mächtig plötzlich ein und verlor auf den letzten 20 Metern noch die schon sicher geglaubte Olympia-Qualifikation. „Das hätte ich eingangs der Zielgerade nicht für möglich gehalten“, sagte Klaus Baarck und fügte hinzu: „Da schlagen jetzt bei mir natürlich zwei Herzen in einer Brust.“

Trost gab es für Julia Mächtig von allen Seiten. „Julia tut mir leid. Ich kann das gut nachvollziehen, denn mir ging es vor vier Jahren genauso“, sagte Lilli Schwarzkopf und fügte hinzu: „Aber sie ist noch jung, sie wird es auch noch schaffen.“

Jörg Wenig in leichtathletik vom 25. Juni 2008 – Nr. 26

author: GRR

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