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04
01
2007

In dieser Studie wird im Rahmen des Boston-Marathon eine Laboranalyse vorgestellt, die bei einer Anzahl von 60 Amateurläufern etwa 20 Minuten nach dem Boston-Marathon überprüft wurde. Dabei wurden Ultraschallparameter (Echokardiographie) ermittelt. Desweiteren wurden Laborparameter erhoben, die im Routineeinsatz bei Herzschwäche und Herzschädigung gemessen werden.

„Schlecht trainiert zum Marathon – das tut dem Herzen nicht gut“ – Marathon-Arzt Dr. Willi Heepe nimmt Stellung

By GRR 0

„Schlecht trainiert zum Marathon – das tut dem Herzen nicht gut“.
Mit dieser Überschrift „Schlecht trainiert zum Marathon – das tut dem Herzen nicht gut“ veröffentlichte die Deutsche Ärzte Zeitung am 13. Dezember 2006 einen Artikel und bezieht sich auf eine Veröffentlichung in der Zeitschrift Circulation 114 von 2006.

In dieser Studie wird im Rahmen des Boston-Marathon eine Laboranalyse vorgestellt, die bei einer Anzahl von 60 Amateurläufern etwa 20 Minuten nach dem Boston-Marathon überprüft wurde.
Dabei wurden Ultraschallparameter (Echokardiographie) ermittelt. Desweiteren wurden Laborparameter erhoben, die im Routineeinsatz bei Herzschwäche und Herzschädigung gemessen werden. Die einzelnen Parameter sind NT-proBNP sowie cTNT.

Der erste Parameter kann einen Hinweis auf eine Schwächung des Herzmuskels geben, der zweite Parameter ist ein so genannter Nekrose-Parameter, d.h. dieser könnte auf einen Zelltod innerhalb des Herzmuskels hinweisen. Die Schwierigkeit solcher Untersuchungen ist in dieser Veröffentlichung nicht genug gewürdigt.

Freie Radikale

Die Aussage, die getroffen wird, dass diese Parameter bei schlecht Trainierten viel deutlicher angestiegen sind als bei gut Trainierten, gibt schon einen sehr deutlichen Hinweis, den wir seit Jahren kennen. Immer wieder gibt es Läufer, die an die Marathonstrecke gehen und an diesem Lauf, sich selbst quälend und durchaus auch durch Zuschauer vorwärts gepeitscht, teilnehmen und ihn, wie wir heute aus der Leistungsmedizin wissen, zum großen Teil im anaeroben Bereich absolvieren und damit eine enorm hohe Produktion an freien Radikalen verursachen.

Diese können, wie schon seit längerem bekannt, sehr stark toxisch auf das Myokard reagieren. Die Untersuchung würde wesentlich präzisere Informationen vermitteln, wenn bei allen Läufern die leistungsmedizinischen Daten vorlägen und diese Daten mit den Ergebnissen der Studie korreliert worden wären.

Hinweise auf ein solches Ergebnis liefert schon die einfache Studie der Sporthochschule Köln, wo bei Joggern im Stadtpark ausschließlich Laktatwerte im Vorübergehen abgenommen wur-den, die darauf hinwiesen, dass die meisten Läufer absolut im zu hohen Leistungsbereich trai-nieren und sich damit alles andere als einen Gefallen tun.

Ich glaube, die Studie sollte massiv zum Nachdenken anregen. In der Begeisterungswelle hin zum Marathon und zu immer neuen Zuschauer- und Teilnehmerrekorden müssen schon einige Wermutstropfen verdaut werden.

Tägliches Bewegungsaufkommen im 20-Minuten Bereich

Die Laufstrecke Marathon ist für eine Gesellschaft, in der das tägliche Bewegungsaufkommen im 20-Minuten Bereich liegt, keine angepasste Bewegungsform. Wer sich zu einem Marathonlauf entscheidet, sollte ausreichend lange und intensiv vorbereitet sein.

Auf jeden Fall gehört heute auf dem Wege zum Marathon, und das macht diese Studie noch einmal deutlich, eine sorgfältige Leistungsdiagnostik, die die einzelnen Stoffwechsel- und Leistungssegmente sauber herausarbeitet und dem Läufer Verhaltenshinweise eindeutig und präzise erläutert.

Die Schäden, die hier aufgezeigt werden, sind in ihrer Bedeutung nicht ausreichend geklärt. Sie zeigen jedoch, dass eine ungebremste Begeisterungswelle zum Marathon sehr kritisch zu werten ist und auf Zurückhaltung stoßen sollte.

Über 50 Marathonläufe

Ich selbst habe über 50 Marathonläufe absolviert und diese Phasen des Sich-Quälens bei schlechter Vorbereitung selbst erlebt. Ich habe erlebt, dass ein im Leistungsbereich gelaufener Marathon, angepasst an den Trainingszustand, für mich keinerlei Belastung dargestellt hat und ich nach zwei Tagen wieder zur normalen Tagesordnung übergehen konnte.

Aus diesem Grunde ist die Vertiefung der hier vorgelegten wissenschaftlichen Ansätze ungeheuer wichtig und notwendig. Sportmedizinisch und sportphysiologisch müssen Folgestudien durchgeführt werden, welche die Korrelation zwischen Myokardschädigung und Myokardprotektion in Abhängigkeit von der individuellen Trainingsintensität sehr deutlich aufdecken und damit wiederum neue Parameter ergeben, die in die Trainingsberatung der Zukunft einfließen müssen.

Mittel der Prävention

Wenn wir Sport als das Mittel der Prävention ansehen, und darüber besteht kein Zweifel, dann muss der Sport sich kritische Fragen gefallen lassen und dann muss der Sport auf diese kritischen Fragen Antworten geben.
Diese liegen in sorgfältig angelegten wissenschaftlichen Ansätzen insbesondere im Bereich des Herz-Kreislauf-Systems.
Die segensreichen Wirkungen, die ein qualitativ optimal geführtes Dauerleistungstraining auf das Herz-Kreislauf-System haben, sind unbestritten.

Diese Studie zeigt aber auch unbestritten, dass die Grenze zwischen Nutzen und Schaden häufig eine hauchdünne ist und dass sie präzisiert werden muss. Dass die Folgen, die hier gesehen wurden, nach vier bis sechs Wochen ausgeheilt sind, ist eine positive Nachricht, jedoch keine befriedigende.
Befriedigend kann nur sein, dass wir bis ins letzte Detail wissen, was in Abhängigkeit vom Leistungs- und Trainingszustand des Individuums bei großen Dauerleistungen geschieht.

Neueinsteiger

Was müssen wir einem Neueinsteiger in der Laufbewegung sagen, wie lange braucht er Vorbereitungszeit, bis sein gesamter muskulärer Stoffwechsel angepasst und fähig ist, ohne Schädigung mit großem Nutzen auch einen Marathonlauf zu absolvieren?
Aufgrund meiner langjährigen Tätigkeit im Bereiche des BERLIN-MARATHON und meinen nicht unerheblichen Erfahrungen im Bereiche der Kardiologie werde ich in Zukunft Energie darauf verwenden, dass wir möglichst in Berlin erforderliche Folgestudien initiieren

Dr. med. Willi Heepe

Dr. Willi Heepe ist langjähriger Medical Director des BERLIN-MARATHON und Mitglied des Teams Sportmedizin von German Road Races (GRR)
 

Weitere Beiträge der Sportmedizin bei German Road Races (GRR):

Training im Winter – Tipps von Dr. Willi Heepe dem langjährigen Medical-Director des  real,- BERLIN-MARATHON
https://www.germanroadraces.de/24-0-newsartikel1170.html

Veränderungen von Fettstoffwechselparametern durch Sport – Dr. Thomas Bobbert über ein Projekt der Sportmedizin der Humboldt Universität und der Abteilung für Endokrinologie, Diabetes und Ernährungsmedizin der Charité Berlin
https://www.germanroadraces.de/24-0-newsartikel1021.html

Bluthochdruck und Ausdauersport – Dr. Willi Heepe, der langjährige Medical Director des BERLIN-MARATHON und SCC-RUNNING fasst zusammen welche Aspekte bei diesem Thema eine Rolle spielen und worauf zu achten ist.
https://www.germanroadraces.de/24-0-newsartikel1021.html

Macht Marathonlauf resistent gegen Stress? – Dr. Thomas Bobbert über eine Studie beim real,- BERLIN-MARATHON durch die Charité – CBF und der Sportmedizin der Humboldt Universität zu Berlin
https://www.germanroadraces.de/24-0-newsartikel1139.html

author: GRR

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